Schleichende Bedrohung der Lebensmittelsicherheit
Kürzlich hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) vor einem Giftstoff gewarnt, der natürlicherweise in Schimmelpilzen vorkommt. Das sog. Ochratoxin A ist krebserregend und genotoxisch. Vom Konsum der betroffenen Produkte wurde abgeraten und zur Vernichtung der gekauften Packungen aufgerufen. Kontrollen haben den Fall offengelegt, doch die Lebensmittelsicherheit ist durch Verunreinigung generell in Gefahr. Besonders gefährlich sind krebserregende Mykotoxine.
Montag, 6. Juli 2020
Das Wichtigste in Kürze:
- Sichere und gesunde Lebensmittel sind auch in der Schweiz keine Selbstverständlichkeit.
- Immer wieder kommt es zu Verunreinigungen mit Listerien oder Noroviren.
- Besonders gefährlich sind sogenannte Mykotoxine. Das sind Schimmelpilze, die krebserregend sind.
Die Nachricht muss für viele Eltern, die mit dem Kauf von Bioprodukten nur das Beste für ihre Kinder wollten, ein grosser Schock gewesen sein. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat vor Enterobakterien in Bimbosan Getreidekost «Bio-Hosana» gewarnt. Der Biobrei kann die Gesundheit der Kinder gefährden. Das Problem für die Konsumentinnen und Konsumenten ist, dass sie den Herstellern blind vertrauen müssen. Die Verunreinigungen sind für nicht von blossem Auge erkennbar. Bio-Bimbosan ist jedoch kein Einzelfall. Immer wieder kommt es zu Verunreinigungen durch Lebensmittel. Und das BLV warnt dann vor Listerien im Käse oder Noroviren in Muscheln. Die Lebensmittelsicherheit ist in Gefahr. Besonders gefährlich sind Mykotoxine. Das sind Pilzgifte, die zum Beispiel Getreide oder Nüsse befallen.
Schimmelpilze verursachen viele Leberkrebstote
Eines der gefährlichsten Pilzgifte ist Aflatoxin. Es kommt in Schimmelpilzen vor. Laut dem Consumer Choice Center gehen in Europa allein jedes Jahr Zentausende von Leberkrebstoten auf die Vergiftung mit Mykotoxinen zurück. In Entwicklungsländern ist das Problem noch viel grösser. Experten gehen davon aus, dass die Folgen durch die Vergiftung mit Aflatoxinen tödlicher ist als Malaria und Tuberkulose. Rund 40 Prozent der Leberkrebstoten in Afrika stünden in Zusammenhang mit der Einnahme von Aflatoxinen.
Grosse Verbreitung von Pilzgiften
Gefährliche Schimmelpilze können sich sowohl vor als auch nach der Ernte ausbreiten, wenn auf adäquaten Pflanzenschutz mit Fungiziden verzichtet wird. Kürzlich mussten in Kenia laut Consumer Choice Center vier Millionen Maissäcke vernichtet werden, weil eine Verunreinigung mit Mykotoxinen festgestellt wurde. Oft bleiben die Kontaminationen jedoch unbemerkt und landen mit verheerender Wirkung in der Nahrungskette. Gefährdet sind auch Milchprodukte, wenn Futtermittel verunreinigt sind. Die Verbreitung der Schimmelpilze wird durch feuchtwarmes Klima, Schäden durch Insekten und nicht fachgerechte Lagerung gefördert. Die Pilzgifte werden in ganz unterschiedlichen Produkten gefunden. Das Spektrum reicht von Weizen über Pistazien, Haselnüssen, Gewürzmischungen bis zu Wassermelonen. Der Einsatz von Fungiziden kann die Verbreitung der Schimmelpilze verhindern. Sie können das Wachstum der Pilze sowohl auf dem Feld als auch in der Lagerhalle stoppen und die Vergiftungsgefahr abwenden. Auf der Grundlage neuerer wissenschaftlicher Studien ist gemäss dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zukünftig mit höheren Mykotoxingehalten in Lebensmitteln, aber auch mit dem Aufkommen neuer Mykotoxine oder neuer Kombinationen von Mykotoxinen/Lebensmitteln zu rechnen. Veränderte landwirtschaftliche Methoden können auch einen Einfluss auf das Vorkommen von Mykotoxinen in Lebensmitteln haben.
