
Fragen nach Solidarität bei Agrarproduktion bleiben offen
Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine bedroht die weltweite Nahrungsmittelversorgung. Auch in der Schweiz wird die Versorgungssicherheit zu einem Thema. In der vergangenen Frühjahrssession wollten Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus verschiedenen Parteien vom Bundesrat deshalb wissen, wie er auf die veränderte globale Lage bei der Nahrungsmittelversorgung zu reagieren gedenkt. In den Antworten des Bundesrats spiegelt sich noch keine grundsätzliche Neubeurteilung der Lage.
Mittwoch, 16. März 2022
Die Ukraine und Russland sind für rund 40 Prozent der weltweiten Weizenproduktion verantwortlich. Infolge des Konflikts zwischen den beiden Ländern sind die Lebensmittelpreise sprunghaft gestiegen. Ernteausfälle aufgrund der Kämpfe bedrohen die Lebensmittelversorgung vieler Länder – insbesondere in Nordafrika und dem Nahen Osten. Die FAO warnt bereits vor zusätzlichem Hunger. Die reiche Schweiz ist zwar nicht primär von der Versorgungskrise betroffen, doch für Menschen in ärmeren Ländern kann es eng werden. Die FAO rechnet bereits mit einer Ausweitung des Hungers. Inländische Produktion hat somit auch mit Solidarität zu tun. Die Alarmzeichen sind da. Wie es tatsächlich weiter geht, ist von der weiteren Entwicklung der Lage in der Ukraine abhängig.
Brennende Fragen …
Vor diesem Hintergrund wollte Nationalrat Alois Huber (SVP, AG) in der Fragestunde vom Bundesrat wissen, welche Massnahmen er ergreift, um die Selbstversorgung bei Lebensmitteln anzuheben und damit ärmere Länder zu entlasten (22.7283). Eine ähnliche Frage stellte Nationalrat Martin Haab (SVP, ZH). Er wollte vom Bundesrat wissen, inwiefern er die Herausforderungen bei der Gewährleistung der globalen Nahrungsmittelsicherheit in die künftige Agrarpolitik der Schweiz miteinbeziehen will (22.7256). Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP, LU) wollte wissen: «Wie kann die Schweiz ihre Verantwortung wahrnehmen und die eigene landwirtschaftliche Produktion solidarisch erhöhen, damit steigende Importe nicht den Hunger auf der Welt fördern?» (22.7202). Und Nationalrat Alois Gmür (CVP, SZ) fragte den Bundesrat: «Was unternimmt der Bundesrat angesichts der drohenden globalen Versorgungskrise im Nahrungsmittelbereich?» (22.7223).
… abwartende Antworten
Der Bundesrat blieb bei den Antworten vage und antwortete zunächst mit Zahlen: Die direkten Abhängigkeiten der Schweiz seien relativ gering. «Gemessen am Gesamtvolumen der Importe pro Produkt stammen nur zwei Prozent des Getreides, vier Prozent der Futtermittel und 4,5 Prozent der pflanzlichen Öle und Fette, die in die Schweiz importiert werden, aus diesen beiden Ländern.» (22.7223) Er verweist auf vorhandene agrarpolitische Instrumente wie die Möglichkeit einer Anpassung von Direktzahlungen und Beiträgen für Einzelkulturen, mit denen bei Bedarf Anreize für eine erhöhte Produktion geschaffen werden könnten. Ebenso betont der Bundesrat, dass im Falle von akuten Versorgungsengpässen Pflichtlager freigegeben werden können. Verschiedene Interventionsmassnahmen würden laufend geprüft. Dazu gehören Importförderung, Verkaufsbeschränkungen oder Produktionsoptimierung zur Erhöhung des Selbstversorgungsgrades. Allerdings entgegnet der Bundesrat: «Die Optimierung der Produktion stellt jedoch keine geeignete Massnahme dar, um kurzfristige Engpässe zu überwinden.» Langfristige Massnahmen scheint der Bundesrat nicht ins Auge zu fassen.
Wie und ob die künftige Agrarpolitik der neuen Lage gerecht wird, bleibt damit unbeantwortet. Vielmehr verweist er auf den noch ausstehenden Bericht zum Postulat 20.3931, «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik», der im Sommer 2022 erscheinen soll. Man darf somit gespannt sein, ob der Bericht auch eine neue Lagebeurteilung bezüglich Versorgungssicherheit enthält. Was die aufgeworfene internationale Solidarität für eine produktive Landwirtschaft betrifft, bleibt der Bundesrat den Parlamentarierinnen und Parlamentariern die Antwort weitgehend schuldig. Allerdings ist es kaum nachhaltig, in Zeiten des Klimawandels und turbulenter Weltmärkte auf eine immer weniger produktive Landwirtschaft und immer mehr Importe zu setzen. Das zeigt sich zurzeit gerade auch schmerzhaft in der Energiepolitik.
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