Katastrophale Weizenernte: Schlechtes Wetter und Einschränkungen beim Pflanzenschutz

Katastrophale Weizenernte: Schlechtes Wetter und Einschränkungen beim Pflanzenschutz

Die Meldungen häufen sich: 2024 geht als schlechteste Weizenernte seit Jahrzehnten in die Geschichte ein. Eine der grössten Schweizer Getreidesammelstellen in Thalheim an der Thur erleidet einen historischen Verlust.

Montag, 26. August 2024

«Katastrophale Weizenernte: Bauern ernten in der Region ein Drittel weniger Weizen», titelt der «Landbote». Im Bericht, der auch im «Tages-Anzeiger» erscheint, sagt der Leiter der Getreidesammelstelle in Thalheim an der Thur, Christian Blaser: «Wir hatten noch nie eine so schlechte Brotweizenernte wie dieses Jahr». Der Ertrag ist um rund ein Drittel eingebrochen. Einzelne Bauern haben einen Verlust von bis zu 50 Prozent. Gegenüber der «Tagesschau» von SRF sagt der ehemalige Leiter der Getreidesammelstelle, Rolf Häusler: «Vor hundert Jahren hätte das Hunger bedeutet. Heute wird diese Menge einfach importiert.»


Probleme auch in Deutschland

Die schlechte Ernte beschränkt sich nicht nur auf die Schweiz. Auch in der deutschen «Agrarzeitung» wird über die schlechte Weizenernte 2024 berichtet. Das Getreideland Deutschland wird dieses Jahr seinen Bedarf kaum decken können. Deutschland steht nach Einschätzung des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) vor der schlechtesten Getreideernte seit Jahren. Nur im Dürrejahr 2018 fiel der Ertrag noch schlechter aus. «Die Gründe für das schlechte Ergebnis liegen laut DRV in einer erneut gesunkenen Anbaufläche sowie in niedrigeren Hektarerträgen. Diese seien auf das unbeständige Wetter mit teilweise starken Niederschlägen sowie fehlender Wärme und Sonnenschein zurückzuführen. Ausserdem führten zunehmende Einschränkungen bei der Düngung und dem Pflanzenschutz zu weiteren Ertragsrückgängen.» Auch der deutsche Bauernverbandspräsident, Joachim Rukwied, zieht eine ernüchternde Bilanz, wie «cash» berichtet. Der seit Jahren anhaltende Abwärtstrend bei der Getreideproduktion hat sich weiter fortgesetzt. Er äussert sich «doppelt enttäuscht», was die Ernte 2024 anbelangt. Denn neben den schwächeren Ergebnissen seien die Preise, die Betriebe gerade für ihr Getreide erzielen können, noch stärker unter Druck geraten. «Wirklich nachvollziehbar ist das nicht», sagte der Bauernpräsident. Denn etwa auch in Frankreich und Spanien sei die Ernte schwächer ausgefallen, und global sei die Versorgung knapp. Die Indikatoren sprächen also eigentlich für Preisstabilisierung. Klar sei: «Wir als Bauern brauchen kurzfristig und in der Tendenz wieder deutlich höhere Erzeugerpreise, um wirtschaftlich produzieren zu können.»


Negative Kombination für die Landwirtschaftsbetriebe

Auf den Höfen schlägt die Kombination aus niedrigem Ertrag und niedrigem Preis nun aber zu Buche, wie Rukwied deutlich machte. Dazu sind die Betriebskosten etwa für Energie weiter hoch. So sei wirtschaftlicher Getreideanbau in Deutschland kaum noch möglich. Als kritischen Faktor sieht der Verband dabei auch Beschränkungen und Auflagen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger. Die Politik müsse da schnell umdenken, mahnte Rukwied. Sonst bestehe die Gefahr, dass immer mehr Futterweizen herauskomme, statt hochwertigeren Brotweizen zu produzieren.


