Patente: Schweiz ist Spitzenreiterin
Die Anzahl Anmeldungen von Patenten ist ein wichtiger Indikator für die Innovationsfähigkeit eines Landes. Pro Kopf meldet kein anderes Land so viele Patente an wie die Schweiz. Auf ihre forschungsfreundlichen Rahmenbedingungen sollte die Schweiz auch in Zukunft achtgeben.
Freitag, 8. April 2022
Die Schweiz gilt seit längerer Zeit als Innovationsweltmeisterin. Auch in Pandemiezeiten kann sie ihren Spitzenplatz behaupten. Nachdem die Schweiz bereits im Oktober 2021 den ersten Platz beim Global Innovation Index belegte, zeigt sich ihre Innovationskraft auch im Bereich der Patentanmeldungen. Gemäss Rainer Osterwalder, Sprecher des Europäischen Patentamtes, hat die Schweiz über 8400 Patente angemeldet. Das seien so viele wie nie zuvor: «Die Schweiz steht ausgezeichnet da, ist insgesamt auf dem siebten Platz aller Anmelderländer und innerhalb Europas nach Deutschland und Frankreich auf Platz drei», so Osterwalder gegenüber dem «SRF». Relativ betrachtet ist die Schweiz Spitzenreiterin. Pro Kopf hat beim Europäischen Patentamt kein anderes Land mehr Patente angemeldet.
Zeugnisse des technischen Fortschritts und des langfristigen Denkens
Die grosse Patentdichte hat gemäss Osterwalder mit dem guten Schweizer Mix von beteiligten Akteuren zu tun: «Es ist eine gute Mischung aus grossen internationalen Firmen, kleinen innovativen Betrieben, Start-ups, aber auch sehr patentaktiven Universitäten und öffentlichen Forschungseinrichtungen.» Die Innovationsdichte deutet darauf hin, dass Schweizer Firmen und Forschungseinrichtungen längerfristig planen. Patente, so Osterwalder, deuten auf langfristige Interessen von Unternehmen und ihre Entwicklungen hin. Entgegen vielen Befürchtungen stellen Patente jedoch keine Behinderung des Fortschritts dar. Im Gegenteil. Eine Patentanmeldung schützt zwar eine Erfindung, doch macht sie sie gleichzeitig öffentlich. Wie «SRF» schreibt, stellen Patente somit auch Zeugnisse des technischen Fortschritts dar. Nach maximal 20 Jahren darf eine patentierte Erfindung auch von Dritten genutzt und vermarktet werden.
Lange Innovationsgeschichte
Neben dem guten Mix an in der Forschung beteiligten Akteuren hat die grosse Innovationsfähigkeit der Schweiz aber auch mit ihren wirtschaftlichen Grundstrukturen zu tun. So ist die Schweiz ein rohstoffarmes Land. Sie konnte nie Öl, Gas, Gold oder Stahl in bedeutendem Ausmass exportieren. Das Einzige, was sie exportieren konnte, waren Ideen. Eine innovative Chemie- und Pharmabranche entwickelte sich. Die synthetische Herstellung von Vitamin C ist eine Schweizer Errungenschaft. Ebenso die Erfindung von Valium oder dem ersten Antidepressivum. Daneben verfügt die Schweiz heute auch über eine der innovativsten Medizinaltechnikbranchen. Doch auch in anderen Bereichen war die Schweiz in den vergangenen zwei Jahrhunderten äusserst erfinderisch. «SRF Trend» hat eine Liste mit interessanten Schweizer Erfindungen erstellt:
Beispiele von Schweizer Erfindungen
- Computermaus
Erfinder: Logitech im Jahr 1985 - Zellophan
Erfinder: Jacques E. Brandenberger im Jahr 1908 - Stabmixer
Erfinder: Roger Perrinjaquet im Jahr 1950 - Doodle
Erfinder: Michael Näf im Jahr 2003 - Sparschäler
Erfinder: Alfred Neweczeral im Jahr 1947 - E-Gitarre
Erfinder: Adolph Rickenbacher im Jahr 1932 - Alufolie
Erfinder: Heinrich Alfred Gautschi im Jahr 1905 - Würfelzucker
Erfinder: Jacob Christoph Rad im Jahr 1843 - Tafelschokolade
Erfinder: Francois-Louis Cailler im Jahr 1819
Quelle: «SRF Trend»
Keine «Selbstverzwergung»
Bei aller Freude über die Innovationskraft der Schweiz: Sie darf sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Die «NZZ» warnt, dass die Schweiz gerade bei Zukunftstechnologien wie dem IT-Bereich schwächle. So schafften es die Bereiche Halbleiter, digitale Kommunikation und Computertechnik nicht in die Top-Ten der anmeldestärksten Technologiefelder. Schaffe es die Schweiz in den nächsten Jahren nicht, in diesen Bereichen zuzulegen, stelle dies eine Gefahr für den Standort dar, so die «NZZ».
