
«Patente auf technisch erzeugte Pflanzeneigenschaften machen absolut Sinn»
Dass der Bund für Pflanzen-Patente eine Clearingstelle einrichten will, stösst bei Scienceindustries auf Skepsis. Der gewählte Ansatz sei problematisch und führe für Patentinhaber zu Rechtsunsicherheit und Mehraufwand. Das ist schade, denn die Schweiz ist eigentlich Patent-Weltmeisterin.
Dienstag, 23. Juli 2024
Der Wirtschaftsverband scienceindustries ist besorgt. Grund dafür ist eine vom Bundesrat vorgeschlagene Clearingstelle für Patente im Bereich Pflanzenzüchtung. Der Mechanismus dahinter: Züchterinnen und Züchter melden der Stelle neue Sorten, worauf die Patentinhaber herausfinden müssen, ob die Sorte bereits von einem Patent betroffen ist oder nicht. Während sich der Bundesrat davon mehr Transparenz verspricht, steht Scienceindustries der Clearingstelle mehr als kritisch gegenüber. Das berichtet die «BauernZeitung» in ihrer neuesten Ausgabe. Die Regelung würde Patentinhaber ausbremsen und sei mit Rechtsunsicherheit und grossem Mehraufwand verbunden.
Jörg Beck, Leiter Ernährung und Agrar bei Scienceindustries, sagt in der «BauernZeitung», es sei für Patentinhaber kaum möglich, festzustellen, ob bei fremden Sorten mit eigenem patentierten Material gezüchtet wurde oder nicht. Dementsprechend zweifelt der Verband an der Realisierbarkeit der Clearingstelle. «Solche Massnahmen müssen umsetzbar, praktikabel und ausgewogen sein», stellt Jörg Beck klar.
Darum braucht es Patente
Doch weshalb braucht es überhaupt Pflanzen-Patente? Beck ist überzeugt: «Patente auf technisch erzeugte Pflanzeneigenschaften machen absolut Sinn». Ihm zufolge ist unser Wirtschafts- und Innovationssystem auf dem Patentschutz aufgebaut. Zudem würden Patente auch die Rahmenbedingungen für Innovationen schaffen, die letztlich den Landwirten, aber auch den Endkonsumenten zugutekommen. Beck, der neben seiner Tätigkeit bei Scienceindustries Landwirt ist, weiss, wovon er spricht. Als Beispiele für innovative Produkte, die auch in der Schweiz wünschbar wären, nennt er den tieferen Glutengehalt im Getreide oder Krautfäuleresistenz beim Kartoffelanbau. Besonders Zweiteres hätte sich diesen Sommer so mancher Bauer wohl gerne zu Nutze gemacht.
Neben dem Wirtschafts- und Innovationsgedanken spielt jedoch auch der Wettbewerb eine Rolle. Ohne Patentschutz könnte jedermann eine neue technisch erzeugte Pflanzeneigenschaft beliebig oft kopieren. «Das würde die Marktchancen für Erfindung und Entwicklung erheblich schmälern», so Beck.
Scienceindustries vertritt mit der Chemie, Pharma und Biotechnologie die mit Abstand exportstärkste Branche der Schweiz. Unternehmen können es sich nur leisten, in der teuren Schweiz zu forschen und für den globalen Markt zu produzieren, wenn ihre Innovationen durch Patente geschützt sind gegen die globale Konkurrenz aus Billiglohn-Ländern.
Keine Patente auf natürliche Eigenschaften
Angst davor haben, dass Patente auf Nutzpflanzen die Landwirte einschränken, muss man Beck zufolge keine haben. Wer alte Sorten mit traditionellen Methoden züchte, sei nie von Patenten betroffen. Die Patentierung von in der Natur vorkommenden Pflanzeneigenschaften sei laut Patentrecht verboten. Und die reguläre Patentlaufzeit ist stets auf 20 Jahre begrenzt – eine neue Erfindung ist nach diesen zwei Jahrzehnten nicht mehr geschützt. «Nur wer die neuesten Technologien in der Züchtung nutzen will, muss sich wie in jedem anderen technischen Bereich auskennen.»
Ob die vom Bund vorgeschlagene Clearingstelle schliesslich zu Stande kommt, wird sich zeigen. Das Vernehmlassungsverfahren dauert noch bis zu 12. September.
Die Schweiz ist Innovations-Weltmeisterin, kein anderes Land meldet pro Kopf so viele Patente an. Änderungen an einem derart vorteilhaften System für die Schweiz muss sich die Politik gut überlegen. Schliesslich verlangt unsere Regierung von ihren Handelspartnern einen starken Patentschutz zu respektieren (zuletzt etwa beim Freihandelsabkommen mit Indien). Ändert die Politik nun diese Haltung, riskieren wir eine der Stärken unserer Wirtschaft ohne Grund.
Scienceindustries betont, dass die Industrie bereit sei, Transparenz- und Lizenzierungsmassnahmen weiter zu stärken. Eine wirtschaftsfreundlichere Lösung sollte sich also auch im Bereich der Pflanzenzüchtungs-Patente finden lassen. Denn den Schweizer Unternehmen geht es vor allem um die globale Konkurrenz, und nicht darum Schweizer Landwirten gegenüber «das grosse Geld» zu machen. Klar ist aber: Falls Einschränkungen und Mehraufwände bei Patenten gegenüber dem Ausland bestehen, hat die privatwirtschaftliche Forschung und Entwicklung von neuen Züchtungstechnologien und Pflanzen-Eigenschaften in der Schweiz keine Zukunft.
Diese Plattformen zu Patenten existieren bereits
Transparenz ist wichtig für Innovation – genauso wie der Erfinderschutz. Patente sind per se nichts anderes als die Offenlegung des «Rezepts» der Erfindung, damit sie andere gegen eine Lizenzgebühr nutzen können. Daher ist Transparenz auch im Sinne der Industrie. Bereits hat die Branche auf europäischer Ebene mehrere, auch Schweizer Züchtern offenstehende Plattformen geschaffen, um die Transparenz im Bereich der Pflanzenzucht zu erhöhen:
- Die Europäische Datenbank «Patent Information and Transparency Online» (PINTO) von Euroseeds schafft Transparenz durch die Verknüpfung von Sortennamen und Patenten auf Methoden oder Pflanzeneigenschaften. Sie ist für jeden einsehbar und unentgeltlich.
- Im Bereich des Patentschutzes spezifisch für Ackerkulturen macht die digitale Lizenzierungsplattform «Agricultural Crop Licensing Platform» (ACLP) Patente leicht auffindbar und Erfindungen auch für kleine Züchter zugänglich. Mit wenigen Klicks kann ein Unternehmen über die Plattform nach «fairen» (FRAND) Bedingungen eine Lizenz anfragen und die Technologie dann für die eigenen Züchtungen anwenden.
- Im Bereich Gemüsesaatgut haben Familien- und Grossunternehmen zusammen die «International Licensing Platform Vegetable» (ILP-Vegetable) erschaffen, mit demselben Ziel.
Dieser vereinfachte Zugang zu Lizenzen erlaubt es, Innovation zu «boosten» und auf den Technologien anderer aufzubauen und gleichzeitig deren «return on investment» via Lizenzgebühren sicherzustellen. Darauf ist unsere Gesellschaft angewiesen.
Sources
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