
Kirschessigfliege bedroht Hochstammbäume
In der Schweiz gibt es immer weniger Hochstammbäume. Ihre Pflege ist einerseits aufwendig, andererseits verursacht die eingeschleppte Kirschessigfliege riesige Schäden an den Früchten. Zum Schutz der Bäume braucht es rasche Lösungen: Dazu zählen auch Pflanzenschutzmittel.
Montag, 4. September 2023
Hochstammbäume prägen das Landschaftsbild in vielen Regionen der Schweiz. Doch die hochgewachsenen Kirsch-, Apfel- oder Birnbäume geraten immer stärker unter Druck. Ihre Zahl ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Wurden im Jahr 1950 noch 15 Millionen Hochstammbäume bewirtschaftet, so sind es heute noch etwas mehr als zwei Millionen. Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig. Kleinere Baumsorten sind heute wirtschaftlich attraktiver. Sie sind einfacher zu pflegen und können beispielsweise mit Netzen vor Hagelkörnern und Vogelfrass geschützt werden. Das ist bei Hochstammbäumen nicht möglich.
Kirschessigfliege zerstört Kirschenernte
Netze können auch Schutz vor der Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) bieten, denn diese stellt eine der grössten Probleme für Hochstämmer dar. Die ursprünglich aus Südostasien stammende Fliege wurde im Jahr 2011 zum ersten Mal in der Schweiz entdeckt. Sie befällt auch die Früchte von Hochstammbäumen und macht sie ungeniessbar. «Die Kirschessigfliege zerstört 99 Prozent der Kirschenernte», sagt Martin Heller, Landwirt und Co-Präsident des Vereins Hochstamm Suisse. «Die Hochstamm-Obstbauern sind mittlerweile so weit, dass sie aufgeben möchten», sagt Lukas Seehausen, Fruchtfliegenspezialist am Forschungsinstitut Cabi im jurassischen Delsberg. Einige haben bereits aufgegeben: In der Kirschenregion Basel wurden bereits mehrere Hundert Kirschbäume gefällt.
Der Verein Hochstamm Suisse verlangt daher vom Bund rasche Lösungen. Denkbar sind geeignete Nützlinge, die der Kirschessigfliege entgegenwirken. Vielversprechend ist eine Bekämpfung durch eine Schlupfwespenart, die Martin Seehausen von CABI als Gegenspieler der Kirschessigfliegen aussetzt, mit behördlicher Bewilligung und importiert aus Asien.
Diese Wespenart legt ihre Eier ebenfalls durch die Haut der Früchte – und weiter in die Larven der Kirschessigfliegen: «Dann entwickelt sich die Larve dieser Schlupfwespe in der Larve der Kirschessigfliege. Und heraus kommt am Ende nicht die Fliege, sondern die Schlupfwespe», erklärt Seehausen gegenüber SRF.
Und er beantwortet auch gleich die naheliegende Frage, ob es wirklich Sinn macht, invasive Arten mit weiteren eingeführten Arten zu bekämpfen? Er kann das nicht hundertprozentig ausschliessen, aber sagt: «Durch die Tests, die wir gemacht haben, können wir das quasi zu 99 Prozent ausschliessen.». Doch handelt es sich erst um einen erstmaligen Freisetzungsversuch, den CABI und Agroscope bewilligt bekommen haben.
Damit bleiben den Besitzern von Hochstämmen derzeit nur wenige bewilligte Pflanzenschutzmittel, um die Bäume vor dem Schädling – und damit vor dem Fällen – zu schützen.
Hochstämmer ökologisch sinnvoll
Weil sich die Früchte von Hochstammbäumen meist nicht als Tafelobst eignen (sie sind häufig zu klein), werden sie oft direkt zu anderen Produkten wie Most, Birnel, Konfitüre oder Obstschnaps weiterverarbeitet. Das ist wirtschaftlich weniger einträglich als die Produktion von Tafelobst.
Die Rettung der Hochstammbäume lohnt sich daher insbesondere aus ökologischer Sicht. So bilden Hochstammbäume hervorragende Lebensräume für Vögel, Insekten und andere Tiere. Nicht zuletzt bereichern sie das Landschaftsbild optisch und erfreuen das Auge.
Nachhaltigkeitsstrategie von Banken schadet Biodiversität
Die Früchte von Hochstammbäumen sind oft zu klein, als dass sie als Tafelobst verkauft werden können. Die Früchte eignen sich jedoch hervorragend zur Verarbeitung. Ein wichtiges Produkt, das mit Obst von Hochstammbäumen hergestellt wird, ist Obstschnaps. Weil jedoch Banken wie die Aargauische Kantonalbank vor dem Hintergrund ihrer Nachhaltigkeitsstrategien nicht mehr in die Herstellung von hartem Alkohol investieren wollen, fliesst künftig wohl immer weniger Geld in den Erhalt der Hochstammbäume. Laut dem Verband der Aargauischen Obstproduzenten (VAOP) gefährdet die Nachhaltigkeitsstrategie der AKB die Biodiversität. Denn Hochstammbäume bieten Vögeln gute Nistplätze und locken auch diverse Insektenarten an.
Ähnliche Artikel

Mit der Genschere in die Zukunft – bald auch in der Schweiz?
Die Genom-Editierung gilt als Hoffnungsträger für eine nachhaltigere, klimaresilientere Landwirtschaft. Doch die Schweiz zögert bei der Zulassung. Eine Volksinitiative verlangt gar deren Verhinderung. Doch was kann CRISPR wirklich leisten?

Weniger als 50 Prozent: Wie die Schweiz ihre Selbstversorgung verspielt
Die Schweizer Landwirtschaft steht massiv unter Druck. Wetterextreme, Schädlinge und immer strengere Auflagen setzen den Produzenten zu. Die Folge: Der Selbstversorgungsgrad sinkt dramatisch – besonders bei pflanzlichen Lebensmitteln. Um die Ernährungssicherheit in der Schweiz sicherzustellen, braucht es dringend wirksame Pflanzenschutzmittel.

Nur die halbe Wahrheit in der Gentech-Debatte
Wer nur Risiken sieht, bleibt blind für die Chancen einer neuen Technologie. Die Gentech-Gegner haben eine neue Umfrage zu den neuen Züchtungsmethoden vorgelegt, welche vielsagende Leerstellen aufweist.

«Das BLW lässt die produzierende Landwirtschaft im Stich»
Zunehmende Schädlinge, fehlende Mittel, wachsende Bürokratie – die Kritik der Bauern am Bund ist laut und deutlich. Die Schweizer Landwirtschaft stehe am Limit, berichtet der «Blick». Die Forderung: Es braucht endlich wieder wirksame Pflanzenschutzmittel.