
Dauerregen vernichtet Ernten
Die andauernden Regenfälle setzen der Landwirtschaft zu. Die feuchte und kühle Witterung verzögert den Reifeprozess vieler Kulturpflanzen und beeinträchtigt die Erntequalität. Pflanzenkrankheiten wie Mehltau breiten sich rasant aus und bedrohen die Weinberge der Westschweiz. Die Ernteeinbussen wirken sich auf die gesamte Produktionskette aus. Ohne baldige Rückkehr der Sonne droht ein Desaster.
Mittwoch, 15. September 2021
«Wir müssen alles retten, was wir noch retten können», sagt John Schmalz, Direktor des Cercle des Agriculteurs de Genève et Environs gegenüber der «Tribune de Genève». Der seit Wochen anhaltende Regen fügt den Getreideproduzenten enormen Schaden zu. Sie liegen schon drei Wochen hinter dem üblichen Zeitplan zurück. Die kühlen Temperaturen und die fehlende Wärme der Sonne lassen das Korn nur langsam reifen. Der Boden kann die enormen Wassermengen, die vom Himmel fallen, nicht mehr aufnehmen. Anstatt zu blühen, liegt der Weizen auf dem Boden und verrottet. Erschwerend kommt hinzu, dass schwere Landmaschinen wie Mähdrescher auf den völlig übernässten Böden nicht fahren können. Sie würden auf dem Feld stecken bleiben. Also bleiben sie in der Garage. Es kann weder geerntet noch gegen Pflanzenkrankheiten gespritzt werden.
Qualität der Ernten beeinträchtigt
Die übermässige Feuchtigkeit beeinträchtigt die Qualität des bisher geernteten Getreides teilweise stark. Es muss in den Trockner, was die Preise zusätzlich erhöht. Bei feuchten Körnern besteht ausserdem die Gefahr der Keimung, was die Qualität weiter reduziert. Auch das Risiko der Ausbreitung von Pilzkrankheiten steigt. Bei Schimmelpilz besteht zudem die Gefahr, dass die Ernten mit krebserregenden Mykotoxinen kontaminiert werden. Gräser trocknen auf den Feldern nicht aus und verunreinigen das Erntegut. «Wir erwarten einen Rückgang der Qualität und eine Herabstufung eines Teils der Ernte zu Futtermitteln», sagt Olivier Sonderegger, Direktor der Landi Gros-de-Vaud, gegenüber «24 heures».
Falscher Mehltau auf dem Vormarsch
Feuchtes Wetter begünstigt die Ausbreitung von Pilzkrankheiten. Besonders betroffen sind Winzer. Der Falsche Mehltau breitet sich derzeit rasant in den Westschweizer Rebbergen aus. Der Kampf gegen den hartnäckigen Schädling ist im Moment kaum zu gewinnen. «Wir haben aufgehört, die Tage der Reinfektion zu zählen», sagt der Päsident des Waadtländer Winzerverbandes, François Montet. Das Problem: Die schweren Regenfälle spülen die eingesetzten Fungizide sofort wieder weg. Um erneut Pflanzenschutzmittel auf die Pflanzen auftragen zu können, braucht es ein trockenes Fenster. Auf den mechanisierten Rebbergen ergibt sich das gleiche Problem wie im Flachland: Die aufgeweichten Böden können nicht mehr mit Landmaschinen befahren werden, was die Bekämpfung des Mehltaus zusätzlich erschwert.
Biolandbau besonders betroffen
In besonderem Masse sind Biobauern von der schlechten Witterung betroffen, die auf die mechanische Bekämpfung von Unkräutern setzen. Aufgrund der Bodenverhältnisse konnten sie mit ihren Jätmaschinen nicht rechtzeitig aufs Feld. Auf den Rebbergen bleibt auch Biowinzern nichts anderes übrig, als mit massivem Kupfereinsatz gegen den Mehltau vorzugehen. Auf der Domaine de Marcelin, einem biodynamisch bewirtschafteten Weingebiet, wurden die Reben bereits zehnmal mit Kupfer behandelt. Diese Anzahl Behandlungen reicht normalerweise für ein ganzes Jahr.
In ihrem Editorial in der Westschweizer Tageszeitung «24 heures» erinnert die Journalistin Cécile Collet daran, dass zwei Volksinitiativen vor kurzer Zeit den Einsatz von Pestiziden verbieten wollten. Das Signal, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen, stimme zwar noch. Trotzdem sei am Ende die Realität der Fiktion vorzuziehen. Pflanzenschutzmittel bleiben die beste Verteidigung gegen den Mehltau. Doch die Suche nach Alternativen müsse weitergehen.
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