
Schweiz und EU im Wettlauf um neue Züchtungsmethoden
In der Schweiz sowie in der EU stehen Reformen in der Pflanzenzüchtung an. Dabei geht es insbesondere um eine Neubeurteilung von neuen Züchtungstechnologien (NZT) wie zum Beispiel CRISPR/Cas, wo mit zielgenauen Schnitten eine neue Pflanzeneigenschaft eingefügt oder eine unerwünschte stillgelegt werden kann. Sie könnten in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit, weniger Food Waste und grösserer Ernährungssicherheit leisten.
Mittwoch, 12. Oktober 2022
Die «Lebensmittelzeitung» berichtet über die anstehenden Reformen in der Schweiz und der EU. Sowohl der Bundesrat als auch die EU-Kommission werden in absehbarer Zeit neue Gesetzesentwürfe zur Regulierung der neuen Züchtungsmethoden vorlegen. Neue innovative Hilfsmittel wie etwa CRISPR/Cas und andere Verfahren der Genom-Editierung haben in der jüngsten Vergangenheit die Pflanzenzüchtung verändert. Sie sind effizienter und schonender als die klassische Gentechnik und viel präziser als die im Bio-Landbau und der konventionellen Landwirtschaft übliche sogenannte Mutagenese, wo ungezielt mit der Chemiekeule oder radioaktiver Bestrahlung die erwünschten Veränderungen erzwungen werden. Doch bis heute werden die neuen sanften Technologien mit veralteten Gesetzen reguliert. In der Schweiz unterstehen sie dem seit 2005 geltenden Gentech-Moratorium. In der EU hatte der Europäische Gerichtshof im Juni 2018 entschieden, dass genomeditierte Pflanzen unter das 20 Jahre alte Gentechnik-Recht fallen.
Reformen auf dem Weg
Noch ist schwer abschätzbar, wie die Schweiz und die EU ihre Gesetzgebung anpassen werden und wer die Nase vorn hat. Die EU-Kommission präsentiert ihren neuen Rechtsrahmen für Züchtungstechnologien voraussichtlich Mitte 2023. In der Schweiz muss der Bundesrat erst bis Mitte 2024 einen Gesetzesentwurf vorlegen, der mittels neuer Züchtungsmethoden gezüchtete Pflanzensorten neu regelt. Und er scheint diese Frist ausschöpfen zu wollen. In der Schweizer Regelung sollen Sorten vom Moratorium ausgenommen werden, sofern sie keine artfremden Gene in sich tragen und für Landwirtschaft, Konsumenten und Umwelt eindeutige Vorteile gegenüber herkömmlichen Züchtungsmethoden mit sich bringen.
Vorteile liegen auf der Hand
Jürg Niklaus, Präsident des Vereins «Sorten für Morgen» setzt sich für eine zeitgemässe Beurteilung der neuen Züchtungsmethoden ein. «Die Schweizer Landwirtschaft wird in Zukunft rasch neue Pflanzensorten brauchen, damit sie die Schweizer Bevölkerung sicher und nachhaltig ernähren kann», sagt er gegenüber der «Lebensmittelzeitung». Die neuen Technologien, so Niklaus, helfen den Pflanzen, sich selbst zu helfen. Sie können robuster gemacht werden und brauchen beispielsweise weniger Pflanzenschutzmittel. swiss-food.ch hat zehn Anwendungen neuer Züchtungstechnologien aufgelistet, die für Schweizer Landwirte von Interesse sein könnten.
Akzeptanz grösser als behauptet
Die gemächliche Schweizer Gangart erstaunt angesichts der grossen Herausforderungen in der Landwirtschaft. Diese sind mit den zunehmenden Klimaschwankungen und dem Krieg in der Ukraine nicht kleiner geworden. Und die Anzahl Pflanzenschutzmittel, mit der Landwirte in der Schweiz ihre Kulturen schützen können, nimmt stetig ab. Die Akzeptanz der Bevölkerung kann nicht der Grund für das Zögern sein: Eine Studie von gfs.bern aus dem Jahr 2021 zeigt, dass Konsumentinnen und Konsumenten aufgeschlossener gegenüber der Gentechnik sind, als dies Gegner oft behaupten. Ist den Konsumenten der konkrete Nutzen der Genom-Editierung klar – beispielsweise ein verbesserter Schutz gegenüber einer Pflanzenkrankheit – fällt die Zustimmung sehr deutlich aus. So finden es 82 Prozent der Befragten nützlich, wenn traditionelle Apfelsorten mit Genom-Editierung gegen Feuerbrand geschützt werden können. 79 Prozent der Befragten befürworten die gezielte Züchtung von resistenteren Pflanzen.
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