Zucker in der Schweiz: Alle Aspekte berücksichtigen

Zucker in der Schweiz: Alle Aspekte berücksichtigen

Der Bund hat dem Zuckerkonsum in der Schweiz den Kampf angesagt. Diverse Lebensmittel sollen in Zukunft weniger Zucker enthalten – oder entsprechend gekennzeichnet werden. Entsprechend gerät der Anbau von Zuckerrüben unter Druck. Doch auch beim Zuckerkonsum gilt: «Die Menge macht das Gift.» Und der Anbau von Zuckerrüben in der Schweiz kann auch in Zukunft Sinn machen.

Dienstag, 7. März 2023

Das Wichtigste in Kürze:

  • Gesundheitsbehörden wollen den Zuckerkonsum der Bevölkerung reduzieren.
  • Zuckerhaltige Produkte sollen unattraktiver gestaltet werden oder weniger Zucker enthalten.
  • In der Schweiz gerät dementsprechend der Anbau von Zuckerrüben in die Kritik.

Die «SonntagsZeitung» berichtet in einer Serie von Beiträgen über den Kampf der Behörden gegen einen übermässigen Zuckerkonsum. In Deutschland sind etwa Werbeverbote für Zuckerprodukte geplant. Zwischen 6 und 23 Uhr sollen im TV keine Werbespots für ungesunde Produkte mehr erlaubt sein. Die geplanten Regulierungen sind gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Wirtschaftswoche» strenger als bei Erotik- und Glücksspielwerbung. Und auch Plakatwerbungen im Umkreis von Schulen und Kinderspielplätzen sollen verboten werden. Wie die «SonntagsZeitung» schreibt, arbeitet in der Schweiz auch das BLV an strengeren Regulierungen für an Kinder gerichtete Werbung. Dies obwohl sich die grössten Lebensmittel-, Getränke- und Gastronomieunternehmen im Rahmen des Swiss Pledge bereits seit 2010 selbst verpflichtet haben, ihr Werbeverhalten gegenüber Kindern unter 13 Jahren gezielt anzupassen bzw. teilweise ganz auf Produktwerbung in einem Kinderumfeld zu verzichten.


«Tiger Tony» muss weg

Auch die WHO hat sich dem Kampf gegen zuckerhaltige Lebensmittel verschrieben. So empfiehlt die WHO den nationalen Gesundheitsbehörden etwa, die Verpackungen von zuckerhaltigen Lebensmitteln weniger attraktiv zu gestalten. In Chile dürfen Samichläuse aus Schokolade kein Gesicht mehr zeigen. Lächelnde Samichläuse könnten Kinder zu zu viel Schokolade verführen, so die Überlegung dahinter. Bei Frühstückszerealien dürfen keine Tiermaskottchen mehr abgebildet werden. Betroffen ist davon etwa «Tiger Tony» – das Maskottchen von Kellogg’s «Frosties».


«Zucker gleich Tabak»

Gemäss «SonntagsZeitung» fordert die WHO von den Schweizer Gesundheitsbehörden ein ähnliches Engagement. Zuckerhaltige Lebensmittel, so berichtet die Zeitung, sollen demnach ähnlich wie Tabakprodukte behandelt werden. Die Lebensmittelindustrie hat die Zeichen erkannt – und bemüht sich, die Menge an Zucker in diversen Produkten zu reduzieren. So hat beispielsweise die Migros den Zuckeranteil in Joghurt und Frühstückszerealien reduziert. In kleinen Schritten sollen über mehrere Jahre die Mengen reduziert werden. Konsumentinnen und Konsumenten sollen den «Zuckerentzug» gar nicht bemerken.


Auch Zuckeranbau unter Druck

Und auch die Hersteller von Süssgetränken ziehen nach. So haben sich kürzlich neun Getränkehersteller und ein Detailhändler in der Schweiz dazu verpflichtet, Erfrischungs- und Milchmischgetränken sowie Quarks weniger Zucker beizumischen. Zu den Unterzeichnern der sogenannten «Erklärung von Mailand» gehören unter anderem Coca-Cola Schweiz, Ramseier Suisse, Rivella und der Detailhändler Volg. Der Kampf gegen den Zucker betrifft indes nicht nur die verarbeitende Industrie. Auch der Anbau von Zuckerrüben auf Schweizer Äckern gerät in die Kritik. Der Bund könne nicht gleichzeitig den Konsum von Zucker bekämpfen und den Anbau desselben subventionieren, schreibt etwa die «SonntagsZeitung».


