
Dramatische Ertragseinbrüche ohne Pflanzenschutz
Die Versorgungsicherheit mit Nahrungsmitteln ist eine der grössten globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die Weltbevölkerung nimmt zu und die Anbaubedingungen für die Landwirtschaft verschlechtern sich wegen des Klimawandels.
Samstag, 2. November 2019
Das Wichtigste in Kürze:
- Die globale Landwirtschaft muss deutlich produktiver werden, um die wachsende Weltbevölkerung auch in Zukunft ernähren zu können.
- Gleichzeitig werden die Anbaubedingungen durch den Klimawandel immer schwieriger.
- Eine Analyse des European Parliamentary Research Service zeigt: Ohne Pflanzenschutzmittel ist die Herausforderung nicht zu schaffen.
Ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kommt es gemäss einer aktuellen Studie des EU-Parlaments weltweit zu dramatischen Ertragseinbrüchen. Sie werden auf minus 62 Prozent beim Reis, bei Kartoffeln auf minus 60 Prozent, bei Mais auf minus 55 Prozent und bei Sojabohnen auf minus 48 Prozent geschätzt. Die Ertragseinbrüche beim Verzicht auf Pflanzenschutzmittel variieren je nach Region und Art der Produktion. Die Studie des EU-Parlaments mit dem Titel Landwirtschaft ohne Pflanzenschutzmittel («Farming without plant protection products», 2019) bringt die Konsequenzen beim Verzicht auf Pflanzenschutz auf den Punkt. Hauptverursacher der Ertragseinbussen sind Unkräuter, welche Erträge schmälern.
Klimawandel verstärkt Ertragseinbrüche
Eine weitere grosse Herausforderung stellt der Klimawandel dar. Die Klimaerwärmung verschlimmert die bereits beträchtlichen Ertragseinbussen ohne Pestizide weiter. Der Nutzen von Pflanzenschutzmitteln wird in Zukunft noch steigen: «It is expected that climate change will result in temperature rise of 1,5–2 °C and in more irregular precipitation with more rainfall in some regions ... global yield losses are projected by 10 to 25% per degree of global mean surface warming.» Zu Pestiziden gehören Herbizide, Fungizide und Insektizide. Durch den Einsatz von Pestiziden war die grüne Revolution erst möglich. Seit 1960 sind die landwirtschaftlichen Erträge um den Faktor 2,5 gewachsen. Was in diesem Zusammenhang wenig diskutiert wird: Die Produktivitätssteigerung durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bremst den Landverbrauch. Ohne den gewaltigen Produktivitätszuwachs hätte gemäss FAO zwischen 1975 und 2017 über 370 Mio. Hektar zusätzliches Land genutzt werden müssen. Diese Fläche entspricht etwa 60% des Amazonas-Regenwaldes.
Eine unproduktive Landwirtschaft gefährdet Biodiversität
Ohne den Produktivitätszuwachs von Pflanzenschutzmitteln und anderen landwirtschaftlichen Innovationen wäre der Landverbrauch der Landwirtschaft massiv gestiegen. Für die Biodiversität wäre der Verzicht auf Pflanzenschutz also global gesehen eine schlechte Nachricht. «Land use for agriculture is inevitably related to loss of biodiversity. Management techniques such as use of PPPs (plant protection products) have by definition a negative impact on biodiversity, but this loss is by far surpassed by the higher land use in extensive production systems.» Das heisst: Eine intensive und produktive Landwirtschaft, die den Landverbrauch beschränkt, trägt mehr zur Biodiversität bei als eine unproduktive Landwirtschaft mit steigendem Landverbrauch. Eine Landwirtschaft ohne Pestizide ist weniger produktiv. Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf rund 9.5 Mia. Einwohner zunehmen. Für die Versorgung der Weltbevölkerung muss die Landwirtschaft weltweit bis 2050 rund 60 Prozent mehr produzieren. Das ist nur mit modernem Pflanzenschutz möglich. Ohne die Steigerung der Produktivität wird mehr Fläche benötigt – Wälder müssen abgeholzt werden. Dies mit fatalen Folgen für Biodiversität und Klima.

Eine unproduktive Landwirtschaft ist unethisch
Auch die Schweizer Landwirtschaft muss rund 30 Prozent produktiver werden und auf unseren guten Böden einen Beitrag leisten für die künftige Versorgung der Weltbevölkerung. Noch grössere Importe wären unethisch. Ohne Pflanzenschutz würden lokale Lebensmittel teurer, die Produktion aufwendiger und die angebotene Menge kleiner. Eine rein biologische Landwirtschaft liefert gemäss der Studie um rund 25 Prozent tiefere Erträge. Eine tiefere Produktion führt dazu, dass die Preise für die Lebensmittel steigen. Gleichzeitig nimmt der Landbedarf zu. Der Druck auf die Biodiversität steigt. Die Klimabilanz verschlechtert sich. Angesichts der globalen Herausforderungen ist eine unproduktive Landwirtschaft, die mehr Land verbraucht und weniger produziert, unethisch.
Die Zukunft liegt in einer «smarten» Landwirtschaft
Eine «smarte» Landwirtschaft nutzt die Resultate und Innovationen der Forschung und setzt die neuste Technologie ein. Eine solche Landwirtschaft nutzt die neuen Möglichkeiten der Züchtung resistenter Sorten (Crispr Cas), fällt Anbauentscheide auf wissenschaftlicher Basis und bedient sich präziser technischer Hilfsmittel (z.B. Drohnen). So lassen sich in Zukunft der Einsatz von Pestiziden massgeblich senken und die Effizienz sowie die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft weiter steigern.
Sources
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