«Die Schweiz ist das patentintensivste Land der Welt»

«Die Schweiz ist das patentintensivste Land der Welt»

Patente schützen Innovation und gleichzeitig treiben sie Innovation an. Am Swiss-Food Talk vom 15. August 2023 diskutierten drei Innovations-Experten über die Bedeutung von Patenten für die Schweizer Wirtschaft. Wichtig sind Patente auch für Start-up-Firmen und KMU. Auf Basis von Patenten lassen sich nämlich Innovationen besser finanzieren und zur Marktreife bringen.

Freitag, 18. August 2023

Im Verhältnis zur Bevölkerung ist die Schweiz Patentweltmeisterin und führte auch 2022 den «Global Innovation Index» der Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO an. Vor allem in den Bereichen medizinische Forschung, Pharma, Biotechnologie, Chemie und Messung (was auch Uhren einschliesst) ist die Schweiz Weltspitze.

Trotzdem werden Patente gerade im Food-Bereich immer mal wieder infrage gestellt. Deshalb setzte sich der Swiss-Food Talk mit der Frage auseinander, wie die Schweiz von Patenten profitiert. Für Anaïc Cordoba, Rechtsexperte beim Institut für geistiges Eigentum (IGE), sind Patente eine Voraussetzung für eine starke und innovative Wirtschaft. Das Patent schützt nicht nur das geistige Eigentum, sondern es schafft mit der obligatorischen Publikation des Patents auch Transparenz und gibt somit etwas an die Gesellschaft zurück. Andere können auf die detaillierte Beschreibung der Erfindung zugreifen und dieses Wissen nutzen. Die Dauer des Patentschutzes ist begrenzt und dauert 20 Jahre.

Referat Anaïc Cordoba (YouTube)

Patente schaffen Wettbewerbsvorteile

Damit ein Patent möglich ist, müssen drei Bedingungen erfüllt sein. Erstens muss die Erfindung Neuigkeitscharakter haben. Zweitens muss sie eine gewisse Originalität aufweisen («erfinderischer Schritt»). Das heisst: Nicht jeder, der sich mit einem Fachgebiet befasst, sollte automatisch auf dieselbe Idee kommen. Und drittens muss die Erfindung industriell reproduzierbar sein.

Patente machen für die Unternehmen wirtschaftlich Sinn. Sie schaffen für die Inhaber einen Wettbewerbsvorteil und stellen ein zeitlich befristetes exklusives Nutzungsrecht sicher. Grundsätzlich sind Patente nationale Rechte. Neben dem Schweizer Patent gibt es Patente in Europa und weltweit. Die Grenzen des Patentschutzes können also unterschiedlich sein. Das IGE versteht sich nicht nur als Behörde, sondern ist auch ein Dienstleistungsbetrieb. So unterstützt es die Unternehmen bei der Patentrecherche. Diese ist ausserordentlich wichtig, denn es muss geklärt werden, ob es die Erfindung nicht doch schon gibt.


Schweizer Innovationsgeist

Nikolaus Thumm befasst sich – als Mitarbeiter des IGE, als Chefökonom des Europäischen Patentamts in München und heute als wissenschaftlicher Berater des ETH-Rates – seit vielen Jahren mit Patentfragen. Er lobt den Schweizer Innovationsgeist: «Die Schweiz ist das patent-intensivste Land der Welt.» Das bedeutet, die Schweiz hat am meisten angemeldete Patente pro Einwohner.

Interessant ist, dass bahnbrechende Erfindungen oft von KMU ausgehen. Es ist bekannt, dass KMU, die Patente nutzen, bessere Markt- und Wachstumschancen haben. Allerdings tut sich, was KMU betrifft, eine Schere auf. Viele KMU nutzen keine Patente, andere nutzen sie sehr professionell. Deshalb ist es wichtig, die Hürden zu ergründen, die KMU von der Patentnutzung abhalten. Gemäss Thumm sind dafür mangelndes Wissen im Umgang mit Patenten, vermeintliche Kosten von Patentanmeldungen oder auch die Furcht vor der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen verantwortlich. Teilweise werden Patente auch als irrelevant angesehen und sie werden bei Technologien, die sich schnell entwickeln, bei einer durchschnittlichen Dauer der Patenterteilung von mehreren Jahren als nicht effizient wahrgenommen.

