
Exportiert die Industrie verbotene Pestizide?
NGO und Medien berichten immer wieder über Schweizer Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, die Pestizide exportieren, die in der Schweiz verboten sind. Schwache Vorschriften in den Importländern würden bewusst ausgenutzt. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Die Schweizer Hersteller halten sich beim Export von Pflanzenschutzmitteln an strenge internationale Normen. Da Zulassungen zudem abgestimmt auf die agronomischen Bedürfnisse, die angebauten Kulturen und den Markt erfolgen, macht eine Regulierung aus der Schweiz heraus keinen Sinn.
Dienstag, 27. Mai 2025
Grundsätzlich sind die Vorschriften des Zielmarktes ausschlaggebend dafür, ob ein Produkt zugelassen und verwendet werden kann. Dementsprechend kann es sein, dass die Zulassungsanforderungen im Zielland nicht mit dem im Ausfuhrland übereinstimmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ausfuhr solcher Produkte illegal ist. Hier ein einfaches Beispiel: Die Klimazone der Schweiz macht es unmöglich, Bananen anzubauen. Deshalb sind in der Schweiz keine Pflanzenschutzmittel für den Bananenanbau registriert und zugelassen. Denn Wirkstoffe werden kulturspezifisch registriert und in den Ländern zur Zulassung beantragt, wo sie für die jeweiligen Kulturen relevant sind.
Enormer Nutzen
Pflanzenschutzmittel bringen einen enormen Nutzen, und ihr Export ist so sinnvoll wie eine Produktion in der Schweiz: Die Schweiz ist ein Exportland – so werden zum Beispiel mehr als 98 Prozent der Life-Sciences-Produkte exportiert. Dieser grösste und am schnellsten wachsende Wirtschaftszweig der Schweiz ist ein wichtiges Element des in der und für die Schweiz geschaffenen Wohlstands. Und er trägt auch zur Versorgungssicherheit der Schweizer Bevölkerung mit essenziellen Gütern in Krisenzeiten bei: Die Firmen produzieren hier, weil sie exportieren können. Denn der Schweizer Markt allein wäre viel zu klein.
Hohe Standards
Es wird oft behauptet, dass Unternehmen die schwächeren Vorschriften in Entwicklungsländern ausnutzen, um verbotene Produkte zu verkaufen. Dieser Vorwurf lässt sich leicht entkräften. So verkauft beispielsweise Syngenta nur Produkte, die in mindestens einem OECD-Land zugelassen sind oder über ein vollständiges Datenpaket verfügen, das hohen OECD-Standards entspricht. Die Mitglieder von CropLife International (dem internationalen Verband der pflanzenwissenschaftlichen Industrie), darunter Bayer und Syngenta, unterstützen den Internationalen Verhaltenskodex der FAO und der WHO zum Umgang mit Pestiziden.
Strenge Zulassungsverfahren
Pflanzenschutzmittel gehören zu den am besten erforschten und am strengsten regulierten chemischen Produkten. Für die Produktregistrierung ist ein strenges Zulassungsverfahren auf der Grundlage umfassender Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten erforderlich. Forschungsorientierte Agrarunternehmen halten sich an die gesetzlichen Vorschriften und Sicherheitsstandards. Nicht alle Produkte sind für alle Agrarmärkte geeignet.
Die wirklichen Probleme lösen
Eines der grössten Probleme in Entwicklungs- und Schwellenländern in Bezug auf den Schutz von Mensch und Umwelt ist der illegale Handel von nicht zugelassenen bzw. von gefälschten Industriechemikalien und Pflanzenschutzmitteln.
Wenn Parlament und Bundesrat diese vordringlichen Risiken adressieren möchten, sollen sie im Bereich technische Kooperation, wie sie im Rotterdamer Übereinkommen zum internationalen Handel mit bestimmten Chemikalien vorgesehen ist, aktiv werden. Denn es besteht für den Bundesrat heute kein konkreter Auftrag, in Zielländern (Schwellen- und Entwicklungsländer) von sich aus und unter Wahrung der Souveränität der Zielländer aktiv zu werden, um diese Staaten im Bereich Chemikalienmanagement (Risikobeurteilung, Risiko Management) und insbesondere in der Bekämpfung des illegalen Handels zu unterstützen. Ein verstärktes Engagement der Schweiz dürfte auch international begrüsst werden.
