Genom-Editierung: Biolandwirtschaft verschliesst sich Fortschritt

Genom-Editierung: Biolandwirtschaft verschliesst sich Fortschritt

Die EU will genomeditierte Pflanzen künftig gleich behandeln wie herkömmlich gezüchtete. Wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, gleicht dies einer kleinen Revolution. Denn bis anhin war die kommerzielle Nutzung der Genschere aufgrund eines äusserst restriktiven Gentechnik-Gesetzes unmöglich. Aus wissenschaftlicher Sicht bringen neue Züchtungstechnologien Umwelt und Landwirten einen grossen Nutzen. Nur Bioverbände stellen sich weiterhin quer.

Mittwoch, 12. Juli 2023

Gemäss dem Gesetzesvorschlag der EU würde die Züchtungsmethode künftig keine Rolle für die Zulassung mehr spielen, sofern keine artfremden Gene in eine Pflanze eingeschleust wurden. Die Methoden der Genom-Editierung, wie etwa die Genschere CRISPR/Cas, sind eine sanftere und präzisere Methode, Pflanzen eine erwünschte Eigenschaft zu verleihen. Die daraus resultierenden Pflanzen könnten nämlich genauso gut auf «natürliche» Art und Weise oder mit herkömmlichen Züchtungsmethoden entstehen. Das Resultat ist dasselbe. Nur geht es mit der Genschere schneller. Wie Andreas Hirstein in der «NZZ am Sonntag» richtig feststellt, macht es keinen Sinn, Gleiches ungleich zu behandeln: «Was sich nicht unterscheidet, kann auch nicht gefährlicher sein.»


Pflanzen unterscheiden sich nicht von herkömmlicher Züchtung

Im Gegensatz zur Genom-Editierung setzen herkömmliche Züchtungstechnologien wie die Mutagenese auf Chemikalien oder radioaktive Strahlung, um im Erbgut von Pflanzen unkontrolliert Mutationen auszulösen. Es ist wie beim Lotto: Man hofft, dass in den unzählig ausgelösten Genmutationen die erwünschte darunter ist. Die so durchgeführte Mutagenese ist auch in der biologischen Landwirtschaft zugelassen. Und es existiert keine Deklarationspflicht für diese Zuchtmethode. Weshalb sollte das dann bei genomeditierten Pflanzen anders sein, wenn das Resultat das gleiche ist?


Bioverbände bleiben stur

Wie Hirstein weiter schreibt, lehnt die Biolandwirtschaft die Genom-Editierung jedoch strikt ab. Dabei könnten auch Biobauern von schädlings- und hitzeresistenten Pflanzen profitieren. Gemäss Hirstein ist die Ökobilanz der Biolandwirtschaft auch nicht grundsätzlich besser als in der konventionellen Landwirtschaft. Ein Problem der Biolandwirtschaft ist ihr grosser Flächenverbrauch. Zur Herstellung der gleichen Menge an Lebensmitteln benötigen Biobauern bis zu 60 Prozent mehr Fläche. Die leichten Vorteile in Sachen Biodiversität gehen durch den massiven Flächenbedarf wieder verloren. Zudem brauchen auch Biobauern Pestizide zum Schutz ihrer Kulturen. Da diese meist leichter abwaschbar sind und auch dadurch weniger lang wirken, sind mehr Durchfahrten nötig als mit modernem Pflanzenschutz. Daraus ergeben sich Minuspunkte in Bezug auf Energieverbrauch und potenzielle Bodenverdichtung.

Dass sich Bioverbände vor diesem Hintergrund neuen Züchtungstechnologien verschliessen, bliebt unverständlich. «Eine Erhöhung der Produktivität und eine Reduktion des Pestizideinsatzes wären angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung aber auch im Biolandbau ein notwendiges Ziel», schreibt Hirstein. Die Sehnsucht nach einer Landwirtschaft wie im 19. Jahrhundert hilft nicht weiter. Mehrere Studien kommen zum Schluss, dass die Biolandwirtschaft dem Klima als auch der Biodiversität eher schadet als nützt. Besser ist es, auf kleinen Flächen viel zu produzieren, damit unbenutztes Land erhalten werden kann.


Schweiz droht Anschluss zu verlieren

Dem technischen Fortschritt darf sich auch die Schweiz nicht verschliessen. Hier ist der Bundesrat gefordert, bis im Sommer 2024 einen Gesetzesentwurf für eine risikobasierte Zulassung von genomeditierten Pflanzen zu präsentieren. Es ist zu hoffen, dass der Bundesrat dem Beispiel der EU folgt und Schweizer Landwirten ein effektives neues Instrument im Wettlauf mit den Auswirkungen des Klimawandels zur Verfügung stellt. Ansonsten droht die Schweiz international den Anschluss zu verlieren.

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