EU plant kontraproduktives Verbot von Kaffeekapseln
Die EU plant ein Verbot von Kaffeekapseln. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat die EU-Kommission kürzlich vorgeschlagen. Falls das Gesetz in Kraft tritt, wären nur noch kompostierbare Kaffeekapseln erlaubt. Was auf den ersten Blick vielversprechend im Kampf gegen Verpackungsmaterial erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ungeeignet für den Umweltschutz. Wie die «NZZ» berichtet, haben Kaffeekapseln einen besseren Umweltfussabdruck als andere Zubereitungsarten. Das Beispiel zeigt: Für einen erfolgreichen Umweltschutz ist eine umfassende Betrachtungsweise erforderlich.
Freitag, 26. Mai 2023
Die Schweizerinnen und Schweizer belegen mit 1100 Tassen pro Kopf einen weltweiten Spitzenplatz beim Kaffeekonsum. Auch wenn genaue Zahlen fehlen: Ein guter Teil dieser Tassen dürfte mit Kaffee aus Plastik- oder Aluminiumkapseln gefüllt sein. Diese gelten jedoch als umweltschädlich, da sie häufig im Abfall landen. Wie die «Neue Zürcher Zeitung» berichtet, will die EU die Kapseln deshalb verbieten. Gemäss einem Gesetzesentwurf der EU-Kommission wären künftig nur noch kompostierbare Kapselsysteme erlaubt. Doch sind Kaffeekapseln so umweltschädlich, wie es die allgemeine Wahrnehmung vermuten lässt?
Kaffeekapseln besser als ihr Ruf
Die «Neue Zürcher Zeitung» zitiert mehrere Studien, die zu einem anderen Schluss kommen. Demnach haben Kaffeekapseln aus Aluminium oder Plastik einen ähnlichen oder sogar kleineren ökologischen Fussabdruck wie andere Zubereitungsarten. Gemäss einer Studie der Universität Quebec schneidet der Kapselkaffee besser ab als etwa Filterkaffee oder Kaffee aus der Presse. Der Grund dafür liegt in der Kaffeemenge, die pro Tasse benötigt wird und der Energie, die für die Zubereitung benötigt wird. Bei Kapselsystemen ist die Kaffeemenge portioniert und begrenzt; zudem wird nur so viel Wasser erhitzt, wie für eine Tasse benötigt wird. Es werden weniger Kaffeepulver und Wasser verbraucht.
Verpackung nicht entscheidend
Ähnliche Ergebnisse gehen auch aus einer Schweizer Studie hervor. Die vier beliebtesten Zubereitungsarten in der Schweiz sind Vollautomaten, Kaffeekapseln, Filterkaffee und Mokkakannen. Auch in dieser Untersuchung schneiden Kaffeekapseln besser ab, als man vermuten könnte. Über den ganzen Lebensweg des Kaffees schneiden die Kapseln gleich gut ab wie der Filterkaffee. Der Vollautomat schneidet am schlechtesten ab. Er verursacht rund 30 Prozent mehr Treibhausgase als die Kaffeekapsel. Die wichtigsten Faktoren für den ökologischen Fussabdruck des Kaffees sind der Anbau sowie die Zubereitung. Die Verpackung ist dagegen vernachlässigbar. Zwar macht die Verpackung bei Kapseln rund 15 Prozent des Fussabdrucks aus. Doch der geringere Kaffeeverbrauch und die bessere Energieeffizienz der Maschinen macht diesen Nachteil wett.
Nachhaltigkeit umfassend denken
Kaffeekapseln sind also weit weniger umweltschädlich, als es die landläufige Meinung ahnen lässt. Das von der EU geplante Verbot von Kaffeekapseln erweist sich demnach als Eigentor. Eine vergleichsweise umweltfreundliche Zubereitungsart von Kaffee wird verboten. Ob Konsumentinnen und Konsumenten wirklich auf kompostierbare Kapseln ausweichen werden ist fraglich. Zudem müsste eine neuartige Recycling-Infrastruktur zuerst aufgebaut werden: In Deutschland dürfen kompostierbare Kapseln bis anhin nicht in die Grüntonne geworfen werden. Das Beispiel zeigt: Umfassende Nachhaltigkeit berücksichtigt mehrere Dimensionen. Und dies wiederum ist die Basis für den langfristig ausgelegten politischen Rahmen. Politische Schnellschüsse und Verbote hingegen, die nicht wissenschaftlich abgestützt sind, helfen der Umwelt dagegen nicht. Das gilt sowohl für Kaffeekapseln als auch für Entscheidungen in der Landwirtschaft.
«Kompostierbar» - aber nicht auf heimischen Komposthaufen
Viele Hausbesitzer hegen und pflegen einen Komposthaufen, nutzen den heimischen Kompost aus Haushaltabfällen als wertvollen Dünger und ziehen z.B. Kürbisse auf den Haufen. Doch nicht alles, was als «kompostierbar» deklariert ist, ist für den heimischen Komposthaufen geeignet. SRF nimmt die EU Vorgabe zum Anlass, um der Kompostierbarkeit von Kaffeekapseln nachzugehen. Denn viele verrotten nicht. Und das ist auch in den industriellen Kompostieranlagen der Fall. Es wird erwartet, dass es daher Entsorgungskonzepte für alle Arten von Kaffeekapseln geben wird.
Ähnliche Artikel
Importe statt Regionalität: Tomatenvirus zerstört heimische Produktion
Obwohl Tomaten und Peperoni zu den beliebtesten Gemüsesorten in der Schweiz gehören, werden diese zum Grossteil importiert. Schuld daran sind extreme Wetterbedingungen und Krankheiten. Erste Unternehmen haben bereits resistente Tomatensorten entwickelt – doch der Bund bleibt gegenüber neuen Technologien weiterhin skeptisch.
Katastrophale Weizenernte: Schlechtes Wetter und Einschränkungen beim Pflanzenschutz
Die Meldungen häufen sich: 2024 geht als schlechteste Weizenernte seit Jahrzehnten in die Geschichte ein. Eine der grössten Schweizer Getreidesammelstellen in Thalheim an der Thur erleidet einen historischen Verlust.
«Die Berner Winzer spritzen und spritzen»
Der viele Regen diesen Sommer hat den Berner Winzern zugesetzt und einmal mehr klargemacht, dass es ohne Pflanzenschutz nicht geht – schon gar nicht in schwierigen Anbaujahren. Dass auch pilzwiderstandsfähige Sorten von Ernteverlusten betroffen sind, zeigt, wie prekär die Lage ist. Nichtsdestotrotz zaudert der Bund, wenn es um die Zulassung moderner Pflanzenschutzmittel und neuer Züchtungstechnologien geht.
Wieso Quallen bald auf unseren Tellern landen könnten
Werden Quallen der neue Stern am Superfood-Himmel? Fachleute empfehlen ihren Verzehr und schwärmen von den glibberigen Meerestieren als neue Proteinquelle. Doch die Zulassung solcher Produkte steht noch aus.