
Kraut- und Knollenfäule: Resistenzen aus Wildkartoffeln nutzen
Die Kraut- und Knollenfäule zählt zu den gefährlichsten Kartoffelkrankheiten. Sie verursacht jedes Jahr schätzungsweise 20 Prozent Ernteeinbussen beim Kartoffelanbau. Sowohl in der Bio- wie auch in der konventionellen Landwirtschaft ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nötig, um grössere Verluste durch die Pilzkrankheit zu verhindern. Zur Reduktion der Pestizidmengen braucht es Forschung und Innovation. Mit der Agrarbiotechnologie lassen sich Kartoffeln mit einem Resistenzgen gegen die Krautfäule ausstatten. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln lässt sich auf ein Minimum reduzieren.
Montag, 6. Juli 2020
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Kraut- und Knollenfäule kann im Kartoffelbau verheerende Schäden anrichten.
- Mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln lässt sich die Pilzkrankheit meist gut kontrollieren.
- Eine Alternative wäre eine gegen den Erreger resistente Sorte.
Die Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) ist der schlimmste Feind der Kartoffel. Dabei handelt es sich um Eipilze, welche bei Kartoffeln die Krankheit verursachen. Der Erreger ist für seine äusserst rasche Ausbreitung und seine Flexibilität berüchtigt. Er besitzt die Fähigkeit, auf Bekämpfungsstrategien mit jeweils neuen Formen zu reagieren und ist daher nur schwer zu bekämpfen. Mitte des 19. Jahrhunderts vernichtete die Pilzkrankheit in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren fast die gesamte Kartoffelernte Irlands und verursachte eine Hungersnot historischen Ausmasses. Ungefähr eine Million Menschen verhungerten. Mehrere Millionen Iren emigrierten nach Australien oder Nordamerika.
Aufwendige Bekämpfung
Dank Fungiziden verursacht die Kraut- und Knollenfäule heute in Europa keine vergleichbaren Schäden mehr. Die Bekämpfung der Krankheit ist aber nach wie vor sehr aufwendig. Während Landwirten in der konventionellen Landwirtschaft ein breites Spektrum an modernen synthetischen Pflanzenschutzmitteln zur Verfügung steht, ist im Biolandbau als einzig wirksames Produkt nur das ebenfalls synthetisch hergestellte Kupfer zugelassen (die Wirkung anderer Produkte wie Molke, Gesteinsmehl oder Schachtelhalmextrakt ist sehr umstritten). Die Spritzabstände müssen insbesondere bei Bioprodukten sehr kurz gehalten werden. Bei feucht-warmer Witterung muss wöchentlich behandelt werden. Ohne Behandlung drohen grosse Ernteverluste. Gleichzeitig muss eine ressourceneffiziente Landwirtschaft den Einsatz an Pflanzenschutzmitteln so gering wie möglich halten. Um den Einsatz von Fungiziden deutlich reduzieren zu können, braucht es innovative Techniken.
Resistente Wildkartoffeln
Die Forschung beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Züchtung von Phytophthora-resistenten Kartoffeln. Eine erfolgreiche Lösung existiert bereits. Mittels molekularbiologischer Methoden können Resistenzgene aus Wildkartoffeln in bestehende Sorten eingefügt werden. Diverse Wildkartoffelarten besitzen natürliche Resistenzen gegenüber dem Erreger der Kraut- und Knollenfäule. Der Versuch, sie mit herkömmlichen Züchtungsmethoden in Kartoffelsorten einzukreuzen, blieb häufig erfolglos. Nach wenigen Jahren kehrte der mutierte Pilz zurück und durchbrach die resistenten Eigenschaften der Kartoffeln. Durch das Einkreuzen werden zudem auch immer unerwünschte Eigenschaften weitergegeben, die beispielsweise negative Auswirkungen auf den Geschmack haben können. Diese durch Rückkreuzungen wieder loszuwerden ist ein langwieriger Prozess.
Effiziente Agrarbiotechnologie
Wesentlich schneller geht es mit Biotechmethoden. Dabei lassen sich genau jene Gensequenzen aus Wildkartoffeln, die für die Übertragung und Ausprägung der Resistenzgene nötig sind, in bestehende Sorten einfügen. Die so entstehenden neuen Kartoffeln enthalten somit nur arteigene Gene und werden deshalb als cisgen bezeichnet. Bei Freilandversuchen in den Niederlanden sowie in Irland zeigte sich, dass alle Kartoffelsorten (mit einem oder mehreren Resistenzgenen ausgestattet) widerstandsfähiger gegenüber dem Erreger waren als die konventionellen Ausgangssorten. Kartoffeln mit drei kombinierten Resistenzgenen blieben bis Ende Saison vollkommen resistent. Mit dieser Methode und einem geeigneten Resistenzmanagement lassen sich bis zu 80 Prozent der Mengen an Fungiziden einsparen.
Chance für nachhaltige Landwirtschaft
Die Technik zur Herstellung Phytophthora-resistenter Kartoffeln ist vorhanden. Die Pflanzen sind verfügbar und haben sich in jahrelangen Feldversuchen in der Schweiz und dem restlichen Europa bewährt. Die Effizienz der Biotechmethode ist offensichtlich. Aufgrund des Gentech-Moratoriums in der Schweiz ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen jedoch verboten, obwohl damit grosse Mengen an Pflanzenschutzmitteln eingespart werden könnten. Das Beispiel verdeutlicht: Forschung und Entwicklung neuer Technologien sind der Schlüssel für eine ressourceneffizientere Landwirtschaft. Die Agrarbiotechnologie stellt deshalb eine grosse Chance für eine nachhaltigere Landwirtschaft dar. Technologieverbote nützen der Umwelt dagegen wenig.
Sources
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