Invasive Arten gefährden einheimische Pflanzen

Invasive Arten gefährden einheimische Pflanzen

Die wirtschaftliche Verflechtung der Welt hat über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte stark zugenommen. Durch die rege Handelstätigkeit zwischen den Kontinenten verbreiten sich auch invasive Pflanzen- und Tierarten immer schneller. Für die einheimische Vegetation und Landwirtschaft kann dies zu ernsthaften Problemen führen. Der Kanton Tessin ist gemäss BAFU besonders stark betroffen.

Mittwoch, 9. August 2023

Das Wichtigste in Kürze:

  • Durch die zunehmende Vernetzung des Welthandels, verteilen sich invasive Arten immer rascher.
  • Weil sie in den neuen Gebieten kaum natürliche Feinde haben, breiten sie sich rasant aus.
  • Bei landwirtschaftlichen Kulturen richten invasive Schädlinge teilweise verheerende Schäden an.

Ein Beispiel für eine invasive Insektenart ist die Edelkastaniengallwespe. Sie stammt ursprünglich aus China und wurde im Jahr 2002 zum ersten Mal im Piemont nachgewiesen. Von da hat sie sich bis in den Kanton Tessin ausgebreitet. Im Mai 2009 wurde sie dort erstmals entdeckt. Mittlerweile sind fast alle Kastanienwälder im Tessin befallen.


Gefahr für Tessiner Marroni

Das Weibchen der Edelkastaniengallwespe legt ihre Eier in Zweig- und Blütenknospen von Kastanienbäumen. Die Larven schlüpfen nach einem Monat und überwintern unbemerkt in den Knospen. Im Frühling bilden sich dann die auffälligen Gallen an den Trieben, Blättern und Blüten. Die Folge: Blätter deformieren sich, einzelne Triebe sterben ab. Zwar führt der Befall nur in den seltensten Fällen zum Absterben des Baums, doch er wird stark geschwächt. Die Anfälligkeit für andere Krankheiten nimmt zu und die Kastanienproduktion sinkt drastisch. Das hat äusserst negative Folgen für den Marronihandel im Tessin und dem Piemont.

Gallbildung an jungen Trieben eines Kastanienbaums im Frühling (Bild: BAFU).
Gallbildung an jungen Trieben eines Kastanienbaums im Frühling (Bild: BAFU).

Fälle häufen sich

Das Auftreten von exotischen Arten ist in der Schweiz nichts Neues. Doch in den vergangenen Jahren haben sich die Fälle gehäuft. Weitere Beispiele sind der Asiatische Laubholzbockkäfer und der Citrusbockkäfer. Sie befallen Laubbäume aller Art und machen diese anfälliger gegenüber Krankheiten und Windbruch. Eine andere Bedrohung geht vom aus China stammenden Götterbaum – einem sogenannten invasiven Neophyten – aus. Er wächst und vermehrt sich sehr schnell und vertreibt somit einheimische Pflanzen. Die natürliche Verjüngung der Wälder wird dadurch verhindert. Und: In der unmittelbaren Umgebung eines Götterbaums wächst nichts anderes mehr.


Biodiversität leidet

Von einer invasiven Art ist auch die einheimische Honigbiene bedroht. Seit 2017 kommt die Asiatische Hornisse auch in der Schweiz vor. Diese macht Jagd auf die Honigbiene. In jüngster Vergangenheit haben sich die aus Südostasien stammenden Hornissen in der Schweiz stark ausgebreitet. Eine Bekämpfung ist derzeit nur durch das Aufspüren und Beseitigen des Hornissennestes möglich.


Ernten bedroht

Ein weiteres Beispiel für einen invasiven Schädling stellt der Japankäfer dar. Er wurde in der Schweiz zum ersten Mal 2017 im Tessin entdeckt. Im Jahr 2023 wurde erstmals eine grössere Population nördlich der Alpen im Kanton Zürich beobachtet. Der Japankäfer ist nicht sehr wählerisch bei Suche nach Nahrung. Er frisst fast alles. Das macht ihn auch für die Ernten der Landwirte so gefährlich. Wie der Japankäfer ist auch die Kirschessigfliege aus Ostasien nach Europa gekommen. Sie befällt Kirschen, Beeren und Weichobstarten und verursacht mikrobielle Fäulnis, was dazu führt, dass die Früchte weder verkauft noch zur Herstellung von Obstbränden gebraucht werden können. Sowohl zur Bekämpfung des Japankäfers als auch der Kirschessigfliege sind Landwirte auf Pflanzenschutzmittel angewiesen. Neben invasiven Schadinsekten breiten sich auch virale oder bakterielle Krankheiten aus. Ein Beispiel ist das Bakterium Xylella fastidiosa (Xf), welches das Bundesamt für Landwirtschaft als eines der weltweit gefährlichsten Bakterien für Pflanzen bezeichnet. Das Bakterium benutzt beispielsweise Olivenbäume als Wirtspflanzen.


Aufgepasst im Urlaub

Ferienrückkehrer müssen daher äusserst achtsam sein, welche Pflanzen sie von ihrer Reise zurückbringen. Seit 2020 gilt deshalb in der Schweiz ein Pflanzeneinfuhrverbot für Pflanzen von ausserhalb der EU. Eine Einfuhr ist nur mit einem speziellen Pflanzengesundheitszeugnis möglich. Die Behörden wollen so verhindern, dass gefährliche Neobiota in die Schweiz gelangen, die für Natur und Landwirtschaft katastrophale Folgen haben können.


Artspezifische Bekämpfung erforderlich

Gegen gefährliche invasive Arten sind spezifische Bekämpfungsstrategien nötig. Das Bundesamt für Umwelt hat bereits 2011 ein Konzept erarbeitet, um den Schweizer Wald zu schützen. Es können jedoch nicht gegen alle Schadorganismen gleichzeitig Massnahmen entwickelt werden. Gerade für die Landwirtschaft ist der Schutz von Pflanzen enorm wichtig. Rund 40 Prozent der globalen Ernteerträge gehen jährlich durch Schädlinge und Krankheiten verloren. Ohne Pflanzenschutzmittel wären die Verluste wohl doppelt so hoch.

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