«Patents on Seeds?!»

«Patents on Seeds?!»

Patente schaffen Transparenz über Erfindungen und ermöglichen deren Weiterentwicklung. Gerade für die forschungsintensive Schweiz sind Patente ein zentraler Baustein, um ein führender Innovationsstandort zu bleiben. Am swiss-food Talk vom 17. Mai sprachen drei Vertreter aus den Bereichen Forschung, Start-up und Industrie über die Gründe für und Bedeutung von Patenten, insbesondere in der Pflanzenzucht.

Donnerstag, 19. Mai 2022

Der Wissenschaft helfen Patente beim Transfer von Wissen in die Gesellschaft, damit es dort seinen Nutzen entfalten kann. Für Start-ups bieten Patente die notwendige Investitionssicherheit, die ihnen die Einführung eines Produkts oder einer Technologie am Markt ermöglicht. Grosse Unternehmen machen mit ihrer Reichweite Innovationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Im Gegenzug erhalten die Erfinder dank dem Innovationsschutz ein zeitlich beschränktes Recht zur Vermarktung. Zur Forschung und Entwicklung gehört auch die Patentrecherche. Die Transparenz vereinfacht die Weiterentwicklung bestehender Erfindungen. Im Saatgutbereich existieren dazu europaweit zugängliche Plattformen zur Information über existierende Patente und zur Aushandlung von Lizenzen.


Patente als Enabler

Michael Hengartner, Präsident des ETH-Rats, betont, dass der Wissenstransfer zu den zentralen Aufgaben einer Hochschule gehört und dass dieser signifikant zur Wirtschaftsentwicklung beitragen kann. Ein Weg dazu sind Patente, die an existierende Firmen oder an Spin-offs lizenziert werden und ihnen einen Schutz geben, so dass sie sich im Markt bewähren können. Ein Patent ist ein sozialer Vertrag zwischen Gesellschaft und Erfinder. Eine Innovation wird öffentlich zugänglich und der Erfinder erhält dafür ein zeitlich und geografisch limitiertes, exklusives Recht auf die Vermarktung seiner Erfindung. Oft wird im Zusammenhang mit neuen Züchtungstechnologien die Befürchtung geäussert, dass diese zu einer Patentflut führen. Das glaubt Professor Hengartner nicht. «Mit CRISPR ist es wie früher bei PCR-Techniken», sagt Hengartner. Die Anzahl Patente waren damals kein Problem. «Das Problem sehe ich heute auch bei CRISPR nicht. Die neuen Technologien sind viel eher ‹Enabler› als Hemmer. Sie werden die Innovation befeuern.»

Referat Michael Hengartner

Abgewandertes Know-how kehrt nicht zurück

Die Brücke von der Wissenschaft zur Entwicklung schlägt Roman Mazzotta, Länderpräsident Syngenta Schweiz und Leiter Rechtsabteilung Pflanzenschutz. Die forschende Industrie investiert jährlich Hunderte Millionen Franken, um mit ihrer Reichweite Innovationen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Patente garantierten den Unternehmen, dass sie für ihre grossen Investitionen entschädigt werden. Die kommerzielle Nutzung eines Patents durch Dritte bedarf in allen Branchen einer Lizenzvereinbarung. Im Saatgutbereich schaffen europaweit aktive Plattformen (PINTO, ILP-Vegetable, ACLP) mehr Transparenz, indem sie die Suche nach Patenten und die Aushandlung von Lizenzen vereinfachen. «Eine Patentrecherche gehört zum Geschäftsaufwand», so Mazzotta. Den Vorwurf, dass Unternehmen Patente auf Pflanzensorten registrieren könnten, lässt er nicht gelten: «Es gibt keine Patente auf ganze Sorten, sondern nur auf einzelne neue Eigenschaften von Pflanzen.» In Europa seien gerade mal 1,5 Prozent der vorhandenen Sorten von Patenten betroffen. Hingegen basieren mehr als 50 Prozent aller Produktivitätssteigerungen auf verbesserten Sorten. Neue Pflanzeneigenschaften sind forschungsintensiv und müssen deshalb geschützt werden. Dies gerade vor dem Hintergrund, dass der Klimawandel die globale Nahrungsmittelproduktion vor riesige Herausforderungen stellt. Es müssen deutlich mehr Nahrungsmittel mit weniger Ressourcen produziert werden. Doch vielversprechende Technologien wie CRISPR sind in der Schweiz und Europa verboten. «Forschung und Entwicklung findet dort statt, wo sie möglich ist. Wenn nicht in der Schweiz, dann in den USA, Australien oder Asien. Wandert dieses Know-how ab, kommt es nie mehr zurück.» Die Schweiz, so Mazzotta, müsse ihrem Forschungsstandort Sorge tragen. «Forschung und Entwicklung braucht Technologieoffenheit und Schutz des geistigen Eigentums.» Dazu gehöre auch, dass grosse wie kleine Firmen Patentfitness erwerben, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Denn Patentrechte gibt es überall auf der Welt.

