Schnelle Weiterentwicklung der Genschere

Schnelle Weiterentwicklung der Genschere

CRISPR-Cas wird seit 2012 weltweit eingesetzt, um Gene in Organismen punktgenau zu verändern. Mithilfe von Protein-Engineering und KI-Algorithmen haben Forschende der Universität Zürich nun eine neue, kompaktere «Genschere» entwickelt. Mit dieser und ähnlichen Varianten wird es möglich, Gene immer effizienter zu editieren.

Freitag, 27. September 2024

CRISPR-Cas ist ursprünglich als natürlicher Abwehrmechanismus von Bakterien gegen eindringende Viren entstanden. 2012 erfanden die Molekularbiologinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna damit ein neues Verfahren, um DNA-Bausteine im Erbgut zu verändern. Obwohl CRISPR-Cas aus Bakterien stammt, funktioniert dessen Anwendung als «Gen-Schere» in nahezu allen Organismen. Dafür erhielten sie 2020 einen Nobelpreis. Die «Genschere» kann so programmiert werden, dass sie eine bestimmte Stelle in der DNA findet und die genetische Information punktgenau verändert.

Will man Cas-Proteine zu den richtigen Zellen im Körper transportieren, wird ihre Grösse zum Problem. Deshalb wurde in aktuellen Studien versucht, ihre viel kleineren evolutionären Vorläufer als Genom-Editierwerkzeuge einzusetzen. Dabei ging aber die Effizienz und Genauigkeit verloren.

Das Forschungsteam unter der Leitung von Gerald Schwank vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich (UZH) optimierten das Protein TnpB (ein CAS-12 Vorläufer). Aufgrund seiner geringen Grösse kann das optimierte TnpB-Geneditierungssystem in ein einziges Viruspartikel verpackt werden. Es kann dabei dennoch effizient editieren und alternative Gensequenzen erkennen. In Zusammenarbeit mit dem Team von Michael Krauthammer, ebenfalls Professor an der UZH, entwickelten sie ein neues KI-Modell, das in der Lage ist, die Effizienz der TnpB-Editierung an jedem beliebigen Zielort vorherzusagen. Das macht eine zuverlässige Versuchsplanung in Bezug auf Genom-Editierung einfacher und schneller.


Cholesterin bekämpfen

Das neue Verfahren der UZH ist in erster Linie ein Durchbruch für Gentherapien beim Menschen. Etwa für die Erbkrankheit «Bluterkrankheit» (Hämophilie) werden bald neue Gentherapien zugelassen. Die Forscher der UZH untersuchten sogleich, ob die optimierte Genschere eingesetzt werden kann, um ein Gen zu verändern, das den Cholesterinspiegel senkt.

Im Zentrum der neuen UZH-Genschere steht natürlich die rote Biotechnologie. Doch Genom-Editierung ist auch daran, die Landwirtschaft zu revolutionieren. Lange ersehnte Pflanzeneigenschaften scheinen in Griffweite. Anwendungsbeispiele genom-editierter Nutzpflanzen aus der Züchtungsforschung können auch für die Schweizer Landwirtschaft interessant sein. Zudem geht es nicht nur um Anwendungen: Spezifisch für Pflanzen-Genom-Editierung werden laufend neue Verfahren mit CRISPR-Cas-Varianten erforscht. Die Wissenschafter von Syngenta haben etwa die Genschere CRISPR-Cas-12a so weiterentwickelt, dass es als Werkzeug zur Verbesserung von Nutzpflanzen deutlich optimiert wurde.


