
36-facher Ertrag auf einem Quadratmeter – dank Indoor-Farming
Das Berliner Start-up OrbiFarm revolutioniert mit Indoor-Farming die Produktion von pflanzlichen Proteinen und Arzneipflanzen. Das Potenzial ist enorm: Der Ertrag ist bis zu 36-mal höher als im klassischen Ackerbau – und das ganz ohne Erde, Wetter oder lange Transportwege.
Dienstag, 22. April 2025
Der weltweite Markt für alternative Proteine wächst rasant. Für viele sind sie ein zentraler Baustein für nachhaltige Ernährung. Prognosen zufolge wird sich der Markt bis 2037 auf knapp 75 Milliarden US-Dollar vervierfachen. Ein Grund für diese Entwicklung: Die Landwirtschaft leidet unter Klimawandel, knappen Ressourcen und politischen Unsicherheiten. Hier setzt das Berliner Start-up OrbiFarm, eine Tochtergesellschaft der Veganz Group AG an: Mit einem neuartigen Indoor-Farming-System will die Firma die Pflanzenproduktion revolutionieren – und es scheint zu funktionieren.
Mehr Ertrag mit weniger Fläche
Mit einem Hightech-Anbauverfahren in der Halle produziert die Firma pflanzliche Proteine und medizinisch relevante Pflanzen effizienter, kontrollierter und nachhaltiger – unabhängig von Klima, Bodenqualität oder Wetterereignissen. Dafür nutzt das Unternehmen die patentierten Technologien OrbiLoop® und OrbiPlant®. Damit werden Pflanzen wie Erbsen, Quinoa, Hanf oder Tabak für die Insulinproduktion auf engem Raum kultiviert. Im Fachjargon spricht man dabei von «Molecular Pharming». Damit werden gentechnisch veränderte Pflanzen bezeichnet, die als Produktionsplattform für unter anderem Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel eingesetzt werden.
Das Potenzial ist schon fast surreal gross: Erste Versuche mit Erbsenpflanzen im Fraunhofer-Institut zeigen einen bis zu 36-mal höheren Ertrag im Vergleich zum konventionellen Freilandanbau. Und das bei kontrollierter Qualität, hoher Reproduzierbarkeit und maximaler Effizienz. Möglich wird das durch vertikale Anbausysteme, präzise Steuerung von Licht, Wasser, CO₂ und Nährstoffen – ganz nach dem Vorbild der Bioreaktoren in der modernen Lebensmitteltechnologie.
Mehr Protein, weniger Ressourcen
Was OrbiFarm entwickelt, ist mehr als eine technologische Spielerei. Es ist eine mögliche Antwort auf die Frage: Wie ernähren wir eine wachsende Weltbevölkerung bei knappen Ressourcen?
Nebst mehr Produktivität auf bestehenden Ackerflächen wird Indoor-Farming oder Urban Farming eine der Schlüsselrollen einnehmen: standardisiert, wetterunabhängig, platzsparend – und ideal auch für die Produktion von Gemüse oder Salaten innerhalb sogenannter Megacities oder für die Produktion kosmetischer Produkte in klimatisch schwierigen Regionen. Die Kombination aus exklusiven Patenten, biologischen Saatgutrechten und einem klaren Fokus auf die Lizenzierung macht OrbiFarm zu einem Paradebeispiel für forschungsbasierte Innovation im Food-Sektor. Doch viele Technologien – wie etwa Präzisionsfermentation oder Zellkulturen – müssen den Test einer industriellen Produktion im Grossmassstab noch bestehen.
Das Beispiel des deutschen Start-ups zeigt vor allem auch, wie wichtig Patente und Forschung für Fortschritt und Innovation sind. Die Schweiz als Patentrekordhalterin kann von solchen Modellen profitieren. Damit das so bleibt, braucht es auch in Zukunft offene Rahmenbedingungen für neue Technologien. Denn nur mit Patenten können Innovationen geschützt und der Fortschritt befeuert werden.
Zunehmend jedoch ist eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten: Technologieverbote im Bereich neuer Züchtungstechnologien oder eine übermässig strikte Anwendung des Vorsorgeprinzips bremsen Innovation und Investitionen aus. Diese Tendenz gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und schwächt langfristig ihre Rolle als Innovationsstandort.
Es ist höchste Zeit, dass die Politik klare Signale setzt: «Eine Innovationsoffensive im Lebensmittel- und Ernährungsbereich ist angezeigt», schrieben verschiedene Experten bereits 2021 in der «NZZ». Ähnlich wie die Strategie Digitale Schweiz, die der Bundesrat im September 2018 verabschiedet hat, könne auch der Agri-Food-Tech-Bereich mit all seinen Chancen für eine grössere Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Erfolg in den Fokus politischer Strategien gestellt werden. Dazu müssen aber auch die Rahmenbedingungen für zukunftsweisende Technologien – etwa im Bereich moderne Pflanzenzüchtung oder generell für Biotechnologie auch im Ernährungsbereich – verbessert werden. Nur so lässt sich der Weg für echte Fortschritte in der nachhaltigen Lebensmittelproduktion ebnen.
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