Fungizide bekämpfen Mykotoxine wirksam
Aus Sicht der Lebensmittelsicherheit und der Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten ist es unverantwortlich, auf Fungizide zu verzichten, solange nicht alternative Technologien wie Gen-Editierung zur Verfügung stehen. Mit Gen-Editierung können die Abwehrmechanismen von Pflanzen gegen Schimmelpilzbefall gestärkt werden. Wer jedoch auf den Einsatz von Fungiziden ohne Alternative verzichtet, gefährdet Menschenleben. Doch die schleichende Bedrohung der Lebensmittelsicherheit und der Gesundheit durch Mykotoxine wird noch viel zu wenig wahrgenommen. Oft stehen Pestizide in der Kritik, doch in der Realität kann der Verzicht auf Fungizide tödlich sein. In diesem Zusammenhang besonders brisant ist es, dass eine Volksinitiative in der Schweiz den Einsatz von synthetischen Fungiziden verbieten will – sowohl für die inländische Produktion als auch für Importe. Für die Lebensmittelsicherheit hätte dies verheerende Konsequenzen.
Gut zu wissen
Verunreinigte Lebensmittel sind eine grosse Gefahr. Jedes Jahr leiden weltweit rund 600 Millionen Menschen an Krankheiten, die durch Lebensmittel übertragen werden. Schätzungsweise drei Millionen Menschen sterben an Erkrankungen durch verunreinigtes oder verdorbenes Essen oder Wasser. Diese schrecklichen Opferzahlen betreffen jeden Teil der Welt. In manchen Regionen wurden zwar seit den 1980er-Jahren grosse Fortschritte gemacht, aber das Problem ist noch immer weit verbreitet und dringend.
Gefahren bei der Lebensmittelsicherheit können überall auf dem Weg vom Feld bis zu unserem Teller auftreten. Viele dieser Gefahren entstehen bei der Zubereitung von Lebensmitteln. Jeder Koch muss alle verfügbaren Vorkehrungen treffen, um seine Küche sauber und sicher zu halten. Weniger bekannt sind Massnahmen, die in früheren Phasen des Prozesses die Lebensmittelsicherheit gewährleisten. Zum Beispiel in den landwirtschaftlichen Betrieben, in denen sie produziert werden. Lebensmittelsicherheit beginnt bei den Anbaupraktiken, zu denen auch der Schutz des Ernteguts gegen eine Kontaminierung mit pathogenen Mikroorganismen und potenziellen Toxinen zählt.
Sources
Ähnliche Artikel
Bioprodukte häufiger von Rückrufen betroffen
Bioerzeugnisse müssen überdurchschnittlich oft aus den Regalen von Detailhändlern entfernt werden. Der Grund sind Giftstoffe aus mitgeernteten Pflanzen oder aus Schimmelpilzen. Sie lassen sich im Biolandbau weniger gut kontrollieren als in der konventionellen Landwirtschaft.
Risiken für Schweizer Ernährungssicherheit
Trotz der Covid-19-Pandemie war die Ernährungssicherheit in der Schweiz zu jeder Zeit gewährleistet. Dennoch sollten wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen.
Der ideologische Missbrauch «wissenschaftlicher» Studien
Wissenschaft dient als Grundlage für politische Entscheidungen, auch im Naturschutz. Eine zentrale Frage ist jedoch: Wie vertrauenswürdig sind die zugrundeliegenden Studien und Daten? Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag» und die Erläuterungen von «Quarks» bieten aufschlussreiche Perspektiven über die Qualität von wissenschaftlichen Studien und den möglichen Missbrauch von Zahlen.
Wie lässt sich Biodiversität effizient schützen?
Biodiversität ist eine wichtige Lebensgrundlage. Und das Thema ist sehr aktuell: Die Pflicht zur Ausscheidung von Biodiversitätsförderflächen in der Schweizer Landwirtschaft hat offensichtlich nicht die angestrebten Ziele erreicht. Die Artenvielfalt bleibt gemäss aktuellen Veröffentlichungen unter Druck. Dies ist Anlass für swiss-food, das Spannungsfeld Biodiversität und Landwirtschaft in den Mittelpunkt des periodischen Talks, der am 26. Juni stattgefunden hat, mit drei ausgewiesenen Experten zu stellen und Hintergründe auszuleuchten.
Warum KI in der Landwirtschaft noch nicht ihren Durchbruch hatte
Künstliche Intelligenz ist in vielen Bereichen auf dem Vormarsch. In der Landwirtschaft scheint die neue Technologie aber noch nicht wirklich angekommen zu sein. Schuld daran ist die Natur, welche KI einen Strich durch die Rechnung macht. Nichtsdestotrotz wären die Chancen, welche KI der Landwirtschaft zu bieten hätte, immens.
Ernährung: Gehört der grünen Genschere die Zukunft?
Neue Pflanzensorten tragen zur Versorgungssicherheit bei. Die als «Genschere» bekannten neuen Züchtungsmethoden wie Crispr haben das Potenzial, die Landwirtschaft und die Ernährung zu revolutionieren.