Innovation im Ausland

In der grünen Biotechnologie geschehen diese Innovationen jedoch vermehrt ausserhalb der Schweiz und Europas. Führend sind dabei die grossen Landwirtschaftsmärkte wie die USA, Brasilien oder auch China. In den USA und Brasilien gilt genomeditiertes Saatgut nicht als genverändert und fällt daher auch nicht unter eine strenge Regulierung. Kein Wunder, konzentrieren die Unternehmen ihre Forschung zunehmend in diesen Ländern. Bereits auf dem nordamerikanischen Markt verfügbar ist das genomeditierte Blattgemüse des Agrartechnologie-Start-ups Pairwise. Bayer hat mit dem Unternehmen eine Lizenzvereinbarung abgeschlossen. Bei der Züchtung handelt es sich um eine Mischung aus buntem Blattgemüse mit höherem Nährwert als Salat und einem einzigartigen, frischen Geschmack, der durch Einsatz von Genom-Editierung erreicht wurde. In China wurde im Mai 2024 ein genomeditierter Weizen zum Anbau zugelassen. Der Weizen ist krankheitsresistenter und verspricht höhere Erträge. Insgesamt ist China führend in der Entwicklung genomeditierter Nutzpflanzen: 509 der Ende Mai 2024 weltweit bekannten 900 Züchtungsprojekte dazu stammen aus dem Reich der Mitte, berichtet der Point-Newsletter von scienceindustries. «Unter den wichtigen Züchtungszielen befinden sich gesteigerte Erträge, Krankheitsresistenz, Stresstoleranz und eine verbesserte Nahrungs- und Futtermittelqualität.»


Patent angemeldet

Klar ist: Die Innovation wartet nicht auf die Bedenkenträger in Europa und der Schweiz – das gilt für Anwendungen von Genome Editing am Menschen wie auch an Pflanzen. Natürlich haben die Forscher der UZH auf ihre bahnbrechende Erfindung sogleich ein Patent angemeldet, wie sie in ihrer Publikation schreiben. Damit haben sie die Basis dafür gelegt, dass es nicht nur bei einer akademischen Spielerei bleibt. Mögliche kommerzielle Anwendungen liegen auf der Hand: Bei den mit der neuen TnpB-Genschere behandelten Mäusen konnte der Cholesteringehalt um beinahe 80 Prozent reduziert werden. Mit diesem vielversprechenden Resultat und dem Patent wird die Erfindung auch für Investoren interessant.

Patente erlauben Weiterentwicklung

Die Wissenschafter von Syngenta haben CRISPR Cas-12a so weiterentwickelt, dass es als Werkzeug zur Verbesserung von Nutzpflanzen deutlich optimiert wurde. Das Unternehmen stellt solche Patente zu Genom Editing- und Züchtungstechnologien der akademischen Forschung weltweit zur Verfügung. Die Rechte sind über die Plattform für Innovationskooperationen Shoots by Syngenta zugänglich. Die 2023 gegründete Plattform bringt das externe Innovations-Ökosystem – bestehend aus Akademikern, Forschungsinstituten und anderen Einrichtungen – mit dem globalen Netzwerk von mehr als 6000 Wissenschaftlern von Syngenta zusammen, um Lösungen zu entwickeln, die den Klimawandel eindämmen, die Biodiversität verbessern und Klein- und Grossbauern besser unterstützen. Die Plattform basiert auf den Werten Offenheit und Transparenz. Für die Lizenzierung der Technologien wurde ein einfaches, rationalisiertes Verfahren eingeführt. Weitere Informationen zu den verfügbaren Technologien können über den Online-Katalog auf der Shoots by Syngenta-Plattform abgerufen werden.

Bayer wiederum hat eine Open-Innovation-Plattform mit Fokus auf Genom-Editierung in Obst und Gemüse initiiert. «Wichtige Innovationen brauchen kluge Köpfe und die Gestaltungskraft von vielen Experten. Deshalb suchen wir Partnerschaften mit akademischen Forschern und Unternehmen. Gemeinsam wollen wir neue Obst- und Gemüseprodukte entwickeln, die einen höheren Nährstoffgehalt, positive Auswirkungen auf die Umwelt oder eine höhere Attraktivität für Verbraucher haben, indem wir die Geschwindigkeit und Präzision der Genom-Editierung und neuer Züchtungstechniken nutzen», sagt JD Rossouw. Diese Art von Kooperationen wird immer wichtiger, um die globalen komplexen Herausforderungen unserer Ernährungssysteme anzugehen.

Offenheit und Transparenz werden auch ganz unabhängig von einzelnen Initiativen der Industrie durch Patente gewährleistet: Jede Erfindung, die patentiert wird, muss im Gegenzug veröffentlicht werden und sie wird nach Ende der Patentlaufzeit von 20 Jahren zum frei verwendbaren Allgemeingut. Für andere Innovatoren ist es dank dieser Information möglich, darauf aufbauend die Technologie weiterzuentwickeln und diese dann wiederum selbst zu patentieren. Gerade für Start-ups und kleine Unternehmen sind Patente unerlässlich.

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