
Robustere Pflanzen, weniger Pflanzenschutzmittel
Das Gentech-Moratorium soll in der Schweiz um weitere vier Jahre verlängert werden. Das hat der Bundesrat Ende Juni bekanntgegeben. Vom Moratorium betroffen sind auch neue Züchtungsmethoden wie die Genom-Editierung. Obwohl sie einen entscheidenden Beitrag zu einer umweltfreundlicheren Landwirtschaft leisten könnten. Verliererinnen sind Umwelt und Wissenschaft.
Mittwoch, 15. September 2021
«Die Schweiz plagt ihre Pflanzen», schreibt Beat Gygi in der «Weltwoche». Hintergrund ist die vom Bundesrat geplante Verlängerung des Gentech-Moratoriums um weitere vier Jahre. Weder von Seiten der Konsumenten noch von der Landwirtschaft, so die Begründung des Bundesrats, bestünde ein Interesse an der Aufhebung. Vom Verbot ausgenommen ist einzig die kleine, abgeriegelte Testfläche der Forschungsanstalt Agroscope in Reckenholz. Dort ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zu Forschungszwecken erlaubt. Und die Forschung ist sich einig: Gentechnische Verfahren machen die Landwirtschaft effizienter und nachhaltiger.
Resistenz gegen Kraut- und Knollenfäule
Durch die Züchtung krankheitsresistenter Kulturpflanzen mittels gentechnischer Verfahren könnte die Landwirtschaft erheblich Pflanzenschutzmittel einsparen. Und Pflanzen mit grösserer Toleranz gegenüber Hitze und Trockenheit benötigen weniger Wasser. Die Beispiele sind keine Fiktion. Gemäss Susanne Brunner, Leiterin der Forschungseinrichtung in Reckenholz, wurden erfolgreiche Versuche mit Krautfäule-resistenten Kartoffeln durchgeführt. Mithilfe eines biotechnologischen Verfahrens haben die Forscher ein Resistenzgen aus einer Wildkartoffel in die Sorte eingefügt: «Vier Jahre haben wir in den Versuchen die Kartoffeln unter höchsten Krankheitsdruck gesetzt, immer für Feuchtigkeit gesorgt, bewässert, den Pilzbefall maximiert», sagt Brunner gegenüber der «Weltwoche». Das Resultat: Die Kartoffeln waren gegen den Pilzbefall weitgehend resistent.
Wissenschaft und Umwelt verlieren
Gemäss Bruno Studer, Professor für Molekulare Pflanzenzüchtung an der ETH Zürich, müssen Pflanzen in Zukunft «genetisch fitter» werden. Denn durch den Klimawandel werden Schädlingsdruck, Hitzeperioden und Trockenheit zunehmen. Neue biotechnologische Verfahren wie die Genom-Editierung mit der Genschere CRISPR/Cas9 spielen diesbezüglich eine entscheidende Rolle. Ihre Anwendung ist präziser, einfacher und kostengünstiger als frühere gentechnologische Methoden. Mit einer «Genschere» (CRISPR/Cas9) lassen sich bestimmte Gene so zielgenau wie nie zuvor abschalten oder auswechseln. Viele dieser Veränderungen können nicht von spontanen und natürlich auftretenden Mutationen unterschieden werden. Die Züchtung einer neuen Pflanzensorte ist weniger zeitintensiv und erlaubt es Landwirten, schneller auf sich verändernde Umweltfaktoren zu reagieren.
Nun möchte der Bundesrat auch die Genom-Editierung unter das Gentech-Moratorium stellen. Grosse Verliererin ist neben den Landwirten die Wissenschaft: «Mit dem Moratorium haben wir keine Chance, dies im Anbau anzuwenden. Unsere Grundlagenforschung mischt an der Weltspitze mit, aber in der angewandten Forschung können wir nur beobachten», sagt Susanne Brunner. Doch Forschung braucht einen Markt und der Markt braucht die Forschung. Und Nähe zwischen Markt und Forschung ist ein Wettbewerbsvorteil. Grosse Verliererin ist aber auch die Umwelt. Die Möglichkeit, für die Ernährung wichtige, aber krankheits- und insektenanfällige Pflanzensorten effizient zu ersetzen, bleibt ungenutzt.
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