Pflanzenzüchtung für eine ressourceneffiziente Landwirtschaft

Pflanzenzüchtung für eine ressourceneffiziente Landwirtschaft

Klimawandel, Schädlinge, Bevölkerungswachstum und knapper werdende Ressourcen stellen die weltweite Landwirtschaft vor riesige Herausforderungen. Um ausreichend Nahrungsmittel möglichst umweltschonend herstellen zu können, braucht es immer robustere Pflanzensorten. Die Pflanzenzüchtung ist deshalb ein entscheidender Forschungsbereich für eine ressourceneffiziente und nachhaltige Landwirtschaft. Ein Faktenblatt der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) stellt vier wichtige Züchtungsmethoden vor.

Donnerstag, 11. Juni 2020

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die globale landwirtschaftliche Produktion muss langfristig mit dem Bevölkerungswachstum mithalten können.
  • Klimawandel und zunehmender Schädlingsdruck erschweren diese Aufgabe.
  • Die Züchtung neuer Pflanzensorten mit angepassten Eigenschaften muss vorangetrieben werden.

Das Faktenblatt leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der verschiedenen Züchtungsarten. Genom-Editierung hat im Pflanzenschutz ein grosses Potential. Die eigenen Abwehrkräfte von Pflanzen gegen Schädlinge und Pilze können gezielt gestärkt werden. Damit sinkt auch der Bedarf an Pestiziden. Aus Sicht der forschenden Industrie macht es keinen Sinn, den Anbau von mit Genom-Editierung optimierten Pflanzen weiter zu verbieten. Angesichts des grossen Potentials für eine nachhaltige Landwirtschaft ist die rechtliche Gleichsetzung von Genom-Editierung mit klassischer Gentechnik möglichst rasch zu beseitigen.


In drei Schritten zur neuen Sorte

Pflanzenzüchtung funktioniert unabhängig von der Kulturpflanzenart und den Zuchtzielen im Prinzip immer gleich. In einem ersten Schritt geht es darum, die genetische Vielfalt zu erweitern. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Erwünschte genetische Eigenschaften können bei bestehenden Wild- und Kulturpflanzen gesucht werden und per Kreuzung in eine andere Sorte eingebracht werden. Auch zufällige Mutationen tragen zur Erweiterung der genetischen Vielfalt bei und können bei der Züchtung genutzt werden. Mit neuen Verfahren lassen sich Genvarianten jedoch auch künstlich erzeugen, in Pflanzen einfügen oder gezielt verändern. In einem zweiten Schritt werden Pflanzen mit den erwünschten Eigenschaften selektioniert und unter kontrollierten Bedingungen angepflanzt, geprüft und optimiert. Am Ende dieses Prozesses entstehen neue Sortenkandidaten, die für den Anbau in Frage kommen. Nach langjähriger Prüfung werden die Sortenkandidaten in einem dritten Schritt beim Bundesamt für Landwirtschaft zur Zulassung und Aufnahme in den Sortenkatalog angemeldet. Die Voraussetzungen dafür sind, dass die Sorten sich von anderen unterscheiden, homogen und genetisch stabil sind. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Züchtungsmethoden laufend verändert und weiterentwickelt. Die folgenden vier Methoden gelten heute als besonders wichtig.

Vier wichtige Methoden bei der Pflanzenzüchtung (SCNAT).

1. Kreuzungszüchtung (Klassische Kreuzung)

Bei der klassischen Kreuzung werden bestehende Genvarianten neu kombiniert. Eine erwünschte Eigenschaft – beispielsweise eine Resistenz gegen eine bestimmte Krankheit – wird von einer Wild- oder Kulturpflanze in eine bestehende Pflanzensorte eingekreuzt. Weil durch die Kreuzung nicht nur die erwünschten Eigenschaften an die Nachkommen weitergegeben werden ist zur Optimierung die Rückkreuzung mit der bestehenden Sorte nötig. Dies ist in der Regel sehr zeitintensiv. Nach dem Prüfungsprozess durch die Behörden, kann die Sorte in den Sortenkatalog aufgenommen und angebaut werden.


2. Mutationszüchtung

Bei der Mutationszüchtung werden neue Genvarianten künstlich erzeugt. Mittels Chemikalien oder Bestrahlung werden zufällige Genmutationen erzeugt. Neben erwünschten Mutationen kommt es aber auch hier zu einer Vielzahl unerwünschter Gen-Mutationen. Deshalb müssen ausgewählte Nachkommen dieser Pflanzen durch Rückkreuzung von den unerwünschten Veränderungen befreit werden. Auch das dauert sehr lange. Erfüllt die Sorte die nötigen Kriterien wird sie in den Sortenkatalog aufgenommen und kann angepflanzt werden.


3. Klassische Gentechnik

Bei der klassischen Gentechnik werden in eine Pflanze Gene einer anderen Art (transgen) oder der gleichen Art (cisgen) eingebaut. Ein neues Gen wird dabei an einer zufälligen Stelle im Erbgut einfügt. Dabei kann es zu unerwünschten Mutationen kommen. Ausgewählte Nachkommen werden dann durch Rückkreuzung von nicht erwünschten Eigenschaften befreit und optimiert. Dieser Vorgang ist im Vergleich mit der klassischen Kreuzung und der Mutationszüchtung häufig weniger zeitintensiv. In der Schweiz ist der Anbau von genetisch veränderten Pflanzen aufgrund eines Moratoriums aus dem Jahr 2005 verboten. Deshalb erhalten Pflanzen, die durch klassische Gentechnik verändert wurden im Moment keine Anbaugenehmigung.


4. Genom-Editierung

Genom-Editierung erlaubt die gezielte Veränderung von bestimmten Genen einer Pflanze. Mit sogenannten Genscheren (z.B. CRISPR/Cas9) kann das Erbgut an einer vorbestimmten Stelle geschnitten werden. Dadurch können Pflanzen-Gene präzise inaktiviert werden. Gene lassen sich mit der Methode jedoch auch umschreiben oder ganz neu einfügen (transgen oder cisgen). Weil das Verfahren so zielgenau ist, kommt es im restlichen Erbgut kaum zu unerwünschten Mutationen. Rückkreuzungen sind nur in seltenen Fällen nötig. Die Methode beschleunigt deshalb die Züchtung neuer Sorten und ist sehr effizient. Wie bei der klassischen Gentechnik ist jedoch auch der Anbau von mit Genom-Editierung veränderten Pflanzen in der Schweiz vorläufig verboten.

Ressourceneffizienz

Ressourceneffizienz bedeutet die effiziente Nutzung von technisch-wirtschaftlichen und natürlichen Ressourcen. Sie wird definiert als «das Verhältnis eines bestimmten Nutzens oder Ergebnisses zum dafür nötigen Ressourceneinsatz». Ressourceneffiziente landwirtschaftliche Produktion strebt eine Optimierung des Ernteertrags unter Verwendung von möglichst wenigen Produktionsmitteln (wie Arbeit, Finanzen, Energie, Land, Wasser, Dünger oder Pflanzenschutzmitteln) und geringstmöglichem Druck auf natürliche Ressourcen (Wasser, Boden, Biodiversität, Luft inkl. Klima) bei möglichst grossem und qualitativ hochstehendem Ertrag an.

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