
Fehlender Pflanzenschutz: Rückläufiger Anbau von Rosenkohl als Folge
Der Anbau von Rosenkohl gestaltet sich in der Schweiz immer schwieriger. Die Anbauflächen sind seit mehreren Jahren rückläufig. Grund dafür ist die stetig kleiner werdende Zahl an zugelassenen Pflanzenschutzmitteln.
Dienstag, 8. November 2022
Die Kohlfliege und die Weisse Fliege machen Schweizer Gemüsebauern zu schaffen. Die Schädlinge haben sich in den vergangenen Jahren immer stärker verbreitet. Und das ist kein Zufall: «Viele effiziente Wirkstoffe gegen die Kleine Kohlfliege oder die Weisse Fliege sind zurückgezogen worden – daher sind die Rosenkohlanbauflächen seit 2018 bis heute zurückgegangen», sagt Markus Waber, stellvertretender Direktor des Verbands der Schweizer Gemüseproduzenten, im Onlineportal «Linth24». Im Jahr 2016 wurde dem Pflanzenschutzmittel Methomyl die Zulassung entzogen. Es darf somit nicht mehr angewendet werden. Wirksame Alternativen existieren kaum. Dies schlägt sich auch in der Entwicklung der Anbauflächen von Rosenkohl nieder. Wurden im Jahr 2018 noch fast 100 Hektaren mit Rosenkohl angebaut, so schrumpfte die Fläche bis im Jahr 2021 um einen Viertel auf 76 Hektaren.
Kohlschädlinge machen Ernte unbrauchbar
Sowohl die Kohlfliege als auch die Weisse Fliege befallen Rosenkohl und verursachen bei der Ernte grosse Qualitätseinbussen. Die Larven der Weissen Fliege saugen an den Pflanzen und hinterlassen unverdauten Zuckersaft auf dem Gemüse. Dies führt zu sogenanntem «Honigtau», einem klebrigen Belag, der die Rosenkohlröschen überzieht. Auf ihm breiten sich Schwärzepilze aus, die das Gemüse schwarz färben. Das Erntegut ist verunreinigt. Zudem hinterlässt die Kohlfliege Fressschäden am Rosenkohl. Die Schäden machen den Rosenkohl unverkäuflich. Und neben der immer dünner werdenden Wirkstoffpalette trägt auch der Klimawandel zur Rosenkohl-Krise bei. Die wärmer werdende Witterung begünstigt die Ausbreitung von Schadinsekten zusätzlich. Gemäss Markus Waber haben die Schadinsekten im Berner Seeland zwischen 2018 und 2019 bei Rosenkohl zu Ernteeinbussen von 30 bis 45 Prozent geführt.
Probleme auch bei Zwiebeln
Nicht nur der Rosenkohl leidet unter dem Rückzug von Pflanzenschutzmitteln. Auch im Bereich der Zwiebeln werden voraussichtlich mehrere Pflanzenschutzmittel die Zulassung verlieren. Schweizer Gemüseproduzenten befürchten deshalb grosse Ernteeinbussen. «Durch den Wegfall wichtiger Pflanzenschutzmittel im Zwiebelanbau kann der Schutz der Kulturpflanze nicht gewährleistet werden», sagt Markus Waber gegenüber «Linth24». Es besteht jedoch die Möglichkeit, mit Ausnahmebewilligungen für bestimmte Pflanzenschutzmittel Kulturen zu schützen. Gemäss Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) wurde eine solche Notfallzulassung für 2022 erteilt, um bei Zwiebeln den Falschen Mehltau wirksam bekämpfen zu können.
Notfallzulassungen sind keine Lösung
Doch Notfallzulassungen sind Notlösungen: Besser und ehrlicher wäre eine effizientere Zulassung neuer Pflanzenschutzmittel, damit die Landwirte Planungssicherheit haben. Doch da hapert es gewaltig und die Liste konkreter Beispiele, wo es an Pflanzenschutz mangelt, wird immer länger. Nur ein paar Beispiele: Ein Wirkstoff gegen den Apfelwickler wartet seit Längerem auf die Zulassung. Die Mittel gegen den Apfelwickler wurden in den letzten Jahren stark reduziert und Resistenz ist in Zukunft nicht ausgeschlossen. Auch ein Insektizid gegen Drahtwürmer wartet auf die Zulassung. Es gibt heute keine zugelassenen Produkte für diese Bedrohung mehr.
Die Schädlinge verursachen bei Kartoffeln grosse sichtbare Schäden: Chips mit sichtbaren Drahtwurmspuren will niemand kaufen. Falscher Mehltau ist ein grosses Problem beim Anbau von Zwiebeln. Der Pilzbefall beeinträchtigt die Lagerfähigkeit. Und reduzierte Lagerfähigkeit führt zu Food Waste. Doch ein Fungizid, das den falschen Mehltau bei Zwiebeln bekämpfen könnte, ist seit längerem blockiert. Das innovative Produkt wäre für die Umwelt unbedenklich, genauso wie ein auf Bakterien basierendes biologisches Kontrollpräparat, das als Gegenspieler zum im Rebbau gefürchteten echten Mehltau wirkt. In der Schweiz steht als letztem Land in Europa die Zulassung noch aus.
Ähnliche Artikel

Den Gegnern grüner Gentechnik fehlen Fakten. Ihre Antihaltung ist gefährliche Ideologie
Die Schweiz und die EU entscheiden 2025 über den Anbau mittels neuer Züchtungstechnologien veränderter Pflanzen. Eine Zulassung ist vernünftig – und längst überfällig. Denn Gentechnik ist bereits heute verbreitet.

«Es gibt kein chemiefreies Essen – hat es nie gegeben und wird es auch nie geben»
Chemische Rückstände in unseren Lebensmitteln werden in den Medien immer wieder heiss diskutiert. Ein Blick nach Österreich zeigt: Es ist eine Illusion zu glauben, dass eine rückstandsfreie Lebensmittelproduktion möglich ist. Denn es gibt Rückstände aus natürlichen wie synthetischen Quellen. Und bei allen gilt: Die Menge macht das Gift.

Warum Hauskatzen die Biodiversität bedrohen
In Schottland wird derzeit über ein Haltungsverbot für Hauskatzen diskutiert. Der Grund: Getrieben durch ihren Jagdinstinkt sind sie in der Lage, ganze Tierarten auszurotten. Auch in der Schweiz hat man die «Büsi»-Problematik auf dem Schirm. Hausarrest oder Verbote hätten aber kaum eine Chance – denn die Katzen-Lobby ist nicht zu unterschätzen.

Olivenöl wird zur Luxusware – und Raps steckt in der Klemme
Olivenöl ist mittlerweile so teuer, dass Supermärkte in Südeuropa die Flaschen anketten müssen. Ernteausfälle haben die Preise explodieren lassen. Eine Alternative könnte Rapsöl sein – doch genau dessen Anbau gerät unter Druck. Es fehlen wirksame Pflanzenschutzmittel, um die Kulturen zu schützen und die Erträge stabil zu halten.