Fakten zu Trinkwasser und Grenzwerten

Fakten zu Trinkwasser und Grenzwerten

'Reines' Wasser ist entweder ein geschmackloses Destillat oder ein Verkaufsargument. Als Naturprodukte sind weder Leitungs- noch Markenwasser 'rein'. Beide sind aber bedenkenlos trinkbar. Denn gerade im Bereich des Pflanzenschutzes sind die Vorschriften in der Schweiz sehr streng. Zudem arbeitet die forschende Pflanzenschutzindustrie aktiv beim Gewässerschutz mit. Der Mechanismus zur Risikominimierung funktioniert.

Dienstag, 10. November 2020

Schweizer Trinkwasser ist qualitativ hochwertig

Die Qualität des Schweizer Trinkwassers wird durch ein dichtes Netz an Messstellen laufend überwacht. Verschiedene Behörden und Experten stufen die Qualität des Trinkwassers als hochwertig ein. 80 Prozent des Trinkwassers wird aus dem Grundwasser gewonnen. Die Hälfte davon kann direkt und ohne Aufbereitung ins Leitungsnetz gespeist werden. Bei der anderen Hälfte reicht eine einfache Desinfektion mit Chlor oder UV aus. Die Aussagen zur Qualität werden durch eine Studie des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und des Bundesamts für Umwelt (BAFU) aus dem Jahr 2019 unterstützt. Untersucht wurde das Trinkwasser aus 20 Kantonen, mit dem ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung versorgt wird. Das Schweizer Grundwasser weist demnach eine gute Qualität auf. Auch die aktuellsten Ergebnisse der nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA, veröffentlicht durch das BAFU, deuten in dieselbe Richtung. Die Schweiz besitzt «einwandfreies Trinkwasser in genügender Menge». Auch der Verband der Kantonschemiker bewertet die Qualität des Schweizer Trinkwassers als gut.


Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel sind streng

In der Schweiz gelten für Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln sehr strenge Grenzwerte. Man unterscheidet zwischen relevanten und nicht relevanten Metaboliten (Abbauprodukten). Relevant bedeutet, dass der Wirkstoff biologisch aktiv ist und Einfluss auf die Trinkwasserqualität haben könnte. Für nicht relevante Metaboliten gilt eine maximale Konzentration von 10 Mikrogramm pro Liter, für relevante Metaboliten gilt ein Maximalwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter (siehe Kasten). Diese Grenzwerte sind sehr streng. Zum Vergleich – das entspricht einem Millimeter in 10'000 Kilometern. Diese Grenzwerte sind extrem niedrig und erlauben per se keine Aussage darüber, ob eine Überschreitung dieser Grenzwerte zu Gesundheitsschäden führt, weil der Grenzwert nicht aus Gesundheitsdaten abgeleitet wurde. Vielmehr wurde der Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter vor rund 40 Jahren festgelegt, als man mit analytischen Methoden keine niedrigeren Konzentrationen messen konnte. Somit galt Wasser mit einer Fremdstoffkonzentration von bis zu 0,1 Mikrogramm pro Liter als frei von Verunreinigungen, es war sozusagen die «analytische Null». Heute können aber viel niedrigere Konzentrationen nachgewiesen werden, weshalb der Eindruck entstehen könnte, dass die Qualität des Wassers schlechter wird. Fakt ist aber: Eine Überschreitung des Grenzwerts stellt per se kein Gesundheitsrisiko dar.


Verbesserte Analytik

Die Tatsache, dass ein Stoff nachgewiesen wird, ist nicht mit einem Risiko für die menschliche Gesundheit gleichzusetzen. Die Menge macht das Gift. Wegen der grossen Fortschritte in der Messtechnik können heute Konzentrationen im Billionstel-Bereich gemessen werden. Die analytische Null tritt deshalb in den Hintergrund. Man findet immer etwas. Aber: Man findet immer nur, wonach man sucht. Zur Beurteilung des Gesundheitsrisikos braucht es Grenzwerte, die aus toxikologischen Studien abgeleitet sind. Toxikologen berechnen die akzeptable tägliche Aufnahmedosis eines Wirkstoffs. Die Dosis soll mit hinreichender Sicherheit einen Menschen nicht schädigen, auch wenn sie ein Leben lang täglich konsumiert wird. Dieser Wert wird von umfangreichen Tierstudien abgeleitet.


