Detailhändler bekunden Interesse an Genom-Editierung
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Detailhändler bekunden Interesse an Genom-Editierung

Was bis vor Kurzem noch unmöglich schien, ist nun Tatsache. Schweizer Detailhändler wie Coop und Migros sowie die Agrargenossenschaft Fenaco schliessen die Aufnahme von Produkten, die auf neuen Züchtungsmethoden beruhen, nicht mehr aus. Aufgrund des Klimawandels benötige man zunehmend Pflanzensorten, die den sich ändernden Bedingungen trotzen.

Dienstag, 22. Februar 2022

Genom-Editierung hat das Potenzial, die Pflanzenzüchtung zu revolutionieren. Mit ihr lassen sich einzelne Gene von Pflanzen zielgenau abschalten oder verändern. Die so erzeugten Pflanzensorten behalten dann alle ihre bewährten Eigenschaften wie Geschmack, Aussehen, Haltbarkeit, Ertrag usw., bis auf diejenige Eigenschaft, die punktgenau verändert wurde. Damit kann der Pflanze eine erwünschte Eigenschaft verliehen werden, wie zum Bespiel eine Krankheitsresistenz, die auch durch eine natürlich vorkommende, spontane Mutation hätte entstehen können. Es lassen sich keine Unterschiede zu einer «konventionell» gezüchteten Pflanze feststellen. Der grosse Vorteil von neuen Methoden wie der Genom-Editierung ist, dass Pflanzen im Vergleich zur derzeit erlaubten Mutationszüchtung nicht radioaktiv bestrahlt oder mit Chemie behandelt werden müssen, um eine genetische Mutation auszulösen. So lassen sich neue Pflanzensorten zielgenauer und in viel kürzerer Zeit züchten als das bisher der Fall war. Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels ist die Anpassung vieler Pflanzensorten an schwieriger werdende Anbaubedingungen unumgänglich.


Klimatische Veränderungen erfordern neue Sorten

Die Vorteile der Genom-Editierung haben nun auch Schweizer Detailhändler erkannt. Wie die «SonntagsZeitung» schreibt, setzen sich Coop, Migros sowie Fenaco im Verein «Sorten für Morgen» für eine offene Diskussion bezüglich neuer Methoden in der Pflanzenzüchtung ein. Darunter verstehen sie Methoden und Verfahren, bei denen die so entstandene Pflanze kein artfremdes Erbmaterial enthält. Dies ist beispielsweise mit der nobelpreisgekrönten Genschere CRISPR/Cas9 möglich, die in die Kategorie der Genom-Editierung gehört. Coop-Chef Philipp Wyss sagt in der «SonntagsZeitung»: «Wir sagen ganz klar: Wir lassen kein fremdes Erbgut zu. Aber die Welt entwickelt sich weiter, und wir brauchen zukünftig andere Sorten, die sich den klimatischen Veränderungen anpassen.»


Konsumentinnen und Konsumenten weniger skeptisch als behauptet

Der Widerstand gegen das Engagement der Detailhändler lässt nicht lange auf sich warten. Die Kampagnenorganisation Campax sammelt bereits Unterschriften für eine Petition. Detailhändler sollen kein «Gentech-Food» in ihre Regale aufnehmen. Zu den Kritikern gehört auch die Schweizerische Konsumentenstiftung SKS. Sowohl Campax als auch die SKS argumentieren, dass Konsumentinnen und Konsumenten keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel wollen. Eine von gfs.bern durchgeführte Studie aus dem Jahr 2021 zeichnet jedoch ein anderes Bild. Wenn den Konsumentinnen und Konsumenten der Nutzen der Genom-Editierung bewusst ist, sinkt die Skepsis. So befürworteten mehr als 80 Prozent der Befragten die Genom-Editierung, wenn Pflanzen damit vor Krankheiten und Schädlingsbefall geschützt werden können.


«Sanfter Eingriff» für weniger Pflanzenschutzmittel

Dennoch gestaltet sich die Diskussion schwierig. «Der Ruf der Gentechnik ist leider ruiniert», sagt der Schweizer Biopionier Urs Niggli in der «SonntagsZeitung». In den vergangenen Jahren sei die «Freiheit von Gentechnik» zu einem Qualitätsmerkmal von Schweizer Lebensmitteln hochstilisiert worden. Weiterhin Pflanzenschutzmittel einzusetzen, obwohl man diese mit der Genom-Editierung reduzieren könnte, hält Niggli jedoch nicht mehr für ein zeitgemässes Qualitätsmerkmal. Die Genschere CRISPR/Cas9 stelle einen sanften Eingriff in der Pflanzenzüchtung dar. «Warum soll man eine Methode verbieten, die in der Sortenwelt interessante neue Eigenschaften einführt und der Nachhaltigkeit dient?», fragt Niggli.

Was ist Genom-Editierung?

Die «SonntagsZeitung» bringt die Genom-Editierung folgendermassen auf den Punkt: «Mit der Crispr/Cas-Methode können erstmals gezielt die Gene von Pflanzen oder Pilzen so verändert werden, wie es bei einer natürlichen Mutation oder bei herkömmlichen Züchtungsverfahren geschieht. Forschende können mit dem molekularen Werkzeug Gene schnell, effizient und kostengünstig ausschalten, verändern oder austauschen. Dabei funktioniert das «Gen-Editieren» in etwa so wie die Suche- und-ersetze-Funktion bei einem Schreibprogramm: Das Crispr-Molekül, das Forschende mit einem veränderten Erbgutstück beladen, sucht zunächst das passende Gegenstück im Erbgut der Pflanzenzelle. Die Cas-Proteine schneiden dann wie eine molekulare Schere das Erbmolekül DNA dort, wo Crispr sie hingelotst hat. Die Pflanzenzelle repariert den Schnitt, indem sie die DNA-Vorlage vom Crispr-Molekül am gewünschten Ort einbaut.»

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