gfs-Umfrage bestätigt hohe Akzeptanz der Genom-Editierung
Eine grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung anerkennt den Vorteil gezielter Pflanzenzüchtung mit Genom-Editierung. Das zeigt eine Umfrage von gfs.bern.
Freitag, 4. Oktober 2024
Im Auftrag der Wissensplattform swiss-food hat gfs.bern zum zweiten Mal eine Umfrage zur Anwendung von innovativen Technologien in der Landwirtschaft durchgeführt. Wie schon bei der Befragung 2021 lag der Fokus bei der aktuellen Umfrage auf der gezielten Züchtung von Pflanzen mit Hilfe von Genom-Editierung, der sogenannten Genschere. Die Umfrage ist repräsentativ. Befragt wurden 1060 Stimmberechtigte über das Onlinepanel «Polittrends» von gfs.bern. Die Befragung fand vom 26. August bis am 6. September 2024 statt. Der Stichprobenfehler beträgt +/- 3 Prozentpunkte.
Erneut anerkennt eine grosse Mehrheit der Stimmberechtigten den Vorteil gezielter Pflanzenzüchtung mit Genom-Editierung. Dies gilt parteiübergreifend. Der reduzierte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und der Schutz von regionalen Produkten sind den Befragten besonders wichtig. Im Vergleich mit herkömmlichen Züchtungsarten, die teilweise auf radioaktive Strahlen oder den Einsatz von Chemie setzen, schneidet das gezielte Auslösen von Mutationen durch Genom-Editierung besonders gut ab.
Die grundsätzliche Zufriedenheit der Stimmberechtigten mit der Schweizer Landwirtschaft ist hoch. Sie beträgt 78 Prozent. Die Zufriedenheit ist im ganzen Parteienspektrum und auch bei den Partei-Ungebundenen mehrheitlich. Eine Ausnahme bilden die Grünen: Nur 37 Prozent der Befragten, die sich den Grünen zuordnen, sind sehr oder eher zufrieden mit der Landwirtschaft.
Bei landwirtschaftlichen Produkten schätzt die Bevölkerung vor allem Regionalität (72 Prozent), Frische (66 Prozent), Geschmack (47 Prozent) und Preis (45 Prozent). Die biologische Produktion folgt erst an fünfter Stelle (32 Prozent).
Bezüglich neuer Produktionsmethoden ist die Bevölkerung sehr offen. Am meisten Zustimmung erhält der Einsatz von Drohnen zur Lokalisierung und Bekämpfung von Krankheitsherden (86 Prozent), aber auch die gezielte Züchtung von resistenten Pflanzen
(74 Prozent) wird begrüsst. Gezielt wirkende Pflanzenschutzmittel (67 Prozent) und Roboter (67 Prozent) erhalten ebenfalls hohe Zustimmungen. Eine klare Ablehnung erfahren gentechnisch veränderte Pflanzen (77 Prozent). Bei der Frage nach dem Einsatz von genom-editierten Pflanzen geben die Befragten zu erkennen, dass sie noch mehr über die Technologie wissen müssten (44 Prozent unentschieden), um eine Meinung abgeben zu können.
Nach einer kurzen Erklärung jedoch beurteilt eine Mehrheit der Befragten (64 Prozent) die Technologie als nützlich. Der Nutzen wird parteiübergreifend von einer Mehrheit erkannt. Genom-Editierung schneidet auch im Vergleich mit herkömmlichen Züchtungsmethoden, die teilweise auf radioaktive Strahlung oder Chemie setzen (sog. Mutagenese), sehr gut ab. Auch das Warten auf zufällige Mutationen (entspricht traditioneller Züchtung ohne Mutagenese) erscheint einer Mehrheit der Befragten als nicht sinnvoll.
86 Prozent finden Genom-Editierung nützlich, wenn damit der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stark reduziert werden kann. Fast ebenso nützlich wird die Bewahrung traditioneller Apfelsorten (85 Prozent) betrachtet. Auch weitere Einsatzgebiete haben für die Stimmberechtigten einen hohen Stellenwert, darunter Anpassungen an den Klimawandel, die Verringerung von «Food Waste» auf dem Acker oder die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit essentiellen Nährstoffen in Entwicklungsländern.
Konsequenterweise wendet sich eine grosse Mehrheit gegen generelle Verbote und findet es sinnvoll, die Chancen und Risiken der Technologie im Einzelnen zu beurteilen (76 Prozent). Wenn sich eine genom-editierte Pflanze nicht von einer herkömmlich gezüchteten Pflanze unterscheidet, soll sie in der Schweiz zugelassen werden (58 Prozent). Dies entspricht einer produktbasierten Zulassung. Der Anteil der Bevölkerung, welche menschliche Eingriffe in das Erbgut von Pflanzen generell ablehnen, ist im Vergleich zu 2021 um sieben Prozentpunkte gesunken. Viele Stimmberechtigte wollen zudem nicht, dass die Schweizer Landwirtschaft einen Nachteil erleidet, wenn die EU-Länder die Genom-Editierung künftig zulassen. In der gezielten Pflanzenzüchtung mit Genom-Editierung wird auch eine Möglichkeit gesehen, den Eigenversorgungsgrad zu erhöhen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Technologie-Offenheit besonders hoch ist, wenn mit der Anwendung von Genom-Editierung ein ökologischer Nutzen verbunden ist. Mehr als 80 Prozent der Befragten finden die Genom-Editierung nützlich, wenn damit Kulturpflanzen gegen Pflanzenkrankheiten resistenter gemacht werden können. Erneut widerlegt die Umfrage somit das von Technologie-Skeptikern häufig geäusserte Argument, dass Konsumentinnen und Konsumenten die Genom-Editierung ablehnten. Das ist klar nicht der Fall. Im Gegenteil, die Akzeptanz ist – verbunden mit einem klaren Nutzen – ausserordentlich hoch.
