
Der Genmais – eine Erfolgsgeschichte, auch im gentech-kritischen Europa
Europa stemmt sich noch immer gegen den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Dies heisst aber nicht, dass sie gleichzeitig auf deren Segnungen verzichten möchte. In den Futtertrögen und auf den Tellern ist die Gentechnik auch in Europa längst angekommen.
Freitag, 12. Februar 2021
Das Wichtigste in Kürze
- Der Anbau gentechnisch veränderter Kulturpflanzen ist in den grossen Agrarstaaten dieser Welt bereits Realität.
- Bereits ein Viertel des global angebauten Mais wird durch gentechnische Verfahren optimiert.
- Die Vorteile sind höhere Erträge, weniger Schädlingsbefall und geringere Mengen an benötigten Pflanzenschutzmitteln.
Man hört es immer wieder von Gentechnik-Gegnern: Die Versprechen seien nicht eingelöst worden. Gentechnisch veränderte Pflanzen hätten nicht die Vorteile erbracht, die vollmundig versprochen worden seien. Vor allem in Europa ist die Skepsis bezüglich modifizierten Saatgutes und Produkten gross, entsprechend prominent kursiert diese Erzählung vom angeblichen Scheitern der genetischen Pflanzenzucht.
Der Anbau in den meisten europäischen Ländern verboten. Auf EU-Ebene kämpfen viele dafür, dass dies auch so bleibt. Die entsprechenden Regierungen stellen sich mit ihrer Opposition gegen Gentechnik als Advokaten der öffentlichen Meinung dar und blockieren Lockerungen der rigiden Gesetzgebung.
Abseits der grossen Bühne, in den Hinterzimmern Brüssels ist die politische Realität indes etwas komplizierter: Anfang Januar hat die EU-Kommission acht gentechnisch modifizierte Pflanzen für den Import in die EU zugelassen. Damit sind es nun 79 Pflanzen, die in den EU-Raum eingeführt werden dürfen, obwohl sie gentechnisch verändert worden sind. Es geht um Baumwolle, Mais, Raps, Soja und Zuckerrübe. Diese Pflanzen sind entweder mit Herbizid- oder Insektenresistenzen versehen und werden in jenen Ländern produziert, die den Anbau von gentechnisch veränderten Sorten erlauben.
In Europa werden sie als Futtermittel oder Komponenten der Nahrungsmittelproduktion verwendet. Offenbar geht es nicht ohne diese Importe. Und offenbar wird in den jeweiligen Produktionsländern stark auf genveränderte Sorten gesetzt, ganz entgegen der Erzählung der Gentechnik-Gegner. Es ist absehbar, dass Europa zukünftig noch mehr Raps, Soja oder Mais importieren wird, der genetisch verändert ist. Schlicht und einfach deshalb, weil es in den grossen Agrarstaaten immer mehr der vorhandenen Anbauflächen für solche Pflanzen gibt. Gut ein Viertel des global angebauten Mais ist mittlerweile gentechnisch verändert.
Viele Vorteile für die Bauern
Wieso dies so ist, zeigt eine breit angelegte Studie aus dem Jahr 2018. Diese kommt zum Schluss, dass vor allem auch der genveränderte Mais eine Erfolgsgeschichte ist: Dieser erzielt durchschnittlich um 10 Prozent höhere Erträge als die konventionellen Sorten. Grund ist der deutlich reduzierte Befall mit Schädlingen. Zudem enthält der angebaute Mais etwa ein Drittel weniger pflanzeneigenen Giftstoffe wie beispielsweise Mykotoxine. Schliesslich zeigen die im Rahmen dieser Metastudie ausgewerteten Forschungsergebnisse, dass keine signifikanten Auswirkungen auf Mensch und Umwelt festgestellt werden können.
Da die Forscher hohe Anforderungen an die berücksichtigten Studien stellten, konnten sie keine Aussagen zur Wechselwirkung mit dem Pestizid machen. Die Datenlage war zu dünn, um über deren Einsatz signifikante Aussagen zu machen. Wie die Autoren festhalten, ist also nicht klar, ob durch den Anbau von Genmais weniger Pestizide eingesetzt werden konnte.
Eine andere Meta-Analyse, die zuvor 147 Studien aus verschiedenen Ländern berücksichtigte, kam jedoch zum Schluss, dass die Menge der eingesetzten Pflanzenschutzmittel bei gentechnisch veränderten Sorten insgesamt massiv reduziert werden konnte: Über sämtliche Pflanzen betrachtet um 37, bei insektenresistenten Pflanzen gar um 43 Prozent. Diese Studie von Göttinger Agrarwissenschaftler, die unter anderem auch genveränderter Mais untersuchte, weiss ebenfalls von deutlichen Ertragssteigerungen zu berichten. Es zeigt sich, dass durch den Einsatz von genverändertem Saatgut auch die Einkommen der Bauern stiegen. Und dies trotz höherer Preise für das neue Saatgut.
Mehr auf dem knappen Boden herausholen
Ertragssteigerungen sind nicht nur für die Produzenten wünschenswert. Sie sind auch nötig, um ressourcenschonend eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Die gängigen Ansätze der Gentechnik in der Pflanzenzucht fokussieren stark auf die Bekämpfung von Schädlingen und die Minimierung von ertragsminimierenden Umwelteinflüssen.
Dieser defensive Ansatz könnte schon bald mit einer offensiven Variante ergänzt werden. Denn wie eine 2019 publizierte Studie zeigt, können die Erträge beim Mais auch durch verbessertes Pflanzenwachstum erzielt werden. In Feldversuchen wurden die Erntemengen bei den modifizierten Pflanzen um 10 Prozent gesteigert, indem ihnen ein Gen verändert wurde, das das Pflanzenwachstum steuert. Die Ertragssteigerung gelang unabhängig davon, ob die Wachstumsbedingungen optimal waren oder nicht. Mit Blick auf den steigenden Landverbrauch für die Landwirtschaft und den Herausforderungen des Klimawandels sind dies erfreuliche Befunde.
Es wäre wünschenswert, wenn auch die Politik in Europa sich diesen Realitäten endlich stellen würde. Die Vorteile der Gentechnik liegen auf der Hand. Es wird Zeit, dass solche Pflanzen auch auf die Felder und nicht nur in die Futtertröge und auf die Teller des alten Kontinents kommen.
Von springenden Genen
Dass Gene springen können, weiss man schon länger. 1948 wurde dieser Umstand entdeckt, 1983 erhielten ihre Entdecker dafür den Nobelpreis. Heute ist klar: Die sogenannten Transposone machen etwa die Hälfte des menschlichen Genoms aus, bei Pflanzen ist dieser Anteil mitunter noch viel höher. Dies «springenden Genen» sorgen mit dafür, dass Organismen über eine genetische Variationsfähigkeit verfügen. Transposone spielen somit eine entscheidende Rolle innerhalb der Evolution.
Beim Mais zeigt sich sehr anschaulich, welche Rolle Transpone spielen können. Wenn beispielsweise ein Transposon in ein Gen springt, das für das Pigment zuständig ist, verliert das Gen seine Funktion und es entstehend weitestgehend farblose Maiskörner. Spring das Transpon jedoch aus dem Gen heraus, bilden sich dunkle Flecken auf den Körnern, die dann gesprenkelt aussehen. Wissenschaftler vermuten, dass der Maiskolben, wie wir ihn heute kennen, auf einer solchen natürlichen Variation beruht.
Sources
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