Referat Roman Mazzotta

Universitäten verdienen an Patenten

Den Bogen zur Praxis schlägt Erich Bucher, Verwaltungsratspräsident von epibreed AG. Das Unternehmen ist ein Spin-off der Universität Basel. Es verfügt über die exklusiven Kommerzialisierungsrechte eines Patents im Besitz der Universität Basel. «Die Uni Basel verdient an unserem Patent mit. Wenn wir Geld verdienen, fliesst durch unser Geschäft Geld zurück in die Forschung», sagt Bucher. Das Patent bezieht sich auf eine bestimmte Methode zur Pflanzenzüchtung. Die unter dem Namen TEgenesis bekannte Methode ermöglicht die Züchtung von stressresistenteren Pflanzen. Bekannte Stressfaktoren sind Nässe, Hitze, Trockenheit, salzige Böden oder Schädlingsbefall. Der Methode liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Pflanzen lernfähig sind. Sie passen sich langfristig neuen Begebenheiten an. Ist eine Pflanze jedoch nur kurzzeitig einer veränderten Situation ausgesetzt, wird ein Lernblocker aktiviert. Die Pflanze verändert sich dadurch nicht. Mit TEgenesis kann der Lernblocker der Pflanze temporär umgangen werden. Sie lernt, sich schnell an neue Begebenheiten anzupassen. Die so gezüchteten Pflanzen benötigen aufgrund ihrer Resistenzen weniger Ressourcen wie Wasser oder Pflanzenschutzmittel. Doch TEgenesis fällt in der Schweiz unter das Gentechnikgesetz: «Solange unsere Erfindung nicht zugelassen ist, können wir das Patent nicht nutzen», sagt Bucher frustriert. Die Zeit für den Patentschutz läuft derweil weiter ab. Seine neuesten Erfindungen lässt er deshalb nicht mehr patentieren: «Unsere neuen Erfindungen halten wir geheim. Das ist bedauerlich, denn beim Geschäftsgeheimnis wird das Wissen im Gegensatz zum Weg übers Patent nicht veröffentlicht. Andere Firmen können somit nicht darauf aufbauen.»

Der Talk zeigte, dass von der ETH bis zum Start-up ein grosses Interesse an einem wirksamen Innovationsschutz besteht. Das gilt auch für den Agrarbereich. Patente stehen aber nicht in Konflikt mit traditioneller Pflanzenzüchtung. Daran wird sich auch nichts ändern. Durch die Notwendigkeit der schnelleren Anpassung von Pflanzen an den Klimawandel werden neue Technologien an Bedeutung gewinnen. Darum führt kaum ein Weg an mehr Patentfitness vorbei: Auch KMU müssen mit Patenten umgehen und die Vorteile des Systems für sich zu nutzen lernen.

Referat Erich Bucher

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