Mehr Agrobiodiversität dank Genom-Editierung

Mehr Agrobiodiversität dank Genom-Editierung

Fälschlicherweise wird häufig behauptet, dass neue Züchtungstechnologien wie Genom-Editierung die Vielfalt im Saatgutmarkt einschränken. Eine neue Untersuchung zeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Genom-Editierung fördert die Agrobiodiversität.

Donnerstag, 19. September 2024

Wenn es um Neue Züchtungstechnologien (NZT) geht, prägen falsche Erzählungen die Debatte. So beispielsweise die Behauptung, dass neue Züchtungstechnologien eine Konzentration auf wenige Unternehmen und Sorten im Saatgutbereich fördern. Nun hat der Verein «Forschung für Leben» einen Aufsatz publiziert, der entsprechende Aussagen faktenbasiert kontert.

Das Fazit: Neue Züchtungstechnologien schränken die Vielfalt im Saatgutmarkt nicht ein und erhöhen gar die Agrobiodiversität, wie der Autor Prof. Dr. Sebastian Soyk, Professor für Pflanzen-Molekularbiologie der Universität Lausanne, im Bericht schreibt. So komme die Genom-Editierung häufig zur Anwendung, um die Diversität an Nutzpflanzen zu erhöhen und deren Anpassungsfähigkeit zu stärken.

Gemäss Soyk stammt heute der Grossteil der weltweit verbrauchten Kalorien von nur einer Handvoll von Nutzpflanzenarten. Das macht die Ernährungssysteme anfällig – beispielsweise für Umweltveränderungen. Dank Genom-Editierung können vorteilhafte Eigenschaften von Wildpflanzen oder Eigenschaften von alten Nutzpflanzen, die bei der intensiven Züchtung über Generationen verloren gingen, wieder zugänglich gemacht werden.

Ein interessanter Ansatz ist dabei die sogenannte «De-novo-Domestizierung». Dabei werden gezielt Schlüsselgene der Domestizierung durch Genom-Editierung in Wildpflanzen verändert. So konnten durch die gezielte Mutation beispielsweise zahlreiche Merkmale wie Wuchsform, Fruchtgrösse, Blütenzahl und Nährstoffgehalt verbessert werden, ohne dass ihre Resistenz gegenüber Krankheiten verloren ging. Ähnliche Techniken wurden auch auf Reis angewendet, um ertragreichere und widerstandsfähigere Sorten zu züchten.


Uni Bern ermöglicht bessere Sorten für Kleinbauern

Ein vergleichbarer Ansatz wird bei sogenannten «Orphan Crops» angewendet. Dabei handelt es sich um Nutzpflanzen, die von der modernen Pflanzenzüchtung bisher wenig Beachtung erhalten haben und nur als Nischenkulturen angebaut wurden. «Orphan Crops» haben häufig eher niedrige Ansprüche, dafür kann deren Qualität und Produktivität stark schwanken. Genom-Editierung kann solchen Sorten auf die Sprünge helfen.

An entsprechenden Fragestellungen wird bereits fleissig geforscht: So arbeitet Prof. Zerihun Tadele der Universität Bern an der Verbesserung des «Orphan Crops» Tef. Dabei handelt es sich um ein in Äthiopien angebautes Grundnahrungsmittel. Das Projekt zielt darauf ab, die Produktivität und Widerstandsfähigkeit der Pflanze zu steigern. Insbesondere werden Probleme wie das Umknicken der Pflanze und geringe Erträge angegangen. Durch den Einsatz moderner Züchtungstechniken, wie Genom-Editierung, ist es dem Team gelungen, verbesserte Tef-Sorten auf den Markt zu bringen, die Kleinbauern zugutekommen und unter verschiedenen Umweltbedingungen eine bessere Leistung bieten.

Wie Prof. Dr. Sebastian Soyk weiter schreibt, gibt es auch in der Schweiz Nischenkulturen, bei denen der Ansatz Erfolg versprechend ist. So könnten beispielsweise Buchweizen oder Lupine zu einer Steigerung der Agrobiodiversität beitragen. Lupinen gewinnen gerade an Bedeutung im Bemühen um mehr Anbau von pflanzlichen Proteinen in der Schweiz. So ist die Lupine neben anderen alten Kulturen auch Bestandteil in einem neuen Forschungsprojekt von Agroscope «Ackerbau in Berggebieten» (2024–2026), mit dem die lokale Wertschöpfung mit traditionellen Sorten erhöht werden soll.

Das Team um den Lausanner Forscher Sebastian Soyk hat mithilfe von CRISPR/Cas eine Tomate gezüchtet, die weniger schnell vom Stängel abbricht. So wird verhindert, dass die Früchte zu früh auf den Boden fallen und verderben. Dieses und weitere Beispiele nützlicher Züchtungen für die Schweizer Landwirtschaft finden Sie im Artikel «Zehn Anwendungen neuer Züchtungstechnologien für die Schweiz».

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