Auf Schweizer Rapsöl verzichten?

Auf Schweizer Rapsöl verzichten?

Raps ist die wichtigste Schweizer Ölpflanze und sie gewinnt weiter an Bedeutung. Unbeliebte Palmölimporte werden vermehrt durch Schweizer Rapsöl ersetzt. Doch ohne synthetische Pflanzenschutzmittel wäre der inländische Anbau nicht möglich. Raps ist sowohl für Konsumenten und Hersteller vieler Schweizer Produkte als auch für die hiesigen Bienen wichtig. Auch für sie ist Raps eine wichtige Nahrungsquelle.

Donnerstag, 10. Juni 2021

Ein Viertel des Schweizer Bedarfs an Pflanzenöl wird durch Raps abgedeckt. Rund 6500 landwirtschaftliche Betriebe bauen Raps auf einer Fläche von 32'000 Fussballfeldern (ungefähr 23'000 Hektaren) an. Der Rapsanbau in der Schweiz ist jedoch eine herausfordernde Angelegenheit. Raps ist eine sensible Kultur. Darum werden lediglich 1,5 Prozent der gesamten Rapsanbaufläche in der Schweiz für den Anbau von Bioraps genutzt. Ein gänzlich «pestizidfreier» Anbau wäre in der geforderten Menge und Qualität unmöglich.

Von einem Verschwinden des Rapses in der Schweiz wären auch die Bienen betroffen. Für sie ist die Ölpflanze im Frühling die wichtigste Pollen- und Nektarquelle. Zudem trägt die grosse Tracht des Rapses zur Entwicklung und zum Schwärmen der Bienenvölker bei.


Hoher Schädlingsdruck

Im Herbst ist es vor allem der Rapserdfloh, der die Ölpflanzen nach der Aussaat bedroht. Aber auch Schnecken machen sich am Raps zu schaffen. Im Frühjahr kann der Rapsstängelrüssler durch seine Eiablage enorme Schäden an der Pflanze verursachen. Die Folge sind Ertragsrückgänge von bis zu 30 Prozent. Der Rapsglanzkäfer verursacht Schadfrass an den Blütenknospen, solange diese noch nicht blühen. Diese vielfältigen Bedrohungen machen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln unabdingbar.


Rapsöl ersetzt vermehrt Palmöl

Ohne Pestizide wäre der Rapsanbau in der Schweiz unvorstellbar. Lebensmittelhersteller, die sich dem Umstieg auf Schweizer Rapsöl für ihre Produkte verschrieben haben, müssten ihre Pläne wieder ändern. Dazu gehört beispielsweise die Firma Zweifel, die ihre Kartoffelchips ausschliesslich mit Schweizer Rapsöl herstellt. Oder die Ovomaltine-Herstellerin Wander. Ihr Brotaufstrich «Ovomaltine Crunchy Cream» enthält kein Palmöl mehr, sondern nur noch Schweizer Rapsöl. Ohne geeignete Pflanzenschutzmittel müssten die beiden wohl wieder auf Sonnenblumenöl respektive Palmöl umsteigen.


Vielfältiger Nutzen von Raps

Neben dem Gebrauch als Speiseöl entfaltet Raps auch in der Landwirtschaft einen grossen Nutzen. Die Pressrückstände der Rapskörner enthalten viel Eiweiss und eine günstige Zusammensetzung an Aminosäuren. Sie kommen deshalb bereits heute teilweise als einheimisches Kraftfutter in der Tierhaltung zum Einsatz. Weil die Pflanzen jedoch grosse Mengen an Phytinsäure mit ihren antinutritiven Eigenschaften enthalten, eignen sie sich bis anhin nur bedingt als Futtermittel. Hier könnte in Zukunft die Genom-Editierung Abhilfe verschaffen. Mit der Genschere CRISPR/Cas9 ist es Forschern gelungen, den Phytinsäuregehalt in Rapskörnern deutlich zu reduzieren. Mit der Technik könnte mehr Kraftfutter in der Schweiz produziert werden und es bräuchte weniger Futterimporte. In der Biolandwirtschaft wird Rapsöl aufgrund seiner insektiziden Wirkung als Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Es stammt aus konventionellem Raps, für dessen Anbau der Einsatz von synthetischen Pestiziden unumgänglich ist.