Alarmierende Belastung mit krebserregenden Pilzen

In den Berichten der Schweizer Medien ist vor allem vom schlechten Wetter mit vielen Niederschlägen die Rede. So schreibt der «Tages-Anzeiger»: «Regen im Herbst, Regen im Frühling und Regen zum Sommerbeginn. Das war für den Weizen zu viel.» Feuchtigkeit und mangelnde Wärme behindern das Wachstum. Dazu kommt auch der Pilzbefall. «Als schlimm, ja schon fast dramatisch», schildern alle Sammelstellenleiter die Situation bei der Mykotoxinbelastung des Weizens, gegenüber dem «Schweizer Bauer». Ist die Belastung mit Mykotoxinen zu hoch, kann der Weizen nicht einmal mehr den Tieren verfüttert werden. Dann bleibt nur noch die Verwertung in der Biogasanlage. Der Aufwand und die Kosten für Aussaat, Pflege der Kultur, Ernte der Produzenten hat sich nicht gelohnt. Die Energiekosten und der CO₂-Ausstoss waren umsonst. Es bleibt nur noch der Food Waste. In der Sammelstelle Thalheim mussten bis jetzt 100 Tonnen Weizen wegen zu hoher Mykotoxinbelastung zurückgewiesen werden.


Verzicht auf Pflanzenschutz als Gefahr

Laut Bericht des «Tages-Anzeigers» spricht auch der Agroscope-Forscher Dario Fossati vom eidgenössischen Forschungszentrum Agroscope in Changins VD von der «schlechtesten Weizenernte in 35 Jahren». Die Nässe bei der Ährenblüte führte zu schädlichen Getreidepilzen. swiss-food.ch hat schon über die Zusammenhänge berichtet. Man spricht von einem Befall mit Fusarien. Dabei handelt es sich um eine weltweit verbreitete Gattung von Schimmelpilzen. Sie verursachen Fäule, führen zu Ernteverlusten und zur Kontamination des Erntegutes mit Giftstoffen, sogenannten Mykotoxinen, welche die Gesundheit von Mensch und Tier bereits in geringen Mengen gefährden. Die gefährlichen Mykotoxine sind krebserregend und bedrohen die Lebensmittelsicherheit. Mit Pflanzenschutzmitteln können die Pilzgifte eingedämmt werden. Ohne ausreichenden Pflanzenschutz stellt der Konsum jedoch eine Gefahr dar. Es braucht endlich Zulassungsverfahren, die Innovationen im Pflanzenschutz zu den Bauern bringt, statt sie zu verhindern – auch im Interesse der Gesundheit von Mensch und Tier.


Hoffen auf resistentere Weizensorten

Fossati verweist im Tages-Anzeiger auch auf einen Zusammenhang zur Agrarpraxis. «Hat vor dem Weizen an gleicher Stelle Mais gestanden und ist der Boden ohne Pflug bearbeitet worden, verbreitet sich der Getreidepilz leichter.» Gute Agrarpraktiken sind sehr wichtig, aber es genügt nicht: Abhilfe könnten neben der dringenden Zulassung und dem präzisen Einsatz moderner Pflanzenschutzmittel auch resistentere Weizensorten schaffen. Damit sie schnell auf den Markt kommen, braucht es Technologieoffenheit und schnelle Zulassungsverfahren auch für moderne Züchtungsverfahren – bei beidem harzt es noch insbesondere in der Schweiz und Europa. Und so findet weiterhin Foodwaste auf dem Acker und vor aller Augen statt – und Nahrungsmittel, die wir eigentlich hierzulande produzieren könnten, werden importiert.

Es braucht Fungizidmassnahmen

Die schlechte Ernte und der Foodwaste auf dem Acker waren auch ein Thema im swiss-food-Newsletter vom Juli 2024. Nebst Weizen ist – wegen der Kraut- und Knollenfäule, die früher zu Hungersnöten führte – auch die Kartoffelernte dieses Jahr katastrophal. Da die Kurativ-Leistung aller verfügbaren Wirkstoffe begrenzt ist, müssen Fungizidmassnahmen vorbeugend (protektiv) zum richtigen Zeitpunkt erfolgen. Dies erfordert höchste Aufmerksamkeit. Mit neuesten Züchtungsmethoden, die zum Beispiel Gene aus Wildkartoffeln nutzen, könnte die gefährliche Krankheit noch besser bekämpft werden.

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