Die Menge macht das Gift

Selbstverständlich ist ein massvoller Zuckerkonsum erstrebenswert. Die Bevormundungsstrategie der Behörden irritiert dennoch. Wie bei vielen anderen Lebensmitteln gilt auch für Zucker: «Die Menge macht das Gift.» Daraus zu folgern, dass der Anbau von Zuckerrüben in der Schweiz falsch sei, greift zu kurz. Es gibt gute Gründe dafür, dass sich die Schweiz bis zu einem gewissen Grad selbst mit Zucker versorgen kann. Zucker gehört zu den Gütern des täglichen Bedarfs. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung führt ein Pflichtlager für Zucker. In Krisenzeiten ist Zucker ein verlässlicher Kalorienlieferant. Es macht auch daher Sinn, das Anbauwissen für Zuckerrüben in der Schweiz zu erhalten.


Einzelkulturbeiträge unterstützen Bereicherung der Fruchtfolge

Die Berichterstattung blendet aus, dass die Zuckerrübe ein Bestandteil in der landwirtschaftlichen Fruchtfolge ist. Sie wird insbesondere in von Getreide dominierten Fruchtfolgen angepflanzt. Ihr Anbau wird, gleich wie jener von Ölsaaten, Körnerleguminosen, Faserpflanzen oder Saatgut von Kartoffeln und Mais mit Einzelkulturbeiträgen gefördert: Damit wird eine sinnvolle Bereicherung der Fruchtfolge unterstützt. Die Zuckerrübe ist ein Pfahlwurzler und stösst somit in sehr tiefe Bodenschichten vor. Sie lockert den Boden auch in tieferen Schichten und verbessert die Bodenstruktur. Dadurch wird der Boden besser wasserdurchlässig und es entsteht nach starken Niederschlägen weniger Staubildung. Auch die Fruchtbarkeit des Bodens verbessert sich. Aufgrund der tiefen Durchwurzelung erhöht sich der Anteil von organischem Material auch in tieferen Bodenschichten. Zuckerrüben werden als Gesundungsfrucht bezeichnet, weil sie in der Fruchtfolge der Nachkultur einen gut bearbeitbaren, lockeren und wasserdurchlässigen Boden hinterlassen.

Ähnliche Artikel

Den Gegnern grüner Gentechnik fehlen Fakten. Ihre Antihaltung ist gefährliche Ideologie
Medien

Den Gegnern grüner Gentechnik fehlen Fakten. Ihre Antihaltung ist gefährliche Ideologie

Die Schweiz und die EU entscheiden 2025 über den Anbau mittels neuer Züchtungstechnologien veränderter Pflanzen. Eine Zulassung ist vernünftig – und längst überfällig. Denn Gentechnik ist bereits heute verbreitet.

«Es gibt kein chemiefreies Essen – hat es nie gegeben und wird es auch nie geben»
Medien

«Es gibt kein chemiefreies Essen – hat es nie gegeben und wird es auch nie geben»

Chemische Rückstände in unseren Lebensmitteln werden in den Medien immer wieder heiss diskutiert. Ein Blick nach Österreich zeigt: Es ist eine Illusion zu glauben, dass eine rückstandsfreie Lebensmittelproduktion möglich ist. Denn es gibt Rückstände aus natürlichen wie synthetischen Quellen. Und bei allen gilt: Die Menge macht das Gift.

Warum Hauskatzen die Biodiversität bedrohen
Medien

Warum Hauskatzen die Biodiversität bedrohen

In Schottland wird derzeit über ein Haltungsverbot für Hauskatzen diskutiert. Der Grund: Getrieben durch ihren Jagdinstinkt sind sie in der Lage, ganze Tierarten auszurotten. Auch in der Schweiz hat man die «Büsi»-Problematik auf dem Schirm. Hausarrest oder Verbote hätten aber kaum eine Chance – denn die Katzen-Lobby ist nicht zu unterschätzen.

Olivenöl wird zur Luxusware – und Raps steckt in der Klemme
Medien

Olivenöl wird zur Luxusware – und Raps steckt in der Klemme

Olivenöl ist mittlerweile so teuer, dass Supermärkte in Südeuropa die Flaschen anketten müssen. Ernteausfälle haben die Preise explodieren lassen. Eine Alternative könnte Rapsöl sein – doch genau dessen Anbau gerät unter Druck. Es fehlen wirksame Pflanzenschutzmittel, um die Kulturen zu schützen und die Erträge stabil zu halten.

Weitere Beiträge aus Medien