
Bio: Luxus zulasten der Entwicklungsländer
Das «ZDF» befasst sich in einer Dokumentationssendung mit der Biolandwirtschaft. Sind Bioprodukte tatsächlich nachhaltiger und besser fürs Klima als vergleichbare Produkte aus der konventionellen Landwirtschaft? Aus dem Betrachtungswinkel der Ressourceneffizienz muss die Frage verneint werden: Aufgrund des grösseren Flächenbedarfs sind sie nicht nachhaltiger. Und auch zur Ernährung der Welt taugt Bio nicht. Die europäische Biolandwirtschaft ist ein Luxus, dessen Kosten letztlich die ganze Welt zu bezahlen hat.
Dienstag, 1. März 2022
Der Beitrag beginnt auf einem Biobetrieb für Speisetrauben in Hessen. Gleich zu Beginn wird mit dem alten, aber umso hartnäckigeren Mythos aufgeräumt, dass Bio keine Pflanzenschutzmittel brauche. Tatsache ist: Auch die biologisch angebauten Tafeltrauben werden von Pilzkrankheiten, Unkraut und Schädlingen bedroht. Auch sie brauchen Schutz. Im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft, so im Beitrag zu hören, würde Bio jedoch auf synthetische Pestizide verzichten. Nur einen Satz später heisst es dann: «Das einzige wirksame Mittel gegen Pilzbefall in der Biolandwirtschaft ist Kupfer.» Dass Kupfer natürlichen Ursprungs ist, jedoch synthetisch hergestellt wird, kommt im Beitrag nicht zur Sprache. Dass auch die biologische Landwirtschaft auf Pestizide angewiesen ist, macht der porträtierte Landwirt deutlich: «Wenn ich keine Möglichkeit mehr hätte, um gegen den Falschen Mehltau vorzugehen, könnte ich keinen Bioweinbau mehr betreiben.»
Grösserer Flächenbedarf …
Der Nutzen von Kupfer als Pflanzenschutzmittel ist unbestritten. Doch weil das Schwermetall sich im Boden anreichert, kann es für Bodenlebewesen gefährlich werden. Die Auswirkungen auf die Bodengesundheit sind enorm. Dennoch leben auf biologisch bewirtschafteten Böden deutlich mehr Insekten und Regenwürmer als auf konventionell bewirtschafteten Böden. Was dabei jedoch ausgeblendet wird ist, dass die biologische Landwirtschaft rund 40 Prozent mehr Fläche für die Produktion derselben Erntemenge benötigt wie die konventionelle Landwirtschaft. Diverse Untersuchungen haben gezeigt, dass die biologische Landwirtschaft ihren ökologischen Ausgangsvorteil dadurch verspielt. Die grössere benötigte Fläche führt insgesamt zu ähnlichen Biodiversitätsverlusten. Denn jede landwirtschaftliche Anbauform – auch die Biolandwirtschaft – verdrängt die lebendige Vielfalt.
… und CO2-Emissionen
Der grössere Flächenbedarf ist zudem auch für das Klima schädlich. Mehr Fläche für die landwirtschaftliche Produktion bedeutet weniger Wald und naturbelassener Boden für die Speicherung von Kohlenstoff. Die mit dem Biolandbau verbundene Extensivierung der Landwirtschaft führt zudem dazu, dass die Produktion ins Ausland ausgelagert wird. Es muss mehr importiert werden, was die CO2-Emissionen zusätzlich erhöht.
Produktivität nimmt weltweit ab
Die geringeren Erträge pro Fläche sind der Grund, weshalb Bio weder die Lösung für das Nachhaltigkeitsproblem noch für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung taugt. Die Nutzung von wertvollem Boden zur Produktion von weniger Nahrungsmitteln ist nicht ressourceneffizient und damit auch nicht nachhaltig. Wenn die Welt bis 2050 zehn Milliarden Menschen ernähren und gleichzeitig weniger Fläche verbrauchen will, führt kein Weg an einer Steigerung der Produktivität pro Hektar vorbei. Gemäss «NZZ am Sonntag» hapert es derzeit jedoch genau daran. Die Produktivität der globalen Landwirtschaft kann derzeit nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten, was zu einem immer grösseren Flächenbedarf führt. Die Erde werde je länger je mehr zu einem einzigen grossen Bauernhof. Am deutlichsten sind die Produktivitätsrückgänge in Südamerika und Afrika. Es drohen höhere Lebensmittelpreise, was gerade für die ärmsten Menschen fatale Auswirkungen hat.
Gefährlicher Luxus
Die Drosselung der landwirtschaftlichen Produktion zugunsten von Bio im globalen Norden ist ein Luxus, der letztlich zulasten der Entwicklungsländer geht. Die europäischen Mindererträge führen auf dem Weltmarkt zu steigenden Preisen, die wiederum die arme Bevölkerung des globalen Südens am stärksten treffen. Zudem führt die Auslagerung der Produktion häufig dazu, dass in anderen Weltregionen die Umweltbelastungen zunehmen. Vor diesem Hintergrund ist das Fazit der «ZDF»-Sendung mehr als nur zweifelhaft: «Bio muss das neue Konventionell werden. (…) Der Verbraucher muss bereit sein, mehr zu bezahlen.» Wir Europäer können uns diesen Luxus leisten. In vielen anderen Ländern der Welt dürfte diese Forderung im besten Fall Kopfschütteln verursachen.
Sources
Auf wenig Fläche viel produzieren
Eine Studie der Universität Göttingen kommt zum Schluss, dass mit einer intensiven Produktion auf kleineren Flächen der Biodiversität besser geholfen ist als mit der Biolandwirtschaft. Auch die Biolandwirtschaft stellt einen Eingriff in die Natur dar und verdrängt viele Spezies. Durch den zusätzlich benötigten Flächenverbrauch schadet sie der Artenvielfalt unter dem Strich mehr als eine produktive Landwirtschaft.
Ähnliche Artikel

