Beliebte Apfelsorten in Gefahr

Beliebte Apfelsorten in Gefahr

Das Wissensmagazin «Einstein» des Schweizer Fernsehens hat sich den neuen Züchtungsmethoden angenommen. Der Beitrag zeigt deutlich, dass man an den neuen Methoden nicht vorbeikommt, wenn man in der Schweiz mittelfristig noch beliebte Apfelsorten wie Gala, Braeburn und Golden Delicious anbauen will.

Dienstag, 31. Oktober 2023

Unsere geliebten Äpfel sind zarte Pflänzchen. Dies zeigt der Beitrag des SRF-Wissensmagazins Einstein deutlich. Ohne Pflanzenschutz würden die Apfel-Regale in den Läden wohl weitestgehend leer bleiben. Apfelblütenstecher und Apfelwickler setzen dem Speiseapfel genauso zu, wie die Pilzkrankheiten Schorf oder Mehltau. Es erstaunt also nicht, dass die Apfelbauern ihre Pflanzen mehrmals pro Jahr mit Pflanzenschutzmitteln spritzen. In der Bio-Landwirtschaft passiert dies gemäss Beitrag gar doppelt so oft wie im konventionellen Landbau, weil die eingesetzten Mittel (insbesondere Schwefel und Kupfer) weniger wirkungsvoll sind.

Besonders gefürchtet ist auch der Feuerbrand, eine hochansteckende Bakterienkrankheit, die ganze Kulturen vernichten kann. Seit dem Verbot des Einsatzes von Antibiotika stehen zur Bekämpfung des Feuerbranderregers nur noch wenige Pflanzenschutzmittel mit guter Wirkung zur Verfügung. Schädlinge und Pilze sind stetige Herausforderungen der Apfelbauern. Der Klimawandel kommt hinzu: So können weder der beliebte Gala-Apfel noch Braeburn oder Golden Delicious gut mit Hitze umgehen. Ein Umstand, der weitreichende Folgen haben dürfte. Um den Apfelanbau in unseren Breitengraden auch in Zukunft zu ermöglichen, ist es unerlässlich, resistentere Pflanzen zu züchten. Sie müssen in Zukunft besser mit Hitze, Schädlingen und Pilzen umgehen können. Gleichzeitig verlangen Konsumenten und Politik eine stetige Reduktion der eingesetzten Pflanzenschutzmittel – bei gleichbleibender Produktqualität natürlich. Die Zeit drängt.


25 Jahre für einen neuen Apfel

Es ist eine riesige Herausforderung, zeitnahe Lösungen für die akuten Probleme zu finden, wie der Einstein-Beitrag zeigt. Denn einen resistenten, gut schmeckenden Apfel zu züchten ist mit den traditionellen Methoden eine langwierige Angelegenheit: 25 Jahre oder mehr vergehen, bis eine neue, resistente Sorte potenziell marktfähig ist. Denn Resistenz ist nur ein Züchtungsziel von vielen: Neue Sorten sollen schmecken, appetitlich aussehen, lange haltbar und transportfähig sein und und und. Angesichts dessen ist es unverständlich, dass es in der Schweiz nicht vorwärts geht mit der Zulassung neuer genomischen Züchtungsmethoden. Der Einstein-Beitrag zeigt eindrücklich das Potenzial dieser Technologien. Über minimale Eingriffe im Genom der Pflanze könnten entweder gewünschte Resistenzen aus Wildäpfeln in bestehende, beliebte Apfelsorten eingefügt werden oder dann ungewünschte Eigenschaften, welche Krankheiten begünstigen, ausgeschaltet werden. Anders als bei konventionellen Züchtungsmethoden würde es aber nicht Jahrzehnte dauern bis zur Marktreife, sondern «nur» ein paar Jahre. Und die Konsumenten müssten nicht auf ihre bevorzugten Apfelsorten verzichten. Zudem hätte man Werkzeuge zur Hand, mit denen man schnell auf neue Herausforderungen reagieren kann. Bruno Studer, Professor für molekulare Pflanzenzüchtung an der ETH Zürich, erläutert im Beitrag die Möglichkeit, mit Cisgenetik und Genom-Editierung unterschiedliche Resistenzmechanismen zu kombinieren, um dauerhaftere Resistenzen zu entwickeln. Das wird den Einsatz nötiger Pflanzenschutzmittel signifikant reduzieren.


Konsumenten sehen die Vorteile

Die Vorteile der neuen Züchtungsmethoden liegen auf der Hand. Und die kleine Umfrage an den «Farmy Days» am Ende des Einstein-Beitrages zeigt: So mancher Konsument ist durchaus aufgeschlossen für Äpfel, die mit neuen Methoden zustande kamen: «Wenn das Ganze wissenschaftlich erprobt und unbedenklich ist, würde ich mich für den geneditierten Apfel entscheiden», sagt ein Familienvater überzeugt. Widersprechen kann man ihm nicht. Und in dieser Ansicht ist er längst kein Exot mehr, das zeigt auch eine Umfrage von gfs Bern.

Es gibt einen Markt für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel in der Schweiz

Die von 2007 – 2011 im Auftrag des Bundes erarbeitete NFP59 Studie «zu Nutzen und Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen» zeigte bereits damals, dass es einen Markt für mit (notabene klassischer) GVO hergestellte Produkte in der Schweiz gäbe, wenn die Konsumenten tatsächlich die Wahlfreiheit hätten. Die Studie kam durch ein gross angelegtes Marktstandexperiment zu dieser Erkenntnis. Marktstände wurden dabei in Städten der deutschsprechenden wie auch der französisch sprechenden Schweiz aufgebaut. Die Verkaufsstände offerierten Passanten drei Typen von Maisbrot, die in einer grossen und einer kleinen Version erhältlich waren. Die Maisbrote wurden mit drei unterschiedlichen Maissorten hergestellt («bio», «konventionell» und «gentechnisch verändert») und waren klar gekennzeichnet. Es wurden insgesamt fast 5000 Brote an über 3000 Konsumenten verkauft. Die Resultate überraschten, denn der Marktanteil der Gentechvariante lag selbst dann bei über 20%, wenn sie gleich teuer war wie die Biovariante. Für die Konsumenten war dabei nicht nur der Preis, sondern auch der eigentliche Brottyp weniger relevant beim Kaufentscheid als die Brotgrösse. Es war ihnen also wichtiger, ob es ein kleines oder ein grosses Brot war, als ob es mit Biomais oder mit Gentechmais gemacht wurde. Im Weiteren zeigte die Studie, dass bei allen fünf Marktständen der Umsatz um 30% zunahm, wenn die Konsumenten nicht nur zwischen bio und konventionell (Kontrollexperiment) wählen konnten, sondern auch noch die zusätzliche Option eines gekennzeichneten Gentech-Maisbrotes hatten. Die damalige Erkenntnis stellt die bis heute erzählte Geschichte, dass die «Konsumenten keine Gentechnik wollten» auf den Kopf. Zum gleichen Schluss kam übrigens eine augenzwinkernd und nicht ganz so wissenschaftlich durchgeführte Publikumsstudie: Syngenta gab an der Schweizer Landesausstellung Expo 2002 ein mit Bt Mais gebrautes Bier ab, das reissenden Absatz fand. Ironischerweise wurde dies durch Greenpeace im Sozialarchiv dokumentiert.

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