Mechanismus zur Risikominderung funktioniert

Der Gewässerschutz ist ein zentrales Element des «Aktionsplans zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» des Bundes. Eine gemeinsame Analyse von EAWAG, Ökotoxzentrum und des Verbands Schweizer Abwasser und Gewässerschutzfachleute (VSA) belegt, dass die Massnahmen des Aktionsplans zur Reduktion von Abschwemmung zu einer Verbesserung der Wasserqualität führen. Wenn ein Stoff die Qualitätskriterien zur akuten Ökotoxizität nicht erfüllt, handeln Industrie und Behörden gemeinsam. Die Stoffe werden vom Bund einer gezielten Überprüfung (GÜ) unterzogen und neu evaluiert. Wenn nötig, werden die entsprechenden Produkte vom Hersteller vom Markt genommen.


Industrie arbeitet aktiv am Gewässerschutz mit

Die chemische Industrie trägt mit diversen Programmen und Massnahmen zur Verminderung von unerwünschten Wasser-Einträgen bei. Dazu gehört beispielsweise das europaweite Projekt TOPPS. Dabei erhalten Landwirte Informationen zur gewässerschonenden und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Im Vordergrund steht die Reduktion von Abdrift. Auch in der Schweiz laufen TOPPS-Projekte, an denen die forschende Pflanzenschutzindustrie, das BAFU sowie die Kantone beteiligt sind. Entscheidend zur Minimierung von Wassereinträgen ist die fachgerechte Einrichtung eines Befüll- und Waschplatzes auf landwirtschaftlichen Höfen. Im Rahmen des Aktionsplans Pflanzenschutz des Bundes muss jeder Betrieb ein Waschplatzkonzept erstellen. Die Industrie unterstützt und berät Landwirte bei der Umsetzung des Konzepts und entwickelt praxistaugliche Lösungen zum fachgerechten Befüllen und Entsorgen von Pflanzenschutzmitteln. So hat Bayer beispielsweise ein System zum Umfüllen von Pflanzenschutzmitteln entwickelt, mit dem unbeabsichtigte Spritzer verhindert werden können. Syngenta bietet eine Reinigungsplattform an, die dafür sorgt, dass beim Befüllen und Leeren von Tanks keine Reste von Pflanzenschutzmitteln in den Boden sickern.

Grenzwerte für Grund- und Trinkwasser

Für Grundwasser:

Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln wird das Versickerungsverhalten eines Wirkstoffs geprüft. Eine Zulassung wird nur dann erteilt, wenn Einträge des Wirkstoffs und alle seine relevanten Metaboliten von ≥ 0,1 μg/L in das Grundwasser bei sachgerechter Anwendung ausgeschlossen werden können. Nicht-relevant sind Abbauprodukte nur, wenn die zuständigen Behörden nach eingehender Überprüfung von wissenschaftlichen Studien zum Schluss kommen, dass sie unbedenklich sind. Erweist sich ein Abbauprodukt als nicht-relevant, wird eine Höchstkonzentration von 10 μg/l als toxikologisch vertretbar betrachtet. Dabei wird auf eine EU-Leitlinie für die Beurteilung der Relevanz von Metaboliten von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen im Grundwasser (EU DG Sanco “Guidance Document on the Assessment of the Relevance of Metabolites in Groundwater of Substances regulated under Council Directive 91/414/EC” - Sanco/221/2000) Bezug genommen. Als Referenzdokument in der Schweiz gilt das Dokument «Relevanz von Pflanzenschutzmittel-Metaboliten im Grund- und Trinkwasser» von BLW und BLV. Auch die Relevanzprüfung des BLV vom 3. Dezember 2019 (Seite 40) für Chlorothalonil spricht von einer «maximal möglichen Konzentration von 10 Mikrogramm / Liter im Grundwasser».


Für Trinkwasser:

Die Höchstwerte sind in Anhang 2 der Verordnung des EDI über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen (TBDV) geregelt (Seite 1033). 0,5 Mikrogramm / Liter ist der kumulierte Höchstwert. Für einzelne Pestizide (Wirkstoffe und relevante Metaboliten) ist der Höchstwert 0,1 Mikrogramm / Liter (Seite 1032).

Wie viel sind Mikro- und Nanogramm?

Die NGO Wasser für Wasser (wfw) schreibt auf ihrer Homepage: «Spurenstoffe sind im Bereich von Mikro- und Nanogrammen im Wasser vorhanden. Dies kann auf den ersten Blick nach viel aussehen. Folgendes Beispiel zeigt, wie man diese schier unvorstellbar kleine Masseinheit einordnen soll: Trinkt man Wasser mit einer Konzentration von 100 ng/l des Arzneimittels Aspirin, hätte man bei einem täglichen Konsum von zwei Litern ganze 700 Jahre, um die Dosis einer einzigen Aspirintablette aufzunehmen.»

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