Referat Nikolaus Thumm (YouTube)

Patente sind Signale für Investoren

KMU sind oft hin und her gerissen zwischen dem eigenen Schutz von Geschäftsgeheimnissen und dem Einsatz von Patenten. Beides hat Vor- und Nachteile. Bewährt hat sich letztlich ein Mix aus Geheimhaltung einerseits und Offenlegung mit Patentschutz andererseits. Der ETH-Bereich meldete im Jahr 2022 insgesamt 310 Erfindungen, wobei die eidgenössischen Hochschulen und Forschungsanstalten ein Interesse haben, dass Grundlagenforschung auch in gesellschaftlich relevante Anwendungen mündet. Dazu dienen Spin-off, welche der ETH-Bereich aktiv fördert. Da zeigt sich auch eine andere Seite der Bedeutung von Patenten. Patente sind Signale für Investoren. Ein Spin-off mit Patenten lässt sich einfacher finanzieren durch die exklusiven Nutzungsrechte über einen bestimmten Zeitraum. Insgesamt ist für Nikolaus Thumm klar: «Ohne Patente und Lizenzen geht es nicht.» Die Schweizer Wirtschaft ist auf den Patentschutz angewiesen.


Patentrecherchen inspirieren auch

Christoph Brunschwiler, Technologie- und Innovationsexperte am Hightech Zentrum Aargau, erläutert die Rolle der Patente bei der kantonalen Innovationsförderung. Pro Jahr fördert das Hightech Zentrum rund 120 Projekte im Umfang von insgesamt ca. 14 Millionen Franken. Das Team von Fachleuten bietet ein Innovationsnetzwerk und sieht sich als Sparringpartner und Innovationsbegleiter. Es führt die Unternehmen durch den Förderungsdschungel und baut die Brücke zu möglichen Forschungspartnern. Ziel ist es, Innovationsprozesse der Unternehmen zu fördern. Das heisst beispielsweise auch, dass Patentrecherchen beim IGE begleitet werden. Zum einen ist auch aus Sicht von Brunschwiler der Patentschutz eine wichtige Grundlage für Innovationen, zum anderen haben Patentrecherchen indes noch einen anderen Vorteil: Sie legen offen, was andere schon gemacht haben und können auch zu weiteren Innovationen inspirieren.

Referat Christoph Brunschwiler (YouTube)

Wenn die künstliche Intelligenz erfindet

In der Diskussion war dann nochmals von Hürden für KMU bei der Patentanmeldung die Rede. Klar ist für die Experten, dass die Unternehmen – auch wenn sie staatliche Fördermassnahmen nutzen –, letztlich einen versierten Patentanwalt brauchen, der sie begleitet. Bei Patentrecherchen wird künftig auch künstliche Intelligenz (KI) zur Anwendung kommen, aber am Schluss braucht es immer noch Menschen, welche die Resultate beurteilen. Künstliche Intelligenz könnte indes auch die Unternehmen bei Patentanmeldungen unterstützen und besonders spannend wird es, wenn die KI selbst Erfindungen macht. Auf Basis des heutigen Rechts wären die nicht patentierbar, weil es im Moment noch Erfinder aus Fleisch und Blut braucht, damit ein Patent gewährt werden kann. Übrigens: In der Schweiz steht zurzeit eine Teilrevision des Patentgesetzes an, die durch die Motion Hefti «Für ein zeitgemässes Schweizer Patent» angestossen wurde. Die Revision ist derzeit in der vorberatenden Wissenschafts- und Bildungskommission. Ziel ist, das Patentrecht noch KMU-freundlicher zu gestalten.

«Wie die Schweiz von Patenten profitiert»

Am Swiss-Food Talk vom 15. August 2023 informierten und diskutierten Anaïc Cordoba, Institut für geistiges Eigentum, Dr. Nikolaus Thumm, Berater ETH-Rat, sowie Christoph Brunschwiler, Innovationsexperte des Hightech Zentrums Aargau. Das Video zum Swiss-Food Talk finden Sie hier.

«Patents on Seeds?!»

Unter diesem Titel fand am 17. Mai 2022 bereits ein Swiss-Food Talk statt. Drei Vertreter aus den Bereichen Forschung, Start-up und Industrie sprachen über die Gründe für und Bedeutung von Patenten in der Pflanzenzucht.

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