
Pestizide für öffentliche Gesundheit fundamental
Im vergangenen Jahrhundert ist die Lebenserwartung der Menschen um 30 Jahre gestiegen. Dies hat auch mit dem Einsatz von Pestiziden zu tun. Sie schützen uns in vielfältiger Weise vor Krankheiten und leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit.
Freitag, 15. Januar 2021
Das Wichtigste in Kürze
- Pestizide haben einen wesentlichen Anteil daran, dass die Lebenserwartung der Menschen im vergangenen Jahrhundert um 30 Jahre gestiegen ist.
- Sie schützen uns in vielfältiger Weise vor Krankheiten und Schädlingen und sorgen für Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit.
- Für die öffentliche Gesundheit sind Pestizide unverzichtbar.
Gründe für den signifikanten Anstieg unserer Lebenserwartung liegen laut S. Eliza Dunn von Bayer USA in der Entwicklung von Impfungen und Antibiotika, einer verbesserten Wasseraufbereitung und dem Einsatz von Pestiziden. Zu den Pestiziden gehören neben den Pflanzenschutzmitteln auch Biozide. Sie kommen als Desinfektionsmittel in der Lebensmittelverarbeitung und der Wasseraufbereitung zum Einsatz und gewährleisten die Lebensmittelsicherheit. Als Pflanzenschutzmittel sichern Pestizide Ernten und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit. Insektizide verhindern zudem die Übertragung von Krankheiten durch Insekten, wie zum Beispiel Malaria oder Dengue-Fieber.
Ernährungssicherheit
Wie wichtig Pestizide zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit sind, zeigt die Heuschreckenplage, die seit rund einem Jahr in Ostafrika, dem Mittleren Osten und Südasien wütet. Die Heuschrecken fallen über die Felder der Bauern her und fressen alles kahl. Was ein Schwarm in der Grösse von einem Quadratkilometer an einem Tag vertilgt, entspricht der Nahrungsmenge von 35'000 Menschen. Laut FAO ist die Ernährungssicherheit von 42 Millionen Menschen in den drei genannten Regionen akut bedroht. Die einzige Möglichkeit, um die Heuschreckenschwärme einigermassen in Schach zu halten, ist der Einsatz von Pestiziden mittels Hubschrauber und Flugzeugen.
Lebensmittelsicherheit
Pestizide schützen Pflanzen nicht nur vor Insektenfrass, sondern auch vor durch Insekten übertragene Krankheiten. Saugende Insekten wie zum Beispiel Blattläuse übertragen beim Einstechen in die Pflanze Krankheiten. So haben sie die sogenannte Viröse Vergilbung in die Zuckerrüben getragen und in der Schweiz für massive Ertragsrückgänge gesorgt Insekten tragen aber auch häufig Pilzsporen am Körper, die bei den Pflanzen zu Pilzbefall führen. Schimmelpilze können krebserregende Stoffe wie Aflatoxin auf den Pflanzen hinterlassen. Mit dem Einsatz von Insektiziden und Fungiziden kann verhindert werden, dass toxische Stoffe in die Nahrung gelangen. Herbizide verhindern zudem, dass giftige Unkräuter mitgeerntet werden. Vor zwei Jahren mussten in Frankreich grosse Mengen an grünen Bohnen zurückgerufen werden, weil gleichzeitig Gemeiner Stechapfel (Datura stramonium) mitgeerntet wurde. Das Gift der Pflanze kann zu Delirien, Halluzinationen und Herzattacken führen.
Auch Listerien bedrohen die Lebensmittelsicherheit und damit die Gesundheit der Menschen. Erst kürzlich wurden sie in verschiedenen Fertigsalaten in der Schweiz gefunden, was das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) zu einer öffentlichen Warnung und einem dringenden Rückruf veranlasste. Professorin Gantenbein-Demarchi von der ZHAW sagt gegenüber «20 Minuten», dass Listerien im Fertigsalat auf ein Hygieneproblem bei der Herstellung hindeuten. Grundsätzlich ist eine gute Hygiene im Verarbeitungsbetrieb entscheidend, da Listerien extrem widerstandsfähig sind. Bestimmte Listerien haben sogar Resistenzen gegenüber Desinfektionsmitteln entwickelt.
Wasserpfützen und feuchte Stellen auf Fussböden sind gute Nährböden für Listerien. Ein ebenfalls bevorzugter Nistplatz ist der Abfluss. Dieser muss einwandfrei funktionieren, damit es nirgends zu Ablagerungen kommt. Der Betrieb muss trocken gehalten werden. Als Übertragungswege vom Boden kommen unter anderem Schuhe, Geräte und Räder von Rollwagen sowie Reinigungsgeräte infrage. Das regelmässige Reinigen und Desinfizieren von Fussböden ist deshalb unerlässlich. Um Listerienkontaminationen bei der Lebensmittelverarbeitung zu verhindern, sollten hygienisch konzipierte Verarbeitungsgeräte verwendet werden, die leicht zu reinigen sind. Fazit: Biozide in Form von Desinfektionsmitteln spielen bei der Vorbeugung von Listerienkontaminationen eine entscheidende Rolle.
Krankheitsübertragende Insekten
Gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jedes Jahr mehr als 700'000 Menschen an Krankheiten, die durch Insekten übertragen werden. Im Jahr 2019 sind über 400'000 Menschen an Malaria gestorben. Die Krankheit wird durch Stechmücken übertragen. Wenige Monate vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie kam es in Pakistan zu einem der heftigsten Ausbrüche von Dengue-Fieber, den das Land je gesehen hat. Auch das Dengue-Fieber wird durch einen Virus ausgelöst, der von Moskitos übertragen wird. Gegen die Verbreitung von Dengue und Malaria helfen Insektizide. Ein Wirkstoff von Syngenta zum Beispiel, der ursprünglich als Pflanzenschutzmittel diente, hat in bestimmten afrikanischen Regionen zu einer Abnahme der Malariafälle von bis zu 60 Prozent geführt. Insektizide, die entweder auf die Mückenschutznetze oder die Innenseiten der Hauswände appliziert werden und so bewirken, dass die Mücken beim Niederlassen den Wirkstoff aufnehmen und sterben, sind eine erfolgreiche Ergänzung der Malaria-Prophylaxe mit Medikamenten.
Und sie bleiben wichtig, denn wie die «NZZ am Sonntag» meldet, sind gewisse Erreger der Krankheit – einzellige Parasiten – gegen Medikamente resistent geworden. Verantwortlich dafür sind Mutationen im Genom der Parasiten. Forschende der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) haben jetzt eine neue solche Genveränderung nachgewiesen («Plos Genetics»). Die Entdeckung soll es ermöglichen, Resistenzen besser und früher zu erkennen und die medizinische Behandlung entsprechend anzupassen. Forschung in allen Bereichen bleibt wichtig, denn die Natur findet immer Wege, sich anzupassen.
Pflanzenschutz ist zivilisationstragende Technologie
Auch für Professor Andreas von Tiedemann von der Universität Göttingen ist klar: «Moderner Pflanzenschutz ist erforderlich zur Sicherung eines Grundbedürfnisses der Menschheit und damit eine zivilisationstragende Technologie, vergleichbar mit der Medizin und den Technologien für Mobilität, Energie und Kommunikation.». Hier geht es zu seinem sehenswerten Vortrag.
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