
EU lässt Glyphosat für weitere 10 Jahre zu
Die EU-Kommission hat entschieden, sich der Beurteilung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit anzuschliessen, die keine kritischen Problembereiche bezüglich der Auswirkungen von Glyphosat auf die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier feststellen konnte. Der wissenschaftsbasierte Entscheid der EU-Kommission für eine Zulassungsverlängerung um weitere 10 Jahre ist auch eine Absage an die Angstkampagnen von Greenpeace und Co.
Montag, 20. November 2023
Der jüngste Entscheid der EU-Kommission zu Glyphosat kann Greenpeace und ihren verbündeten NGO nicht gefallen. Schliesslich müht man sich seit Jahren an diesem Pflanzenschutzmittel ab: Gesundheitsgefährdend, gar krebserregend für Menschen sei es; schlecht für die Artenvielfalt; ein regelrechter Insektenkiller – die Liste der Anschuldigungen an das Pflanzenschutzmittel ist lang und oft schrill. Das Pestizid wurde von diesen Kreisen regelrecht zum Symbol all dessen erkoren, was ihrer Meinung nach an der produktiven Landwirtschaft schlecht sein soll.
Nun hat die EU-Kommission entschieden, dass dieses Glyphosat für 10 weitere Jahre in der EU eingesetzt werden darf. Schmerzen dürfte die Gegner dieses Kommissionsentscheids nicht nur, dass die grossen Anstrengungen für ein Verbot in Brüssel nicht gewirkt haben. Fast schwerer wird wiegen, dass sich der Entscheid der EU-Kommission auf nüchterne wissenschaftliche Fakten stützt. Wie die «NZZ» in ihrer Berichterstattung schreibt, habe sich die Kommission am Rat der EFSA, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit orientiert. Und diese EFSA hat im Juli dieses Jahres verschiedenste Studien ausgewertet und konnte dabei «keine kritischen Problembereiche feststellen, was die Auswirkungen von Glyphosat auf die Umwelt und auch die Gesundheit von Menschen und Tieren betrifft». Wem an einer evidenzbasierten Politik gelegen ist, der muss ob dieser nüchternen Begründung für die weitere Zulassung von Glyphosat Freude haben.
Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack: Denn dass der EU-Kommission die Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung überhaupt zukam, lag daran, dass sich die EU-Mitgliedstaaten nach jahrelangen Verhandlungen nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnten. Weder kam die notwendige qualifizierte Mehrheit für ein Verbot von Glyphosat noch für eine «etwaige Verlängerung der Genehmigung» zustande, wie die «NZZ» schreibt. Und so war es in der Kompetenz der EU-Kommission zu entscheiden. Dies zeigt: Die schrille, unwissenschaftliche Kampagne der Glyphosat-Gegner schlägt leider in zu vielen EU-Mitgliedstaaten bis in die höchsten Regierungskreise durch.
In der Schweiz hatte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bereits 2020 festgestellt, dass die sogenannten Rückstandshöchstwerte von Glyphosat in und auf Lebensmitteln für die Konsumenten unbedenklich seien. Sie sind etwa so krebserregend wie rotes Fleisch, Backpulver oder heisse Getränke. Eine Erkenntnis, die sich in den kommenden Jahren hoffentlich europaweit durchsetzen wird – nicht nur in der EU-Kommission. Denn Glyphosat hat viele Vorteile. Es wird in erster Linie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen eingesetzt, also auf Feldern, die nicht als primärer Lebensraum und Nahrungsgrund für Insekten dienen. Wo Weizen oder Mais angebaut wird, kann eben nicht zugleich eine blühende Wiese Insekten Nahrung spenden (um das Feld herum hingegen schon). Als Herbizid wird es eingesetzt, um störende Pflanzen im Feld gezielt am Wachstum zu hindern. Unkräuter stehen zur eigentlichen Kulturpflanze in Konkurrenz um Licht, Nährstoffe und Wasser und hemmen oder verhindern deren Wachstum. Es sichert also Ernten. Unkräuter können aber auch direkt unsere Gesundheit gefährden, vor allem in Anbauformen, in denen Herbizide nicht erlaubt sind. Ein Beispiel sind giftige alkaloidhaltige Beikräuter im Biolandbau. Glyphosat spielt aber auch eine wichtige Rolle beim pfluglosen Ackerbau. So kommt auch der Bundesrat zum Schluss: «Die Glyphosatanwendung ist aus Sicht der Auswirkungen auf Klima, Bodenschutz und nicht erneuerbare Ressourcen vorteilhafter als die meisten Ersatzlösungen.»
Unnötige Angst vor schleichender Vergiftung
Glyphosat ist sicher das prominenteste Opfer der Kampagne von Greenpeace und Co. – aber nicht das einzige. Immer wieder werden Ängste vor schleichender Vergiftung geschürt. Der deutsche Mikrobiologe Andreas Hensel zeigt in einem bemerkenswerten Interview mit dem «Berliner Tagesspiegel» auf, wie fehlgeleitet die Risikowahrnehmung der Menschen im Zusammenhang mit Pestiziden ist. Hensel ist seit 2003 erster Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin, welches die Sicherheit von Chemikalien untersucht. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Verbraucherschutz.
Sources
Ähnliche Artikel

Ameisenplage bedroht Zürcher Gemeinden
Eine invasive Ameise aus dem Mittelmeerraum breitet sich rasant im Kanton Zürich aus und bedroht Gemeinden ebenso wie Bauprojekte und Landwirtschaft. Insektizide könnten helfen – doch deren Einsatz ist nach wie vor stark eingeschränkt.

Mit der Genschere in die Zukunft – bald auch in der Schweiz?
Die Genom-Editierung gilt als Hoffnungsträger für eine nachhaltigere, klimaresilientere Landwirtschaft. Doch die Schweiz zögert bei der Zulassung. Eine Volksinitiative verlangt gar deren Verhinderung. Doch was kann CRISPR wirklich leisten?

Weniger als 50 Prozent: Wie die Schweiz ihre Selbstversorgung verspielt
Die Schweizer Landwirtschaft steht massiv unter Druck. Wetterextreme, Schädlinge und immer strengere Auflagen setzen den Produzenten zu. Die Folge: Der Selbstversorgungsgrad sinkt dramatisch – besonders bei pflanzlichen Lebensmitteln. Um die Ernährungssicherheit in der Schweiz sicherzustellen, braucht es dringend wirksame Pflanzenschutzmittel.

Nur die halbe Wahrheit in der Gentech-Debatte
Wer nur Risiken sieht, bleibt blind für die Chancen einer neuen Technologie. Die Gentech-Gegner haben eine neue Umfrage zu den neuen Züchtungsmethoden vorgelegt, welche vielsagende Leerstellen aufweist.