
Landwirte demonstrieren gegen Pestizidbeschränkungen
In Frankreich haben Bauern zu einer grossen Demonstration aufgerufen. Mit Traktoren wird in Paris zwischen 8. und 20. Februar 2023 gegen das schleichende Verschwinden der französischen Agrarproduktion protestiert. Ihnen steht eine immer geringere Anzahl an Pestiziden zum Schutz ihrer Ernten zur Verfügung.
Mittwoch, 22. Februar 2023
Wie der französische «Figaro» berichtet, ziehen die Landwirte mit Traktoren und Bussen von der Porte de Versailles im Süden von Paris bis zur Esplanade des Invalides in der Nähe der Nationalversammlung und des Landwirtschaftsministeriums. Dass die Bauern beim Invalidendom Halt machen, ist kein Zufall. Dort befindet sich das Grab von Napoleon Bonaparte, der die Zuckerrübe von Polen nach Frankreich importiert hat, um Frankreich unabhängiger von Zucker zu machen.
Zuckerrüben gefährdet
Hintergrund des Protests ist ein Entscheid der französischen Regierung vom 23. Januar 2023, auf die Zulassung von Neonicotinoiden zu verzichten. Neonicotinoide sind Pflanzenschutzmittel, die auf das Saatgut aufgetragen werden und bei Zuckerrüben präventiv gegen die Viröse Vergilbung wirken. Dabei handelt es sich um eine Viruskrankheit, die immer wieder grosse Ernteausfälle bei Zuckerrüben verursacht. Die Neonicotinoide hatten in Frankreich für zwei Jahre eine Ausnahmebewilligung, die der Europäische Gerichtshof nun für rechtswidrig erklärte.
Produktion droht zu verschwinden
Das Thema Neonicotinoide ist indes nur die Spitze des Eisbergs. Vielen anderen Pflanzenschutzmitteln wurden in jüngster Vergangenheit ebenfalls die Zulassung entzogen. Darunter etwa das Insektizid Phosmet. Wenn es nicht mehr eingesetzt werden darf, ist gemäss Bauernvertreter der französische Kirschenanbau gefährdet. Auch ein Herbizid, das inbesondere beim Anbau von Chicorée zum Einsatz kommt, steht den Bauern nicht mehr zur Verfügung.
Die französischen Bauern warnen vor einer gefährlichen Entwicklung, in deren Folge immer grössere landwirtschaftliche Produktionszweige aus Frankreich verschwinden könnten. Die Landwirte erwarten von der Regierung eine deutliche Verbesserung der gegenwärtigen Situation. Ansonsten stehe auch die Ernährungssouveränität auf dem Spiel.
Ernährungssicherheit als europäische Herausforderung
Die Kritik des französischen Bauernverbands ist der Diskussion in Deutschland sehr ähnlich: Er ruft die Landwirte dazu auf, ein Zeichen gegen immer strengere Auflagen, regulatorische Zwänge und Verbote von Pflanzenschutzmittelanwendungen zu setzen. Wie in Deutschland wird bei den geplanten pauschalen Anwendungsverboten von Pflanzenschutzmitteln bemängelt, dass es keine Alternativen für die Ackerbauern gibt. Darüber hinaus wollen sich die Landwirte gegen die Preispolitik des Lebensmitteleinzelhandels wehren. Dabei warnt der französische Bauernverband vor zunehmenden Importen von Lebensmitteln, die unter geringeren Standards produziert wurden. Wie der «Schweizer Bauer» berichtet, demonstrierten auch in Belgien die Junglandwirte und Gartenbauer. Sie bekennen sich zu einer nachhaltigen Produktion, fühlen sich aber von der Regierung im Stich gelassen.
Auch Schweizer Landwirte betroffen
Auch für die Schweizer Landwirte spitzt sich die Situation zu: Für 2023 gibt es im Feldbau keine neuen Wirkstoffe, bloss neue Verkaufsbewilligungen für bestehende Produkte. Und viele Mittel werden sonderbewilligungspflichtig. Diese Einschränkungen fördern das Auftreten von Resistenzen. Das schreibt der «Schweizer Bauer» in seinem Dossier Pflanzenschutz in der Printausgabe vom 11. Februar 2023 und titelt: «Das Streichkonzert wird Folgen haben.» Auch swiss-food.ch hat über die weitere Verschärfung ab 2023 und den dramatischen Rückgang zugelassener Pflanzenschutzmittel in der Schweiz berichtet.
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