Kartoffelbauern wollen robuste Sorten
Da der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln massiv reduziert wurde, will die Kartoffelbranche nun auf robustere Sorten setzen. Die Branche hat gar mit dem Bund eine Zielvereinbarung abgeschlossen. Diese ist ambitioniert: Bis 2040 sollen auf 80 Prozent der Kartoffelanbauflächen robuste Sorten gedeihen.
Mittwoch, 24. April 2024
Der Absenkpfad Pflanzenschutzmittel setzt der Kartoffelbranche zu. Dieser fordert eine Risikoreduktion beim Pflanzenschutzmitteleinsatz von 50 Prozent bis 2027. Insbesondere der Gemüseanbau ist davon stark betroffen. Aber auch beim Kartoffelanbau sei die Landwirtschaft auf Pflanzenschutzmittel angewiesen – «sowohl im konventionellen Anbau wie auch in der Bio-Produktion», schreibt Swisspatat in einer Mitteilung.
In der Bauernzeitung kommentierte der Gemüsegärtner Thomas Wyssa aus Galmiz die Situation: «Bei den Kartoffeln hat es schon Produzenten, welche die Fläche im Anbau reduzieren oder sogar ganz aufgeben». Und das wird sich wohl nicht so rasch ändern: Denn nach mehreren sehr schwierigen Anbau-Jahren für Kartoffeln sind nun auch die Pflanzkartoffeln in ganz Europa Mangelware.
80% der Flächen sollen robuste Sorten sein
Um dennoch die Kartoffelproduktion aufrecht zu erhalten, will die Kartoffelbranche künftig vermehrt auf robuste Sorten setzen. Wie der «Schweizer Bauer» berichtet, hat sich die Branche zusammen mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BWL) zum Ziel gesetzt, bis 2028 auf 25 Prozent der Fläche robuste Sorten anzubauen. Bis 2040 sollen es gar 80 Prozent sein. «Hinter der Vereinbarung steht die gesamte Kartoffelbranche mit Produktion, Handel und Verarbeitungsindustrie», schreibt Swisspatat.
Robuste Sorten sind beispielsweise gegen Kraut- und Knollenfäule, die bei Befall grosse Ertragsverluste oder gar Totalausfall zur Folge haben können, resistent oder weisen zumindest eine gewisse Toleranz auf. Dies sollte einen geringeren Einsatz von Fungiziden ermöglichen. Das ist sehr wünschenswert, weil sich der zur Behandlung gegen Kraut- und Knollenfäule eingesetzte Kupfer nicht abbaut, sondern im Boden anreichert.
Neue Züchtungen geben Hoffnung
Die Ergebnisse eines Forschungsprojekts, das von Swisspatat und Agroscope durchgeführt wurde, bestätigen das: So kann die Anzahl an Fungizidanwendungen bei robusten Kartoffelsorten um über 50 Prozent reduziert werden. «Robuste Kartoffelsorten können, zusammen mit Hilfsmitteln wie Prognosemodelle, einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes leisten», ist der Medienmitteilung von Swisspatat zu entnehmen.
Ein Problem gibt es jedoch: Die Züchtung von robusten Sorten nimmt enorm viel Zeit in Anspruch. So dauert es Swisspatat zufolge 12 bis 15 Jahre, bis eine neu gezüchtete Kartoffelsorte auf den Markt kommt.
Grund dafür sind unter anderem die zahlreichen Anforderungen, die neue Sorten erfüllen müssen. Darunter fallen Bedingungen wie Hitze- und Trockenheitstoleranz, Lagerfähigkeit, Verarbeitbarkeit zu Kartoffelprodukten sowie Virusanfälligkeit in der Vermehrung oder Resistenz gegenüber Krankheiten.
Ausser Acht lassen die Medienberichte, dass auch neue Züchtungstechnologien wie beispielsweise die Genom-Editierung eine Möglichkeit darstellen, robustere Sorten zu züchten und die Erträge zu steigern. Diese beschleunigen den Züchtungsprozess massiv. Ebenfalls im Hinblick auf die massive Reduktion der Pflanzenschutzmittel hat der Schweizer Bauernverband das Potenzial neuer Züchtungstechnologien erkannt und zeigt sich ihnen gegenüber offen.
Ähnliche Artikel
Mit CRISPR/Cas9 gegen die Kraut- und Knollenfäule
Die Nobelpreis-gekrönte Methode Crispr/Cas erlaubt die Züchtung von resistenten Sorten und könnte den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft reduzieren.
Wird dieser Feldversuch die Gersten-Produktion revolutionieren?
Ab diesem Frühling startet in Zürich der erste Feldversuch der Schweiz, bei dem Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien zum Einsatz kommen. Konkret soll eine Sommergerste gezüchtet werden, die mehr Körner pro Ähre herstellt. Funktioniert der Versuch, dürfte die Technologie für die Schweizer Landwirtschaft von grossem Interesse sein.
Präzisionszüchtung: England erlaubt den Anbau von genomeditierten Nutzpflanzen
Eine Gesetzesänderung ermöglicht in England die kommerzielle Nutzung neuer Züchtungstechnologien. Diese waren bis anhin nach denselben restriktiven Regeln wie in der EU reguliert. Aufgrund der neuen Gesetzgebung dürfen englische Landwirte jetzt Pflanzen anbauen, die mittels Genom-Editierung gezüchtet wurden. Englands Landwirte bekommen damit ein neues Instrument im Kampf gegen den Klimawandel und für eine nachhaltigere Landwirtschaft.
Wie deutsche Experten über neue Züchtungsmethoden denken
In kaum einem anderen Land wird die Bio-Landbau-Idylle in der Öffentlichkeit so gepflegt wie in Deutschland. Natürlichkeit und ländliche Ursprünglichkeit sind mentale Sehnsuchtsorte vieler Deutscher. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der Widerstand gegen neue Züchtungsmethoden gross ist – und dass die Unkenntnis über den eigenen Bio-Landbau fast schon vorsätzlich wirkt.
Warum Konsumenten genomeditierte Lebensmittel auf dem Teller akzeptieren
Die Akzeptanz von genomeditierten Lebensmitteln steigt, wenn der konkrete Nutzen für Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbar ist. Eine aktuelle Untersuchung des Center for Food Integrity (CFI) in Zusammenarbeit mit FMI – The Food Industry Association zeigt, dass Konsumentinnen und Konsumenten Technologien wie die Genom-Editierung dann positiv bewerten, wenn sie klare Vorteile für Gesundheit, Umwelt oder Versorgungssicherheit erkennen.
Schöne und köstliche Mutanten auf Ihrem Teller: Die missverstandene Welt der Pflanzenzüchtung
Wenn die meisten von uns das Wort Mutation hören, sind die Assoziationen selten positiv. Wir denken an radioaktive Monster, Comic-Schurken oder genetische Krankheiten wie die Sichelzellenanämie. In der Popkultur stehen «Mutanten» oft für Gefahr. Die wohl bekanntesten sind Marvels X-Men, die bereits vier Kinoadaptionen erlebt haben und bis heute einen festen Platz unter Science-Fiction-Fans einnehmen.
Spermakrise mit Fragezeichen: Was die Schweizer Studie wirklich zeigt – und was nicht
Um den Schweizer Samen steht es schlecht – ausser man lebt etwas südlich der Stadt Aarau. Dort soll die Spermaqualität unter jungen Männern am besten sein. Der Verdächtige steht schnell fest: Pestizide.