Mit CRISPR/Cas9 gegen die Kraut- und Knollenfäule

Mit CRISPR/Cas9 gegen die Kraut- und Knollenfäule

Die Kraut- und Knollenfäule ist der grösste Feind der Kartoffelbauern. Bei feuchten Bedingungen breitet sie sich rasant aus und kann unbehandelt zu verheerenden Ernteausfällen führen. Die Nobelpreis-gekrönte Methode Crispr/Cas erlaubt nun die Züchtung von resistenten Sorten und könnte den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft reduzieren.

Montag, 23. August 2021

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Kraut- und Knollenfäule verursacht bei Kartoffeln massive Ernteausfälle.
  • Mithilfe der Genom-Editierung könnten bald gegen die Pilzkrankheit resistente Sorten gezüchtet werden.
  • Der grosse Vorteil: Es bräuchte massiv weniger Pflanzenschutzmittel.

Der aussergewöhnlich nasse Sommer 2021 begünstigt die Ausbreitung der Kraut- und Knollenfäule auf den Kartoffeläckern. Verursacher der weltweit wichtigsten Kartoffelkrankheit ist der Eipilz Phytophthora infestans. Seine Sporen benötigen feuchte Blattoberflächen, um zu keimen und die Pflanze zu infizieren. Die Sporen verbreiten sich über den Wind rasant und können innert kürzester Zeit ganze Felder befallen. Im letzten Jahrhundert führte die Kraut- und Knollenfäule zu Hungersnöten. Aufgrund der schnellen Verbreitung ist der Schutz der Kartoffeln für Landwirte auch in normalen Jahren eine Herausforderung.


Pflanzenschutzmittel wirken

Der konsequente Einsatz synthetischer Pflanzenschutzmittel (sowie Kupfer im Biolandbau) ist bisher die beste Option, um gegen den Krankheitserreger vorzugehen. Die Behandlung der Kartoffeln mit Pflanzenschutzmitteln hat aber auch Nachteile. Je nach Intensität des Befalls muss mehrmals gespritzt werden. Bei besonders nasser Witterung – wie diesen Sommer – können Landwirte zudem nicht mehr mit ihren Maschinen aufs Feld fahren. Eine Behandlung der Kartoffeln ist dann nicht mehr möglich. Bei Kupfer besteht zudem das Problem, dass es sich als Schwermetall im Boden anreichert und eine Gefahr für diverse Bodenlebewesen darstellt.

Aus diesen Gründen forschen Wissenschaftler schon seit längerer Zeit an Kartoffelsorten, die eine Resistenz gegen die Kraut- und Knollenfäule besitzen. Mit klassischen Züchtungsmethoden ist es jedoch nicht gelungen, Resistenzeigenschaften ohne den Verlust von anderen Merkmalen in bestehende Sorten einzukreuzen. Hingegen konnten Forscher mithilfe gentechnischer Methoden Resistenzgene aus Wildkartoffeln in etablierte Sorten einfügen. Die daraus resultierenden Kartoffeln erwiesen sich als nachhaltig resistent gegenüber Phytophthora infestans. Weil sie in Europa jedoch als genetisch veränderte Organismen (GVO) klassifiziert sind, ist ihr Anbau nicht möglich.


Resistenz dank Genschere

Eine neue Möglichkeit, Kartoffeln mit einer Resistenz gegenüber der Kraut- und Knollenfäule auszustatten, bietet die Genom-Editierung. Ein schwedisch-dänisches Forscherteam konnte Gene identifizieren, die Kartoffeln anfällig für den Pilzbefall machen (sogenannte «susceptibility genes» oder S-Gene). Mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 schnitten die Forscher die DNA der Kartoffeln an zwei Stellen, um ein dazwischenliegendes Teilstück zu entfernen. Die daraus entstandenen Sorten wiesen eine deutlich grössere Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Pilzerreger als die Ausgangssorten auf. Zudem scheinen sich andere Eigenschaften nicht verändert zu haben. Die Sorten müssen nun in Freisetzungsversuchen geprüft werden.

Das Abschalten von S-Genen mithilfe der Genom-Editierung ist für die Züchtung krankheitsresistenter Pflanzen eine grosse Chance. Denn im Gegensatz zu klassischen Züchtungsmethoden bleiben die günstigen Eigenschaften der Ausgangssorte erhalten – also zum Beispiel Geschmack, Aussehen, regelmässige Form, zarte und dennoch robuste Schale etc.. Die Genom-Editierung könnte somit zur Reduktion des Pestizideinsatzes beitragen. In der Schweiz und der EU gelten jedoch genomeditierte Pflanzen als GVO. Ihr Anbau ist verboten. Wenn die Schweiz jedoch anders als die zögerliche EU einen Schritt in Richtung einer nachhaltigen und ressourceneffizienten Landwirtschaft machen will, darf sie nicht länger auf innovative Technologien verzichten. Sie soll die Chance für die Landwirtschaft und für den Forschungsplatz packen und die präzise und kostengünstige Genschere auf keinen Fall unter das Gentech-Moratorium stellen. Denn Moratorien beschädigen Forscherkarrieren.

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