
Genomforschung für nachhaltigen Pflanzenschutz
Ein Forschungskonsortium aus Industrie und öffentlicher Forschung hat in England eine Datenbank mit den Genomen der häufigsten Schadinsekten in Grossbritannien veröffentlicht. Die Open-Source-Datenbank soll bei der Entwicklung von zielgenauen und umweltfreundlichen Pflanzenschutzmitteln helfen.
Mittwoch, 22. Februar 2023
Wie das Portal «AgroPages» schreibt, enthält die Datenbank die Genome von 19 Insektenarten – darunter Drahtwurm, Kohltriebrüssler und Pollenkäfer. Alle berücksichtigten Schädlinge sind berüchtigt dafür, dass sie weltweit lebenswichtige Kulturpflanzen befallen – darunter Ölsaaten, Gemüse, Getreide, Obst, Bohnen, Zucker und Baumwolle. Durch die Veröffentlichung der Daten erhoffen sich Forschende eine Beschleunigung bei der Entwicklung von neuen Pflanzenschutzmitteln. Die Genome werden auch eine wichtige Ressource für die breitere entomologische Gemeinschaft sein, die sich mit der Evolution, Physiologie, Biochemie und Ökologie von Insekten beschäftigt.
Zielgenauer und umweltfreundlicher
Die Informationen über das Erbgut der Schädlinge können helfen, zielgenauere und damit umweltfreundlichere Wirkstoffe zu finden und die Bildung von Resistenzen zu vermindern. Durch die Zusammenstellung dieser detaillierten «Genomkarten» können die Forscher die nächste Generation von Pflanzenschutzmitteln entwickeln, die sehr spezifisch auf den Schädling abzielen, während andere Arten unversehrt bleiben. Ermöglicht wurde die Open-Source-Datenbank durch die Zusammenarbeit von Forschenden von Rothamsted Research und den Unternehmen Syngenta und Bayer. Im Rahmen der auf vier Jahre angelegten Pest Genomics Initiative (PGI) haben die Forschenden die Genome sequenziert, dann die Sequenzinformationen in die einzelnen Chromosomen gegliedert. Anschliessend wurden die Informationen darüber, wofür die einzelnen Gene kodieren, in die Genomkarten eingefügt.
Resistenzen als Problem
Schädlinge, die mit den immer gleichen Pflanzenschutzmitteln bekämpft werden, bilden im Laufe der Zeit Resistenzen. Das heisst, sie werden gegenüber dem Wirkstoff immun. Man kennt dies auch aus der Humanmedizin, beispielsweise die gefährliche Antiobiotika-Resistenz. Der Schutz der Kulturen wird für Bauern entsprechend schwierig. Sie müssen auf alternative Mittel ausweichen. Wenn immer weniger Pflanzenschutzmittel auf dem Markt sind, bilden sich schneller Resistenzen. Dieses Szenario droht auch in der Schweiz, wo zahlreiche Pflanzenschutzmittel vom Markt verschwinden, aber kaum neue zugelassen werden. Im schlimmsten Falle steht irgendwann kein geeigneter Wirkstoff mehr zur Verfügung. Der Bildung von Resistenzen vorzubeugen, ist eine der wesentlichen Aufgaben moderner Pflanzenschutzforschung. Die Genominformationen helfen Forschenden dabei, Substanzen zu entwickeln, die beim Zielorganismus weniger wahrscheinlich zu einer Resistenzentwicklung führen.
Pflanzenschutzmittel bleiben wichtig
Linda Field, Professorin bei Rothamsted-Research und eine der Forschungsleiterinnen sagt: «Gegenwärtig gehen weltweit bis zu einem Fünftel aller Ernten durch Schädlinge verloren, und dieser Anteil wird durch den Klimawandel voraussichtlich auf 25 Prozent steigen. Während nicht-chemische Bekämpfungsmethoden einen gewissen Erfolg bei der Verringerung von Ernteverlusten haben können, bleiben Pflanzenschutzmittel eine notwendige Waffe in unserem Kampf gegen verheerende Ernteverluste und werden dies auch in absehbarer Zukunft bleiben.»
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