
Kreislaufwirtschaft in der Nahrungsmittelproduktion
Wiederverwenden anstatt Wegwerfen: In vielen Wirtschaftszweigen gewinnt die Kreislaufwirtschaft an Bedeutung. Auch die landwirtschaftliche Produktion muss sich künftig vermehrt in Kreisläufen abspielen. Das gilt insbesondere für die Bodennutzung, Düngerherstellung und Futtermittelproduktion.
Dienstag, 10. Mai 2022
Die Kreislaufwirtschaft gewinnt in sämtlichen Industriezweigen immer mehr an Bedeutung. Die Erkenntnis, dass Wiederverwerten, Recyceln, Reparieren oder Wiederaufbereiten sowohl der Umwelt als auch der Ressourceneffizienz von Unternehmen dienen, hat sich durchgesetzt. Die Kreislaufwirtschaft grenzt sich vom linearen Produktionsmodell ab, bei dem Rohstoffe gewonnen, in Produkte verwandelt und schliesslich von den Konsumentinnen und Konsumenten gebraucht und weggeworfen werden. Anstatt der Natur immer neue Rohstoffe zu entreissen, die am Ende auf der Mülldeponie landen, setzt die Kreislaufwirtschaft auf eine möglichst lange – im besten Fall unbefristete – Lebensdauer von Rohstoffen und Produkten.
Boden nachhaltig nutzen und recyclen
Das Denken in Kreisläufen spielt auch in der Nahrungsmittelproduktion eine entscheidende Rolle. Das trifft insbesondere auf die endliche und für die landwirtschaftliche Produktion unverzichtbare Ressource Boden zu. Dieser hat in der Vergangenheit jedoch schwer gelitten. Klimawandel und ungeeignete Anbaumethoden haben in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass heute mehr als ein Drittel des kultivierbaren Bodens nicht mehr nutzbar ist. Die Gründe dafür sind vielfältig: Jahrzehntelange Überweidung, falscher Einsatz von Chemikalien und Düngemitteln oder der Anbau der immer selben Feldfrucht haben die Böden ausgelaugt.
Wenn die globale Landwirtschaft im Jahr 2050 fast zehn Milliarden Menschen ernähren will, darf sie die Ressource Boden nicht als «Wegwerfprodukt» betrachten. Es gilt den Boden durch eine gute Agrarpraxis so zu nutzen, dass er nicht degradiert und permanent im Produktionskreislauf der Landwirtschaft gehalten werden kann. Dies erfordert neben dem Wissen über nachhaltige Bodenbewirtschaftung auch wirtschaftliche Anreize. In vielen Regionen der Welt ist es kostengünstiger, neues Agrarland zu erschliessen als alte und ausgelaugte Böden wieder nutzbar zu machen. An einer Methode zum «Bodenrecycling» forscht derzeit die Firma Syngenta. In Brasilien arbeitet sie mit der Organisation «The Nature Conservancy» zusammen mit dem Ziel, eine Million Hektar degradierten Weidelandes zu rekultivieren. Damit kann auch Abholzung verhindert werden.
Phosphorrecycling
Um Auswirkungen auf Boden und Umwelt gering zu halten, ist ein sparsamer Umgang mit Düngemitteln angezeigt. Gleichzeitig sind organische und insbesondere mineralische Düngemittel für die Produktion von genügend Lebensmitteln unverzichtbar. Rund 40 Prozent der Nahrungsmittel basieren auf dem Haber-Bosch-Verfahren zur synthetischen Herstellung von Ammoniak. Ammoniak ist der Grundstoff vieler synthetischer Düngemittel. Ein unverzichtbarer Bestandteil vieler Düngemittel ist aber auch Phosphor. Phosphor ist für Pflanzen lebensnotwendig und wird von ihnen in Form von Phosphaten aufgenommen. Doch die weltweiten Phosphatreserven werden knapp. Bisher fehlt eine Alternative zum begrenzten Phosphatgestein. Forschende wollen in Zukunft Phosphat aus Klärschlamm zurückgewinnen, das dann zur Düngung von Äckern verwendet werden kann. Ein wichtiger Kreislauf wäre damit geschlossen.
Essensabfälle zurück in den Kreislauf
Ein grosses Effizienzproblem in der Lebensmittelkette ist der Food Waste. Gemäss einer Studie der ETH Zürich im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) fallen in der Schweiz über sämtliche Stufen der Lebensmittelkette jedes Jahr rund 330 Kilogramm Lebensmittelabfälle pro Person an. Die grössten Verursacher von Lebensmittelabfällen sind die Landwirtschaft (20 Prozent), die verarbeitende Industrie (35 Prozent) sowie die privaten Haushalte (28 Prozent). Die Zahlen belegen, dass auch Nahrungsmittel zu sehr als «Wegwerfartikel» betrachtet werden. Das ist einerseits ethisch und andererseits umwelttechnisch fragwürdig. Food Waste ist Ressourcenverschleiss. Boden, Arbeit, Wasser und Dünger wurden umsonst investiert.
Essensreste sollten möglichst vermieden werden. Doch ganz verhindern lässt sich Food Waste wohl nicht. Aber es gäbe Alternativen, um die Abfälle sinnvoll zu nutzen und im Kreislauf zu halten. Die Sendung «Leschs Kosmos» des «ZDF» zeigt, wie Essensreste wieder für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden könnten. Zum Beispiel mithilfe der Schwarzen Soldatenfliege. Sie ist einfach zu halten und frisst unsere Essensabfälle. Die Larven der Fliege könnten als proteinreiches Futtermittel für Nutztiere verwendet und somit wieder in den Kreislauf zurück eingespeist werden. Die Larven könnten den Zukauf von proteinhaltiger Soja aus Brasilien oder den USA ersetzen. «Die Essensreste von gestern hätten so eine Zukunft im Brathühnchen von morgen», resümiert die Sendung. Die Komplexität zeigt sich auch bei den Verpackungen. Plastikverpackungen im Lebensmittelhandel schützen Obst und Gemüse vor dem Verderb, sorgen aber auch für beträchtliche Mengen Müll. Gemeinsam mit der Empa hat Lidl Schweiz nun eine Schutzhülle für Obst und Gemüse entwickelt, die auf nachwachsenden Rohstoffen basiert.
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