Aus Sicht von swiss-food behält das Fazit der Umfrage von 2021 seine volle Gültigkeit: «Mit klarer Kommunikation des Nutzens lässt sich die Akzeptanz neuer Technologien steigern. Die Bevölkerung ist für neue Technologien sehr empfänglich, wenn durch ihren Einsatz konkrete Risiken für die regionale Produktion, die Umwelt oder die Gesundheit aus dem Weg geräumt werden können.»
PS: Zum politischen Kontext
Bundesratsbeschluss für behutsame Öffnung: Das Parlament hatte – zusammen mit der Verlängerung des GVO-Moratoriums bis Ende 2025 – den Bundesrat beauftragt, einen Erlassentwurf für Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien auszuarbeiten. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 4. September 2024 beschlossen, das UVEK mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage bis Ende 2024 für ein Spezialgesetz zur Regulierung der neuen Züchtungsmethoden zu beauftragen. Unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips sieht er damit eine behutsame Öffnung für die neuen Züchtungsmethoden vor, mit denen sich das Erbmaterial gezielt verändern lässt - auch so, wie es auf natürliche Weise in der Natur durch die Kreuzung verschiedener Pflanzen passieren könnte. Damit sollen diese neuen Methoden wie die wichtigste herkömmliche Gentechnik in der Pflanzenzüchtung, die seit fast 100 Jahren auch in der Schweiz verwendete klassische Mutagenese, bei der in einer Pflanze durch Bestrahlung oder Chemikalien zufällige Mutationen erzeugt werden, ausserhalb des Gentechnikgesetzes geregelt werden. In Abweichung zu den Plänen der EU möchte der Bundesrat stärkere Kontrollmechanismen einbauen. Damit will er den Bedenken der Bevölkerung Rechnung tragen.
Volksinitiative: Am 3. September.2024 wurde von Gentechnik-kritischen Kreisen die Volksinitiative «Für gentechnikfreie Lebensmittel (Lebensmittelschutz-Initiative)» lanciert. Sie fordert, dass Pflanzen, die mithilfe von Gentechnik und Genom-Editierung gezüchtet wurden, gekennzeichnet werden und strenge Auflagen bezüglich Risikoprüfung, Haftung und Koexistenz mit gentechnikfreier Landwirtschaft erfüllen müssen. Gemäss Initiativtext richtet sich die Initiative auch gegen durch Mutagenese (mithilfe von Radioaktivität oder Chemikalien) gezüchtete Sorten, welche bereits heute in der Schweiz breite Anwendung finden, aber bisher nicht dem Gentechnikgesetz unterliegen.
Ähnliche Artikel
Offenheit für Genom-Editierung bei konkretem Nutzen
Die Bevölkerung zeigt laut einer GFS-Studie eine grosse Offenheit für die Anwendung von innovativen Technologien in der Landwirtschaft.
Mehr Agrobiodiversität dank Genom-Editierung
Fälschlicherweise wird häufig behauptet, dass neue Züchtungstechnologien wie Genom-Editierung die Vielfalt im Saatgutmarkt einschränken. Eine neue Untersuchung zeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Genom-Editierung fördert die Agrobiodiversität.
Migros und die Chancen der Genom-Editierung
Die Nachfrage nach neuen Züchtungstechnologien wächst. Experten sehen dringenden Handlungsbedarf, um den technologischen Fortschritt zu nutzen, ohne die Sicherheit zu gefährden. Auch Unternehmen wie die Migros erkennen die Bedeutung dieser Entwicklungen und widmen sich den Chancen und Herausforderungen, die sie mit sich bringen. Derweil bringen die Gegner entgegen den wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterhin die gleichen Schauergeschichten wie vor 30 Jahren.
PFAS-Regulierung in der Schweiz: Nicht schneller, sondern besser
Manche nennen PFAS auch «Ewigkeitschemikalien». Ihr Gebrauch muss möglichst klug geregelt werden. Dafür braucht es zuerst präzise Grundlagenarbeit des Bundes, finden Stefan Brupbacher, Urs Furrer und Stephan Mumenthaler.
Die Musik spielt bei der Pflanzenzucht anderswo
Die Schweiz ist ein Innovationsstandort, doch leider wird dieses Versprechen bei den moderneren Methoden der Pflanzenzucht bis heute nicht eingelöst. Offenheit würde der innovativen Schweiz auch da gut anstehen.
Ermöglichen, was unausweichlich ist
Die Gegner des Fortschritts sind einmal mehr in den Startlöchern. Mitte April haben Gentech-Kritiker eine Volksinitiative angekündigt, welche allfällige Lockerungen des bestehenden Gentech-Moratoriums unmöglich machen soll. Die genaue Formulierung ist noch nicht bekannt, aber die Äusserungen der Exponenten machen klar, dass die Totalblockade in Sachen moderner Pflanzenzüchtung in der Verfassung verankert werden soll.
Grundsatzentscheid der EU für neue Züchtungsmethoden mit Stolpersteinen
Das EU-Parlament hat sich am 7. Februar dafür ausgesprochen, dass in der EU die neuen genomischen Züchtungsmethoden zugelassen werden sollen. Die Abgeordneten stimmten mit 307 zu 263 Stimmen bei 41 Enthaltungen für eine entsprechende Vorlage.