Präzisionszüchtung: England erlaubt den Anbau von genomeditierten Nutzpflanzen

Präzisionszüchtung: England erlaubt den Anbau von genomeditierten Nutzpflanzen

Eine Gesetzesänderung ermöglicht in England die kommerzielle Nutzung neuer Züchtungstechnologien. Diese waren bis anhin nach denselben restriktiven Regeln wie in der EU reguliert. Aufgrund der neuen Gesetzgebung dürfen englische Landwirte jetzt Pflanzen anbauen, die mittels Genom-Editierung gezüchtet wurden. Englands Landwirte bekommen damit ein neues Instrument im Kampf gegen den Klimawandel und für eine nachhaltigere Landwirtschaft.

Dienstag, 4. April 2023

Die «BBC» berichtet über neue Züchtungstechnologien in England. Mit dem «Precision Breeding Act» macht England einen gewaltigen Schritt in die Zukunft. Neue Züchtungstechnologien (NZT) wie etwa die Genom-Editierung sind per 23. März 2023 für die kommerzielle Nutzung freigegeben. Unter der Genom-Editierung versteht man biotechnologische Verfahren, mit denen Wissenschaftler die DNA einer Pflanze so präzise wie nie zuvor bearbeiten können. Bekanntestes Beispiel ist die nobelpreisgekrönte CRISPR/Cas-Technologie.

Mit dem Verfahren ist es möglich, im Genom einer Pflanze exakt die richtige Stelle anzusteuern und den DNA-Doppelstrang zu zerschneiden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Präzisionszüchtung oder von einer «Genschere». Die Präzisionszüchtung eröffnet neue Perspektiven für die raschere Entwicklung widerstandsfähigerer Pflanzen. Bisher standen Bio- wie konventionellen Züchtern nur die ungenauen und langsameren Methoden mittels radioaktiver Bestrahlung oder chemischer Behandlung zur Verfügung.

Britische Forschende jubeln

Forscher des National Institute of Agricultural Botany (NIAB) und des Forschungszentrums Rothamsted begrüssen die Gesetzesänderung. Das neue Gesetz werde es wesentlich vereinfachen, verbesserte Kulturpflanzen auf dem Feld zu testen – und es wird damit auch die Forschung erheblich beschleunigen. Professor Karp von der Universität Rothamstead spannt die Brücke zur Medizin: «Wir haben bereits gesehen, welche enormen Vorteile die Genom-Editierung in Bereichen wie der Medizin mit sich bringt – jetzt ist es an der Zeit, die gleiche Art von Innovation mit einer verantwortungsvollen Regulierung auf unsere Lebensmittelproduktion anzuwenden.» Die Forschenden betonen auch, dass neben England bereits viele Länder der Welt eigene Regeln für Organismen kennen, die mit Genome Editing gezüchtet wurden, darunter Australien, Kanada, Japan, Brasilien und Argentinien.

Transgene Nutzung bleibt verboten

In Pflanzengenen kommt es ständig auf natürliche und spontane Art und Weise zu Mutationen. Das sind kleine Veränderungen im Erbgut, die der Pflanze manchmal vorteilhafte Eigenschaften – zum Beispiel eine Resistenz gegen eine bestimmte Krankheit – verleihen. Mit der Genom-Editierung ist es möglich, punktgenaue Mutationen gezielt zu erzeugen, die genauso gut spontan hätten auftreten können. Der «Precision Breeding Act» erlaubt denn auch nur die Nutzung von cisgenen Pflanzen. Das heisst, es werden nur Pflanzen für den Anbau zugelassen, bei denen arteigene Gene eingebracht oder Gene entfernt wurden. Sogenannt transgene Pflanzen, die mit artfremden Genen ausgestattet sind, bleiben dagegen verboten.


Bessere Versorgungssicherheit

Grossbritannien gehört zu den führenden Nationen im Bereich der Pflanzenzüchtung. Bis anhin konnte das Potenzial der Forschung jedoch aufgrund der Gesetzesrestriktionen nicht ausgeschöpft werden. Das soll sich nun ändern. Und das ist gemäss Professor Mario Caccamo vom National Institute of Agricultural Botany auch dringend nötig. Er erinnert an die gegenwärtigen Herausforderungen der Landwirtschaft. Gegenüber der «BBC» sagt er: «Die traditionellen Züchtungsmethoden reichen nicht aus, um mit der wachsenden Weltbevölkerung Schritt zu halten (...) Die Prognosen zeigen, dass wir die Ernten drastisch steigern müssen. Sonst werden wir Schwierigkeiten haben, die Welt zu ernähren.» (Übersetzung durch swiss-food.ch).

Dass die Welt dazu alle Technologien brauchen wird, unterstützt auch der «Agricultural Outlook 2022-31» der FAO und OECD. Dieser setzt die Notwendigkeit steigender Ernten zudem in den Kontext des Pariser Klima-Abkommens. Um das Null-Hunger-Ziel zu erreichen und gleichzeitig die landwirtschaftlichen Emissionen auf Kurs zu halten, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, müsste die durchschnittliche weltweite landwirtschaftliche Produktivität im nächsten Jahrzehnt gemäss FAO und OECD um 28 Prozent steigen. Das ist mehr als das Dreifache des im letzten Jahrzehnt verzeichneten Anstiegs.


Instrument gegen den Klimawandel

Wie die «BBC» berichtet, sind die neuen Züchtungstechnologien auch eine Chance, um Pflanzen robuster gegenüber dem Klimawandel zu machen. Hitze und Trockenheit nehmen auch in den gemässigten Zonen zu. Die Anbaubedingungen erschweren sich. Die Präzisionszüchtung erlaubt die Züchtung neuer, an den Klimawandel angepasster Pflanzensorten in viel kürzerer Zeit als mit herkömmlichen Züchtungsmethoden. Am National Institute of Agricultural Botany werden beispielsweise mittels konventioneller Züchtungsmethoden (zum Beispiel durch Kreuzzüchtung) neue Sorten geschaffen. Doch das dauert in der Regel zehn bis 15 Jahre. Der Prozess dauert zu lange, um schnelle Züchtungserfolge unter den erschwerten Bedingungen durch den Klimawandel zu erzielen und die Ernteerträge deutlich steigern zu können.

Potenzial neuer Züchtungsmethoden für die Schweiz

Der Klimawandel macht die Anbaubedingungen auch für Schweizer Landwirte schwieriger. Auch sie benötigen neue Tools, um auch in Zukunft die Produktivität hochhalten zu können. Neue Pflanzensorten sind dafür unabdingbar. Die folgenden zehn Beispiele zeigen, dass neue Züchtungsmethoden auch für Schweizer Landwirte attraktiv sind.

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