Bewährte Sorten stärken
Der nasskalte Sommer führte auf Schweizer Kartoffeläckern zu massiven Ernteverlusten. Die Kraut- und Knollenfäule schlug mit voller Wucht zu. Daraus lassen sich für die Zukunft zwei Lehren ziehen. Erstens sind Pflanzenschutzmittel nach wie vor unverzichtbar. Zweitens müssen bewährte Sorten mit Resistenzen gezüchtet werden. Unbekannte neue Sorten werden nicht gekauft. Hier bietet die Genom-Editierung eine grosse Chance.
Montag, 15. November 2021
Die «NZZ» berichtet über das katastrophale Erntejahr 2021: Bis zu 45 Prozent der Biokartoffeln wurden vom Dauerregen und der Kraut- und Knollenfäule vernichtet. Dank Pflanzenschutzmitteln konnte der Verlust bei den konventionell angebauten Sorten auf 26 Prozent begrenzt werden. Unbestritten bleibt: Es braucht neue und weiterentwickelte Sorten mit Resistenzen gegen die Pilzkrankheit. Eine solche Resistenz besitze die biologisch angebaute Kartoffel «Sardona». Sie hätte in diesem Sommer keine Anzeichen von Krankheiten gezeigt und lieferte fast doppelt so hohe Erträge wie andere Biokartoffeln im langjährigen Schnitt.
Neue Sorten haben es schwer
Ist das der Durchbruch im Kampf gegen die Kraut- und Knollenfäule? Das muss sich erst noch zeigen. «Sardona» hat auf jeden Fall ein grosses Problem: Sie ist den Konsumentinnen und Konsumenten unbekannt. Zudem ist fraglich, ob ihre geschmacklichen und optischen Eigenschaften mit den Ansprüchen der Schweizer Konsumenten in Einklang zu bringen sind. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen: Neue Sorten haben es schwer. Anstatt der Bevölkerung eine neue Sorte «aufzuzwingen», wäre es sinnvoller, altbewährte Sorten mit Resistenzgenen auszustatten. Damit wären die Erträge von Landwirten gesichert und Konsumentinnen und Konsumenten müssten nicht auf ihre Lieblingskartoffeln verzichten.
Hohe Ansprüche
Denn die Ansprüche an «gute Sorten» sind über die Zeit immer vielfältiger geworden: Der Landwirt wünscht sich etwa Resistenz gegenüber Schädlingen, Trockenheitstoleranz für Dürreperioden oder gleichzeitige Reifung der Feldfrüchte, etwa bei Rispentomaten, das erleichtert die Ernte und verringert den Ausschuss. Für die Verarbeiter spielen etwa Eigenschaften wie gleichmässige Grösse, konstanter Stärkegehalt bei Getreide oder möglichst wenig Rüstabfall bei Gemüse eine wichtige Rolle. Denn vielfach stehen hinter einer effizienten Verarbeitung maschinelle Prozesse oder ausgeklügelte Rezepturen, die ohne Zusatzinvestitionen nicht einfach angepasst werden können. Aussehen, Geschmack, Haltbarkeit und Transportfähigkeit sind gerade bei unverarbeiteten Produkten wie Gemüse und Früchten wichtig für den Detailhandel. Und Konsumenten wünschen sich lange Frische und Haltbarkeit und positive Pflanzeneigenschaften, die ihnen helfen, lange jung und gesund zu bleiben.
Diese sehr unterschiedlichen Züchtungsziele gleichzeitig zu erreichen, erfordert viel Know-how. Pflanzenzüchtung ist heute aufgrund hoher Entwicklungs- und Regulierungskosten teuer und mit einer Dauer von etwa zehn Jahren langwierig. Die Markteinführung neuer Sorten ist vergleichbar mit der Einführung anderer Produkte: Es braucht Marketing, Kundinnen und Kunden wollen überzeugt werden: «Neue Sorten haben es schwer. Der Markt ist konservativ», wird Lucius Tamm vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) im NZZ-Beitrag zitiert. Das erstaunt aufgrund all der erwähnten Ansprüche an eine neue Sorte kaum.
Genom-Editierung nutzen
Innovationen in der Pflanzenzüchtung wie Genom-Editierung ermöglichen es, bewährten Sorten gezielt und in kurzer Zeit gewünschte Eigenschaften zu geben – ohne die bewährten oder beliebten Eigenschaften zu verlieren. Denn bei der Kreuzung gehen bewährte Eigenschaften häufig verloren und müssen mühsam wieder eingekreuzt werden. Verbesserte Präzision mittels Genom-Editierung ermöglicht einen wesentlich genaueren Züchtungsprozess als konventionelle Züchtungsmethoden mit der Kreuzung einer Vielzahl von Genen.
Genom-Editierung konkurrenziert traditionelle Züchtung nicht
Beat Lehner, Apfelzüchter aus Felben-Wellhausen- TG, würde die Abschaffung des Gentech-Verbots begrüssen. Gegenüber der "BauernZeitung" sagte er im August 2021: «Die heutige Gentechnik ist nicht mehr dieselbe wie vor 30 Jahren.» Neue gentechnische Verfahren würden auch keine Bedrohung für die herkömmliche Züchtung darstellen: «Für eine neue Sorte braucht es immer die traditionelle Züchtung, die freie Kombination von Genen», so Lehner. Er muss es wissen: Mit seinem Geschäftspartner Kobelt hat er in 25 Jahren Züchtungstätigkeit so erfolgversprechnde Sorten wie den rotfleischigen Apfel Redlove, Julka (eine extrem frühe Sorte für den Bio-Anbau) oder Galant auf den Markt gebracht. Galant als Anspielung auf die bekannte Apfelsorte «Gala», ergänzt mit den Buchstaben N und T für Neue Technologie.
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