Importe statt Regionalität: Tomatenvirus zerstört heimische Produktion
Obwohl Tomaten und Peperoni zu den beliebtesten Gemüsesorten in der Schweiz gehören, werden diese zum Grossteil importiert. Schuld daran sind extreme Wetterbedingungen und Krankheiten. Erste Unternehmen haben bereits resistente Tomatensorten entwickelt – doch der Bund bleibt gegenüber neuen Technologien weiterhin skeptisch.
Sonntag, 29. September 2024
Während nur etwa 50 Prozent der hierzulande konsumierten Tomaten aus der Schweiz stammen, liegt der Anteil der Inlandsproduktion bei Peperoni gar bei mageren zwei Prozent. Der ganze Rest wird aus dem Ausland importiert. Hauptlieferanten sind Spanien und die Niederlande.
Der Import im grossen Stil erstaunt: Führen doch Tomaten und Peperoni die Rangliste der beliebtesten Gemüse in der Schweiz an: Der jährliche Pro-Kopf-Konsum von Peperoni beläuft sich auf 5,15 Kilogramm, bei Tomaten – dem umsatzstärksten Gemüse im Schweizer Detailhandel – sind es knapp sieben Kilogramm.
Die beiden Gemüse erfreuen sich also grösster Beliebtheit. Hinzu kommt, dass regionale Produkte gefragter denn je sind. Wie kommt es also, dass derart viel importiert wird?
Wie der «Schweizer Bauer» schreibt, hat der niedrige Selbstversorgungsgrad seine Gründe. Im Interview berichtet Emanuel Golder des Bundesamts für Landwirtschaft, dass die Schweizer Produktion dieses Jahr aufgrund von Krankheitsdruck und fehlendem Licht vergleichsweise tief gewesen ist. So sei von den 14 Hektaren Schweizer Peperoni, die hauptsächlich im Gewächshaus und mit Bio-Label angebaut werden, ein grosser Teil vernichtet worden.
Dem Gemüse besonders zugesetzt hat das Tomatenvirus ToBRFV (Tomato Brown Rugose Fruit Virus). Dabei handelt es sich um ein Pflanzenvirus, das Tomaten und Peperoni befällt und erhebliche Schäden verursacht. Blätter und Früchte verfärben sich, das Wachstum wird gehemmt und im schlimmsten Fall geht die Pflanze ganz ein.
Die Folgen sind verheerend: Dieses Jahr mussten rund 150 Tonnen Cherry-Tomaten importiert werden, im Vergleich zu nur 30 Tonnen im Vorjahr.
Landwirte verlieren 70 Prozent der Ernte
Dass das Pflanzenvirus dem Gemüse immer noch den Garaus macht, erstaunt. Die Anbauflächen für Tomaten in der Schweiz nehmen stetig zu, was sich eigentlich auch auf das Angebot auswirken sollte – gelungen ist das noch nicht. Wie Markus Waber vom Verband Schweizer Gemüseproduzenten erklärt, sind die wetterbedingten Schwankungen ein Problem. So können kühle, nasse und bewölkte Wetterbedingungen für Ernteausfälle sorgen, während warme Perioden das Wachstum fördern.
Prekär ist die Lage heuer auch bei anderen Kulturen. Kartoffelbauern schlagen Alarm und sprechen von «desaströsen» Zuständen und auch den Winzern hat der viele Regen massiv zugesetzt. Die Beispiele verdeutlichen: Extreme Wetterbedingungen wie der starke Niederschlag dieses Jahr begünstigen Krankheiten und führen zu Ernteausfällen und folglich dem tiefen Selbstversorgungsgrad. Um weiterhin regional produzieren zu können, braucht es mehr technologische Unterstützung wie moderne Pflanzenschutzmittel oder neue Züchtungstechnologien.
Im Fall des Tomatenvirus könnte moderne Pflanzenzüchtung im Sinne der Pflanzengenetik einen wichtigen Beitrag leisten und Ernteausfälle vermindern. Die Industrie hat bereits entsprechende Lösungen geliefert und forscht stetig weiter: So hat Syngenta die ersten Tomatensorten entwickelt, die gegen das Virus resistent sind, seit Anfang 2021 können sie gekauft und gepflanzt werden. Das Unternehmen hat erkannt, wie massiv das Virus den Landwirten zusetzt und schnell reagiert: «Das Tomato Brown Rugose Fruit Virus hat erhebliche Auswirkungen auf die Landwirte. Tatsächlich können Landwirte bis zu 70 Prozent ihrer Ernte durch das Virus verlieren, und es breitet sich schnell aus», wird Marcel Prins, Head of Germplasm Development, in einer Mitteilung zitiert.
Doch neue Sorten allein sind kein Allheilmittel. Moderne Pflanzenschutzmittel gehören ebenfalls zur Toolbox und sind gegen Ernteverluste unerlässlich, wie die Berner Winzer dieses Jahr wieder feststellen mussten. Leider besteht auf Bundesebene seit Jahren ein Zulassungsstau. Stände die Schweizer Politik der Zulassung moderner Pflanzenschutzmittel und neuer Züchtungstechnologien offener gegenüber, könnten die Landwirte nicht nur den grossen Bedarf an qualitativ hochstehendem Gemüse besser decken, sondern auch dem Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten nach Regionalität gerecht werden.
Sources
Schweizer Bauer 31. Juli 2024, S. 8 «Wochenbedarf von 1200 Tonnen» [nur in der Printausgabe]
Schweizer Bauer 31. Juli 2024, S. 13: «Hoher Importanteil trotz grosser Beliebtheit» [nur in der Printausgabe]
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