Invasive Arten gefährden einheimische Pflanzen
Die wirtschaftliche Verflechtung der Welt hat über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte stark zugenommen. Durch die rege Handelstätigkeit zwischen den Kontinenten verbreiten sich auch invasive Pflanzen- und Tierarten immer schneller. Für die einheimische Vegetation und Landwirtschaft kann dies zu ernsthaften Problemen führen. Der Kanton Tessin ist gemäss BAFU besonders stark betroffen.

Invasive Schädlinge reisen mit
Invasive Schädlinge und Pflanzenkrankheiten gehören zu den grössten Herausforderungen für Biodiversität und Landwirtschaft. Sie gelangen oft über den Reiseverkehr sowie Warenimporte in die Schweiz und richten grosse Schäden bei Kultur- und Wildpflanzen an. Seit 2020 ist die Einfuhr von Pflanzen aus nicht EU-Ländern verboten. Eingeschleppte Schädlinge sind jedoch ein weltweites Problem.

Reisefreudiger Japankäfer bedroht einheimische Pflanzen
Der Japankäfer wurde in der Schweiz zum ersten Mal im Jahr 2017 im Tessin entdeckt. Nun hat er es auf die Alpennordseite geschafft. Nach Funden in Basel-Stadt und Solothurn ist in Kloten erstmals eine grössere Population der Käfer gefunden worden. Sie werden mit Fallen, aber auch Pflanzenschutzmitteln bekämpft.

Weil Pflanzen Schutz vor Schädlingen und Krankheiten brauchen
Die Gesundheit unserer Nutzpflanzen ist keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: In unserer von Mobilität geprägten Welt verbreiten sich Schädlinge und Pflanzenkrankheiten wie ein Lauffeuer. Als Brandbeschleuniger wirkt der Klimawandel. Wenn Schädlinge migrieren und sich neue Pflanzenkrankheiten in unseren Breitengraden etablieren, können sie zur Gefahr für einheimische Arten werden. Daran erinnert jeweils am 12. Mai der internationale Tag der Pflanzengesundheit. Und der Tag zeigt: Um die Pflanzengesundheit auch in Zukunft zu gewährleisten, braucht es vor allem Forschung und Innovation.