Falsche Anschuldigung
Schweizer Hersteller und Exporteure werden oft beschuldigt, Pflanzenschutzmittel zu exportieren, die in der Schweiz «aus Umwelt- oder Gesundheitsgründen» verboten sind. Solche Vorwürfe beruhen auf dem Verweis auf Anhang 1 der sogenannten ChemPICV, der Schweizer Verordnung zur Umsetzung des Rotterdamer Übereinkommens. Es kann mehrere Gründe geben, warum Produkte vom Schweizer Markt genommen wurden. Der Bundesrat hat diese in seiner Antwort auf eine parlamentarische Interpellation aufgelistet. Der folgende Auszug ist relevant (Absatz 2 aus der Antwort des Bundesrats):
2. Es gibt mehrere Gründe, die zum Entzug einer Zulassung führen können. Eine Zulassung erlischt, wenn kein Antrag auf Erneuerung gestellt wird. Eine Zulassung wird entzogen, wenn sie einen Wirkstoff enthält, der nach den Bestimmungen von Artikel 9 der Pflanzenschutzverordnung (PSMV; SR 916.161) neu beurteilt werden muss und für den kein Gesuch um Neubeurteilung eingereicht wurde. Eine Bewilligung kann auch auf Antrag der Bewilligungsinhaberin widerrufen werden. Schliesslich wird eine Bewilligung widerrufen, wenn die Überprüfung ergibt, dass die aktuellen Voraussetzungen für die Bewilligung nicht mehr erfüllt sind. Im letzteren Fall ist der Bewilligungsinhaber anzuhören. Gestützt auf den Entscheid des Bundesgerichts vom 12. Februar 2018, den Umweltschutzorganisationen ein Beschwerderecht einzuräumen, erhalten diese auch die Möglichkeit, zu diesen Verfügungen Stellung zu nehmen.
Nach dem Rotterdamer Übereinkommen sind Länder, die das Übereinkommen ratifiziert haben, verpflichtet, die Ausfuhr von Stoffen zu melden, die in ihrem Hoheitsgebiet verboten sind oder strengen Beschränkungen unterliegen, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen. Diese Verpflichtung gilt auch für Stoffe, die nicht von einer behördlichen Entscheidung auf der Grundlage einer Risikobewertung betroffen waren, sondern aus anderen Gründen zurückgezogen wurden, wobei es Hinweise auf ein Risiko für Mensch oder Umwelt gibt. In einem solchen Fall entscheidet das Bundesamt für Umwelt (BAFU) aufgrund der Einstufung eines Stoffes, die nur die spezifische Gefährlichkeit eines Stoffes angibt, nicht aber das Risiko durch die Exposition unter realistischen Verwendungsbedingungen berücksichtigt (siehe hierzu auch Unterschied zwischen Risiko und Gefahr). In seiner Antwort auf die oben erwähnte parlamentarische Interpellation erläutert der Bundesrat das Verfahren zur Aufnahme von Wirkstoffen in den Anhang 1 der ChemPICV:
7. Anhang 1 der PIC-Verordnung (ChemPICV; SR 814.82) (...) enthält Wirkstoffe, die nicht in der Liste der für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zugelassenen Wirkstoffe nach Anhang 1 der Pflanzenschutzverordnung (PSMV) aufgeführt sind und die folgenden Kriterien erfüllen:
- Es besteht keine Zulassung der Stoffe auf Grundlage einer Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt;
- die Stoffe wurden in bestimmte Gefahrenkategorien hinsichtlich der Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt eingestuft und
- es wird davon ausgegangen, dass eine Ausfuhr dieser Stoffe stattfinden kann.
Dies bedeutet, dass ein Wirkstoff aus verschiedenen Gründen in den Anhang 1 der ChemPICV aufgenommen werden kann. Die Aussage, dass alle aufgeführten Stoffe «in der Schweiz aufgrund von einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt verboten sind», ist nicht korrekt.
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