Eine andere Gefahr für den Standort ist auch im Bereich der Technologieskepsis auszumachen. Technologieverbote wie in den Bereichen Kernkraft und neuen Züchtungstechnologien (CRISPR/Cas9), 5G-Skepsis oder die zunehmende Anwendung des Vorsorgeprinzips: Sie alle deuten auf eine sich verstärkende Technologie- und Fortschrittsfeindlichkeit hin. Innovation bedarf aber der Offenheit gegenüber sämtlichen Technologien. Anstatt pauschale Verbote auszusprechen, sollten Risiken gemanagt werden. Nur so kann die Schweiz ihre Innovationsfähigkeit bewahren. Die «Selbstverzwergung» der Schweiz – der freiwillige Verzicht auf fortschrittliche Technologien – ist kein vielversprechendes Zukunftsszenario.
Innovative Start-ups
Für die Innovation im Food-Bereich sind Patente ebenfalls notwendig. Hier zwei Beispiele von Schweizer Start-Ups, die nur dank patentierten innovativen Technologien in der Schweiz innovative Nahrungsmittel herstellen können:
Planted – Beliebter Fleischersatz aus der Schweiz
Die veganen Produkte des ETH-Spin-off Planted basieren auf Erbsen und sollen dem tierischen Original besonders nahekommen. In einem innovativen patentgeschützten Extruder-Verfahren werden aus pflanzlichem Material Fasern hergestellt, die denjenigen von tierischem Fleisch ähnlich sind. Von der Idee bis zum marktreifen Produkt hat Planted viel Zeit, Geld und Herzblut investiert. Und die Konkurrenz ist gross. Entsprechend hat sich das Start-up schon früh um Patentschutz gekümmert. 2021 wurde Planted zum Schweizer Start-up des Jahres gewählt und das kleine Unternehmen expandiert schnell.
Dieter Meiers «Oro de Cacao»
Auch die meist als traditionell wahrgenommene Schokoladeindustrie ist äusserst innovativ und nutzt Patente. Dieter Meiers Startup «Oro de Cacao» ist jung, aber ambitioniert dank neuer Technologie. «Finally unchaining cocoa» ist Oro de Cacao’s Mission. Das Unternehmen stellt mit einem in Zusammenarbeit mit der ZHAW entwickelten patentierten Extraktionsverfahren Schokolade mit niedrigerem Zuckergehalt und ohne Bitterkeit her. Es werden die Aromen genutzt, die in der Kakaobohne vorhanden sind.
EggField – das Ei vom Feld
Das 2022 gegründete Start-up EggField hat pflanzliche Ei-Alternativen entwickelt, die bei der Lebensmittelverarbeitung wie Eier schäumen, emulgieren, binden oder gelieren und dabei wie echt schmecken. EggField extrahiert Proteine und Stärke aus Hülsenfrüchten wie Gelb- und Kichererbsen, aus Kartoffeln, Mais und Tapioka und kann mit dieser Kombination die Ei-Eigenschaften abbilden. Sein Produkt und das Verfahren hat EggField zum Patent angemeldet. Ein weiteres Plus: EggField verwendet soweit möglich Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie, wie zum Beispiel Kichererbsenwasser und trägt damit zur Verhinderung von Food Waste bei.
Mehr zur Bedeutung von Patenten für Start-ups lesen Sie hier.
Weiterführende Infos zu Patenten
Sources
Ähnliche Artikel
«Patente auf technisch erzeugte Pflanzeneigenschaften machen absolut Sinn»
Dass der Bund für Pflanzen-Patente eine Clearingstelle einrichten will, stösst bei Scienceindustries auf Skepsis. Der gewählte Ansatz sei problematisch und führe für Patentinhaber zu Rechtsunsicherheit und Mehraufwand. Das ist schade, denn die Schweiz ist eigentlich Patent-Weltmeisterin.
«Die Schweiz ist das patentintensivste Land der Welt»
Patente schützen Innovation und gleichzeitig treiben sie Innovation an. Am Swiss-Food Talk vom 15. August 2023 diskutierten drei Innovations-Experten über die Bedeutung von Patenten für die Schweizer Wirtschaft.
Die wichtigsten Fakten
Patentschutz ist eine zwingende Voraussetzung für Forschung und Entwicklung, ein Fundament der Schweizer Wohlfahrt. Ohne Rechtsschutz fehlt die Grundlage für Investitionen in neue Technologien – ungeachtet des Fachgebiets.
Zentrale Antworten im Überblick
Patente stellen die Innovation in der Pflanzenzucht sicher. In Medien und Öffentlichkeit kursieren jedoch immer wieder Mythen und Missverständnisse zu Patenten im Saatgutbereich. Im folgenden Artikel finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.