«Bio kommt ohne Pestizide aus.»
Dass Biolandwirte ohne Pestizide arbeiten, ist zwar eine weit verbreitete Ansicht, ist aber ganz klar falsch. Rund 60 Prozent der Schweizer Top-Ten-Pflanzenschutzmittel sind auch für den Bio-Landbau zugelassen. Die Biolandwirtschaft könnte ohne moderne synthetische Pflanzenschutzmittel in der jetzigen Form nicht existieren.
Freitag, 1. November 2019
Das Wichtigste in Kürze
- Pestizide können als Pflanzenschutzmittel auf dem Feld eingesetzt werden oder als Biozide in der Lagerhaltung.
- Mehr als 40 Prozent der in der Schweiz verkauften Pflanzenschutzmittel sind auch für den Bio-Landbau zugelassen.
- Eine Biolandwirtschaft, wie sie heute in der Schweiz betrieben wird, könnte ohne moderne, synthetische Pflanzenschutzmittel nicht existieren.
Unter Pestiziden wird jede Substanz aus chemischen oder biologischen Inhaltsstoffen verstanden, die dazu bestimmt ist, Krankheiten wie Pilze oder Schädlinge abzuwehren, zu zerstören oder zu bekämpfen . Pestizide können als Pflanzenschutzmittel auf dem Feld eingesetzt werden oder als Biozide in der Lagerhaltung, beim Transport oder in der Lebensmittelverarbeitung. In der Biolandwirtschaft dürfen – mit Restriktionen – solche Mittel ebenfalls eingesetzt werden. Und das wird auch häufig gemacht. Insbesondere Spezialkulturen wie Obst, Reben, Gemüse und Kartoffeln kommen auch im Biolandbau nicht ohne substanziellen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aus. Und Stallhygiene oder eine sichere Lebensmittelverarbeitung ist ohne Biozide auch in der Bioproduktion nicht möglich.
Eine Biolandwirtschaft, wie sie heute in der Schweiz betrieben wird, könnte ohne moderne, synthetische Pflanzenschutzmittel nicht existieren. Die in der Biolandwirtschaft eingesetzten Pestizide sind auch nicht per se harmlos. So reichert sich beispielsweise Kupfer – ein Mittel, ohne das Pilzbefall im Biolandbau kaum bekämpft werden könnte – im Boden an, ist schädlich für Boden- und Wasserlebewesen. Und es gibt auch für den Biolandbau zugelassene Insektizide, welche für Bienen gefährlich sind. Ein Verbot von risikoreichen Stoffen würde auch Bio treffen. Das belegt eine Studie von Agroscope. Ob Bio oder konventionell: Bei vorschriftsgemässer Anwendung sind moderne Pflanzenschutzmittel für Mensch, Tier und Umwelt sicher.
Blindspot-Artikel
Biopestizide holen auf
Mehr als 40 Prozent der in der Schweiz verkauften Pflanzenschutzmittel sind auch für den Bio-Landbau zugelassen. Gemäss der Verkaufsstatistik 2019 von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz ist die Tendenz klar steigend. Bei den fünf meistverkauften Pflanzenschutzmitteln lagen 2019 Schwefel und Paraffinöl an der Spitze – beide Produkte werden auch in der Biolandwirtschaft angewendet. Sechs von den zehn meistverkauften Pestiziden dürfen die Biobauern einsetzen.
Auch Bio setzt auf «synthetisch»
In der Bioproduktion werden auch synthetisch hergestellte Mittel eingesetzt. Denn diese bieten gegenüber anderen Herstellungsverfahren viele Vorteile, wie hier erklärt wird. So wird beispielsweise keines der im Biolandbau beliebten Kupfersalze direkt aus der Natur gewonnen, sondern synthetisch hergestellt. Auch Schwefel und Paraffinöl sind zwei aus Erdölderivaten hergestellte synthetische Stoffe. Und viele Bio-Pflanzenschutzmittel oder -Biozide enthalten synthetische Hilfs- und Zusatzstoffe. Hinzu kommt, dass bei akuten Gefährdungslagen immer wieder zusätzliche Pflanzenschutzmittel vorübergehend im Bioanbau erlaubt werden, um einen wirkungsvollen Schutz der Ernten zu gewährleisten. Im Hitzesommer 2018 wurde der Einsatz der Wirkstoffe Azadirachtin und Spinosad im Biolandbau zugelassen, weil sonst der Kartoffelkäfer die Ernten weggefressen hätte. Wie sich der Kartoffelkäfer verhält, wenn ihn keine Pflanzenschutzmittel hindern, sehen Sie in diesem anschaulichen Video.
Ähnliche Artikel
Der ideologische Missbrauch «wissenschaftlicher» Studien
Wissenschaft dient als Grundlage für politische Entscheidungen, auch im Naturschutz. Eine zentrale Frage ist jedoch: Wie vertrauenswürdig sind die zugrundeliegenden Studien und Daten? Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag» und die Erläuterungen von Quarks bieten aufschlussreiche Perspektiven über die Qualität von wissenschaftlichen Studien und den möglichen Missbrauch von Zahlen.
Wie lässt sich Biodiversität effizient schützen?
Biodiversität ist eine wichtige Lebensgrundlage. Und das Thema ist sehr aktuell: Die Pflicht zur Ausscheidung von Biodiversitätsförderflächen in der Schweizer Landwirtschaft hat offensichtlich nicht die angestrebten Ziele erreicht. Die Artenvielfalt bleibt gemäss aktuellen Veröffentlichungen unter Druck. Dies ist Anlass für swiss-food, das Spannungsfeld Biodiversität und Landwirtschaft in den Mittelpunkt des periodischen Talks, der am 26. Juni stattgefunden hat, mit drei ausgewiesenen Experten zu stellen und Hintergründe auszuleuchten.
Warum KI in der Landwirtschaft noch nicht ihren Durchbruch hatte
Künstliche Intelligenz ist in vielen Bereichen auf dem Vormarsch. In der Landwirtschaft scheint die neue Technologie aber noch nicht wirklich angekommen zu sein. Schuld daran ist die Natur, welche KI einen Strich durch die Rechnung macht. Nichtsdestotrotz wären die Chancen, welche KI der Landwirtschaft zu bieten hätte, immens.
Ernährung: Gehört der grünen Genschere die Zukunft?
Neue Pflanzensorten tragen zur Versorgungssicherheit bei. Die als «Genschere» bekannten neuen Züchtungsmethoden wie Crispr haben das Potenzial, die Landwirtschaft und die Ernährung zu revolutionieren.