Foie Gras ohne schlechtes Gewissen
Der Begriff Foie Gras ist häufig negativ behaftet. Grund dafür ist die Stopfleber-Produktion, bei der die Tiere grosse Qualen erleiden. Nachdem bereits Spitzengastronomen Rezepte mit ungestopfter Leber entwickelten, bietet nun auch die Migros «Happy Foie» an. Dabei handelt es sich um ein tierfreundliches Foie Gras, das geschmacklich genauso gut sein soll wie das Original. Patente dienen dabei dem Schutz der Erfinder.
Montag, 11. März 2024
Bereits die alten Römer erkannten, dass Zugvögel wie Enten oder Gänse einen enormen Fressdrang haben und begannen sie zu mästen. Im Lauf der Zeit wurde dies immer mehr «perfektioniert» – bis zur Zwangsfütterung in den letzten Wochen vor der Schlachtung der Tiere. Dabei werden die Gänse und Enten so lange gemästet, bis ihre Leber krankhaft verfettet und sie sich kaum mehr bewegen oder atmen können.
Der Genuss von gestopfter Gänse- oder Entenleber – sogenanntem Foie Gras – ist daher für viele mit einem schlechten Gewissen verbunden und die Suche nach Alternativen geht in verschiedene Richtungen, wie die Foodfach-Zeitung delikatessenschweiz.ch zusammengestellt hat. Der höchst umstrittenen Stopfleber-Produktion haben denn auch bereits zahlreiche Länder den Riegel geschoben. Auch in der Schweiz ist die Produktionsmethode seit 1978 verboten, nicht aber der Import von Produkten mit gestopfter Leber. Das führt immer wieder zu Vorstössen und emotionalem Schlagabtausch im Schweizer Parlament.
Dabei bräuchten Foie Gras-Liebhaber keine Skrupel mehr zu haben: Wie der «Tages Anzeiger» bereits 2017 berichtete, haben innovative Gastronomen wie Spitzenkoch und Kochbuchautor Peter Brunner geschmacklich ebenbürtige Rezepte mit ungestopfter Leber entwickelt. Schon als Lehrling habe es ihn gestört, dass man in der Gastronomie ganze Enten bestellte, die Brüste für die Gäste zubereitete, die Schenkel den Mitarbeitern vorsetzte – und den Rest entsorgte. «Gleichzeitig kaufte unser Chef für viel Geld Foie gras ein», beschrieb er gegenüber dem «Tages Anzeiger» seine jugendlichen Bedenken und war wohl so einer der Vordenker der «Nose to tail»-Bewegung, die für die Verwertung des ganzen Tieres plädiert. Brunner liess die Rezeptur für seine Entenleberterrine im Jahr 1996 auch patentieren. Im Gegensatz zum Geschäftsgeheimnis wird das Herstellverfahren beim Patent damit öffentlich und kann dann von jedem für weitere Innovation genutzt werden, gegen eine Nutzungsgebühr an den Erfinder während 20 Jahren. So fördern Patente Innovationen.
Tierfreundliche Alternativen halten im Detailhandel Einzug
Peter Brunners Rezept fand in der professionellen Gastronomie seine Verbreitung und wurde 2017 in dem besagten «Tages Anzeiger»-Artikel auch jedermann zugänglich gemacht. Seit kurzem bietet nun auch die Migros eine Gänseleber an, bei welcher die Tiere keine Qualen erleiden mussten. Damit bietet die sogenannte «Happy Foie» eine echte Alternative zur verpönten Stopfleber. Im Interview mit dem «Migros Magazin» erklärt Erfinder Tobias Sudhoff, wie er die tierfreundliche kulinarische Spezialität entwickelt hat und wen er damit erreichen möchte.
Ganze zwei Jahre lang hat der Deutsche an der Entwicklung des nachhaltigen Foie Gras gearbeitet. «Als ich 2018 damit anfing, war ich noch Küchenchef eines Ein-Sterne-Restaurants in der Nähe von Münster in Nordrhein-Westfalen. Dort erwarteten die Gäste ganz selbstverständlich Foie gras auf dem Speiseplan.» Deshalb sei es ihm ein Anliegen gewesen, eine Variante ohne Tierleid anzubieten.
