Biobauer fordert Genom-Editierung für den Obstbau
Die hohe Zahl an Pflanzenschutzbehandlungen fordert Biobauern stark. Einer davon ist Apfelbauer Marco Messerli aus Kirchdorf BE. Ganze 48-mal musste er anfällige Apfelsorten mit biologischen Pflanzenschutzmitteln behandeln. Zu viel, findet er und fordert jetzt die Zulassung von neuen Züchtungsmethoden. Experten geben dem Bauern Recht.
Montag, 12. Februar 2024
Bio ist besser. Davon zumindest gehen die meisten aus. Doch glänzt nicht alles, was Bio ist. So kommt im Bioobstbau eine Menge Pflanzenschutzmittel zum Einsatz – und das nicht zu knapp, wie ein Beitrag der «BauernZeitung» zeigt.
So musste der Biobauer Marco Messerli anfällige Apfelsorten sage und schreibe 48-mal mit biologischen Pflanzenschutzmitteln behandeln. Das verkündete der Berner an der Zentralschweizer Pflanzenschutz- und Obstbautagung der Arbeitsgemeinschaft Zentralschweizer Obstbauproduzenten (AZO) und schreckte in seinem Referat nicht davor zurück, die Probleme im Bioobstbau beim Namen zu nennen.
Darum spritzt der Biobauer öfters
«Ja, es stimmt, dass der Biobauer öfters und teils sogar in der Nacht spritzt», wird Messerli in der «BauernZeitung» zitiert. Insbesondere wenn Starkniederschläge den Schutzbelag runtergewaschen hätten, seien Einsätze in der Nacht notwendig geworden. «Ich kann mir Schorfinfektionen aus Qualitätsgründen nicht erlauben. Darum ist es entscheidend, den Schutzbelag innert Stunden zu erneuern.» Zudem habe er an manchen Tagen gar zwei Mittel – je ein Fungizid- und eine Insektizidbehandlung – spritzen müssen.
Messerli fordert deshalb, dass die Zucht von neuen robusten Sorten vorangetrieben und innovative Züchtungsmethoden wie die Crispr/Cas9-Genschere in Betracht gezogen werden. «Wir sind im Jahr 2024. Wenn man wirklich nachhaltig Bioäpfel produzieren will, muss man auch neue Züchtungsmethoden zulassen», so der junge Obstbauer.
Eins ist klar: Messerlis Berichte lassen aufhorchen. Unüberwindbar sind die Zielkonflikte aber keineswegs. So können neue Züchtungsmethoden wie die Genschere Crispr/Cas9 durchaus Abhilfe schaffen. Über minimale Eingriffe ermöglicht es die Technologie, gewünschte Resistenzen in bestehende, beliebte Apfelsorten einzufügen und wiederum ungewünschte Eigenschaften, welche Krankheiten begünstigen, auszuschalten.
Gar Biowissenschaftler sehen Vorteile in der Gentechnik
Auch dem Wissensmagazin «Einstein» des Schweizer Fernsehens zufolge kommt man nicht an den neuen Methoden vorbei, wenn man in der Schweiz mittelfristig noch beliebte Apfelsorten wie Golden Delicious, Braeburn und Gala anbauen will. Besonders letztere Sorte sei enorm schorfanfällig.
Ins gleiche Horn bläst Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard. Den Konsumenten vertraute Sorten können mittels Genom-Editierung effizient optimiert werden: «Bereits gut bewährte Sorten können einfach durch eine Genmutation, die sich in anderen Arten als vorteilhaft erwiesen hat, verbessert werden», sagt Nüsslein-Volhard. Deshalb plädiert die Nobelpreisträgerin dafür, dass die Genschere Crispr/Cas9 nicht nur in der konventionellen Pflanzenzucht, sondern auch im Ökolandbau zum Einsatz kommt.
Gentechnik ist in der Biowelt verpönt, doch Genom-Editierung ist sanfter und zielgenauer, gerade auch im Vergleich zur auch in der Biozüchtung verbreiteten ungezielten Mutationszüchtung, die mit radioaktiver Bestrahlung oder chemischer Behandlung die stärksten Pflanzen selektioniert. Daher sieht auch der Schweizer Urs Niggli, der zu den renommiertesten Biowissenschaftlern weltweit zählt, Vorteile in der Technologie. «Es wäre unschön, wenn der konventionelle Bauer eine Kartoffelsorte hätte, die ohne Pestizide auskommt – und der Biobauer eine Kartoffelsorte, die er mit Kupfer spritzen muss», zitierte die «NZZ» Niggli unter Berufung auf die Tageszeitung «taz».
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