Nachfrage übersteigt Angebot

Die Konsumenten verlangen Schweizer Rapsöl. In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage kontinuierlich gestiegen. Die Nachfrage übersteigt die Produktion deutlich. Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Rapsöl liegt bei ungefähr zwei Dritteln. Und auch der Weltmarkt ist leergefegt, Raps ist zurzeit trotz hoher Preise kaum erhältlich. Doch die Schweizer Bauern sind nicht in der Lage, mehr Raps anzubauen. Seit 2014 ist die Saatgutbeizung mit Neonicotinoiden bei Raps verboten. Seither stagniert trotz gestiegener Nachfrage und Anbaufläche die Produktionsmenge. Dem Ruf nach dem Ersatz von Palmöl muss realistischerweise auch ein Ruf nach synthetischen Pestiziden folgen. Denn: Ohne Pflanzenschutz würde der Rapsanbau in der Schweiz verschwinden.


Grosse Ausfälle beim Bioraps

Wie der «Schweizer Bauer» meldet, gibt es 2021 bereits grosse Ausfälle beim Bioraps, der eh eine kleine Nische ausmacht. Andreas Rohner, Leiter Ressort Biorohprodukte bei der Fenaco, sagt: «Wir haben diverse Meldungen von Totalausfall erhalten. Wir rechnen mit einem Ausfall von einem Drittel bis zur Hälfte der Fläche, hauptsächlich wegen Erdfloh und Stängelrüsslerschäden. Dabei wäre Bioraps sehr gesucht.» Hansueli Dierauer vom FibL sieht mehrere mögliche Gründe für die grossen Schäden: die Ausdehnung der Rapsflächen, mildere Winter, ein immer früherer Einflug des Stängelrüsslers und das Verbot der Neonicotinoide im konventionellen Anbau. «Wir haben momentan keine Lösung», bedauert er, «entweder kommt das Ökosystem wieder ins Gleichgewicht oder der Bioanbau wird verschwinden. Eine biologische Bekämpfung des Stängelrüsslers ist nicht in Sicht. Unsere letzte Hoffnung ist die Entwicklung neuer Anbausysteme, mit denen wir ab Herbst Versuche starten. Bis dahin wird sich der Biorapsanbau in die Regionen verlagern, die weniger Schädlingsdruck aufweisen und begünstigt sind.»

Das zeigt: Nutzpflanzen sind unter ständiger Bedrohung. Die gezielte Bekämpfung von Schädlingen ist ein Muss. Aus dem Traum vom einheimischen Öl wird schnell ein Alptraum, wenn man die Kulturen nicht schützen kann. Denn Ernteausfälle bedeuten für die Landwirte Einkommensverluste und sind eine Verschwendung landwirtschaftlicher Flächen.

Das heisst nicht, dass die Forschung nicht in alle Richtungen weitergehen muss – im Gegenteil: Die Herausforderung ist, alles zu können: den Boden und die Biodiversität zu erhalten, das Klima zu schützen und genug Nahrung für zehn Milliarden Menschen zu produzieren. Und den zehn Milliarden Menschen ein möglichst lebenswertes Leben zu ermöglichen – mit Wahlfreiheiten, wie wir sie kennen. Das kann nur eine Landwirtschaft, die in allen drei Dimensionen nachhaltig ist. Dazu braucht es ehrliche Auseinandersetzungen aufgrund von wissenschaftlicher Evidenz und Lösungswillen auf allen Seiten. Stichworte zu den Lösungen sind: Digitalisierung in der Forschung und Erkennung von Befall, Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas, mehr Erkenntnisse über Interaktionen im Boden, die Forschung der Pflanzenschutzindustrie mit neuen biologischen und synthetischen Wirkstoffen und deren immer präzisere Anwendungen. Mittels CRISPR/Cas resistenter gemachte Pflanzen können zu einer erheblichen Reduktion von Pflanzenschutzmitteln beitragen, werden sie aber nie überflüssig machen können. Denn es gibt keine auf immer und ewig und vor allem gegen jede Krankheit oder jeden möglichen Schädling resistente Pflanzen. Die Lösungen sind interaktiv und komplex, nicht eindimensional. Die Landwirtschaft wird alle verfügbaren Tools brauchen, um die Herausforderungen auf ressourceneffiziente Art und Weise zu meistern. Wir sollten sie dabei unterstützen, denn: Essen müssen wir alle.

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