Mit dem Ergebnis sei er mehr als zufrieden. So schmecke das «Happy Foie» genauso gut wie das herkömmliche Produkt. «Mehrere Blindverkostungen bestätigen, dass die Happy Foie geschmacklich ebenbürtig ist. Dies betrifft nicht nur das Aroma, sondern auch das Mundgefühl», so Sudhoff. Ein leichtes Unterfangen sei das aber keineswegs gewesen. So hätten sie die Schmelzeigenschaften der konventionellen Foie gras nachgebaut – «ein hochkomplexes Verfahren», wird der Koch in der «Migros Magazin» zitiert. Die Mitarbeitenden hätten enorm darauf achten müssen, dass im Kessel genau die richtige Temperatur herrscht. «Nur so entstehen der einzigartige Schmelz, die Cremigkeit und die feine und kompakte Textur von Foie gras.»
Schutz der Innovation durch Patente
Eins ist klar: Mit seiner Erfindung dürfte der Deutsche einen Nerv getroffen haben. Sudhoffs innovatives Foie Gras dürfte den Delikatessen-Markt nun auch ausserhalb der Gastronomie revolutionieren. Folgerichtig handle es sich bei der Produktion der nachhaltigen Gänse- und Entenleber um ein zum Patent angemeldetes Verfahren, wie der Website des Produktherstellers zu entnehmen ist. Das Patent birgt einiges an Potential. Dadurch wird das Produkt zu einer wertvollen Geschäftsidee, die weltweit zum Nutzen des Tierschutzes vermarktet werden kann und gleichzeitig den Erfinder schützt und ihm Einnahmen aus seiner Erfindung gewährleistet. Doppelter Schutz also, der gleichzeitig weitere darauf aufbauende Innovationen ermöglicht.
Ähnliche Artikel
Die Suche nach dem Ei der Zukunft
Gekocht, gerührt, gebraten: Eier sind nicht nur zu Ostern beliebt. Gleichzeitig steigt das Interesse für Alternativen zu den bei uns gängigen tierischen Eiweissprodukten. Die Suche nach neuen Proteinquellen macht deshalb auch vor dem Hühnerei nicht halt.
Von Patenten und Peperoni
Das Europäische Patentamt (EPA) hat eine Beschwerde verschiedener NGO gegen ein Peperoni-Patent der Firma Syngenta abgewiesen. Das berichten verschiedene Medien. Die mit der Berichterstattung einhergehende Skandalisierung von Patenten in Zusammenhang mit Pflanzen ist jedoch nicht angezeigt. Pflanzenzüchter brauchen keine Angst vor einer «Patentfalle» zu haben. Im Gegenteil: Patente fördern die Transparenz und befeuern den Fortschritt.
Nachhaltiges Essen aus dem Bioreaktor
Mehr Menschen ernähren und weniger Rohstoffe verschwenden – dieses Ziel erreichen wir dank «Nachhaltigkeit aus dem Labor», ist Tilo Hühn überzeugt. Der Food Architect forscht gemeinsam mit einem 80-köpfigen Team an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) an nachhaltigen Ernährungslösungen.
Importe statt Regionalität: Tomatenvirus zerstört heimische Produktion
Obwohl Tomaten und Peperoni zu den beliebtesten Gemüsesorten in der Schweiz gehören, werden diese zum Grossteil importiert. Schuld daran sind extreme Wetterbedingungen und Krankheiten. Erste Unternehmen haben bereits resistente Tomatensorten entwickelt – doch der Bund bleibt gegenüber neuen Technologien weiterhin skeptisch.
Katastrophale Weizenernte: Schlechtes Wetter und Einschränkungen beim Pflanzenschutz
Die Meldungen häufen sich: 2024 geht als schlechteste Weizenernte seit Jahrzehnten in die Geschichte ein. Eine der grössten Schweizer Getreidesammelstellen in Thalheim an der Thur erleidet einen historischen Verlust.
«Die Berner Winzer spritzen und spritzen»
Der viele Regen diesen Sommer hat den Berner Winzern zugesetzt und einmal mehr klargemacht, dass es ohne Pflanzenschutz nicht geht – schon gar nicht in schwierigen Anbaujahren. Dass auch pilzwiderstandsfähige Sorten von Ernteverlusten betroffen sind, zeigt, wie prekär die Lage ist. Nichtsdestotrotz zaudert der Bund, wenn es um die Zulassung moderner Pflanzenschutzmittel und neuer Züchtungstechnologien geht.
Wieso Quallen bald auf unseren Tellern landen könnten
Werden Quallen der neue Stern am Superfood-Himmel? Fachleute empfehlen ihren Verzehr und schwärmen von den glibberigen Meerestieren als neue Proteinquelle. Doch die Zulassung solcher Produkte steht noch aus.