
SRF-«Einstein» zur Kartoffelkrise – mehr Steiner Schule als Einstein
Die Schweizer Kartoffelproduktion steht unter Druck – das ist unbestritten. Das SRF-Wissenschaftsmagazin «Einstein» berichtete erst kürzlich über die Kartoffelkrise – und zwar auffallend einseitig. Zum einen wird lediglich der Klimawandel als Ursache für die prekäre Situation aufgeführt, zum anderen werden als einzige Lösung robuste Sorten aus konventioneller Züchtung genannt. Moderne Züchtungstechnologien wie Crispr/Cas oder der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln werden völlig ausgeklammert.
Freitag, 14. Februar 2025
Die Lage der Schweizer Kartoffelproduzenten ist dramatisch. Schon das dritte Jahr in Folge müssen sie massive Ernteverluste hinnehmen. 2024 wurde gar als «Schicksalsjahr» für die Kartoffelproduktion bezeichnet. Nur wer eine stringente Pflanzenschutzstrategie verfolgte, konnte in ansprechender Qualität und Menge ernten. Besonders prekär aber war die Lage der Biobauern, da sie nur Kupfer spritzen konnten, welches bei Regen sofort wieder abgewaschen wird und seine Wirkung verliert.
Es ist nicht erstaunlich, dass auch die Medien auf das Thema aufspringen – so beispielsweise das Wissenschaftsmagazin «Einstein» von SRF. Doch leider ist die Berichterstattung etwas gar einseitig. So wird als Hauptgrund für die prekäre Lage der Kartoffeln in der Schweiz eine monokausale Erklärung geliefert. Schuld sei allein der Klimawandel.
Hitzewellen und Dauerregen setzen der Kartoffel zu und sorgen zunehmend für Ernteausfälle, so der Tenor. Während die Knolle ab rund 30 Grad Lufttemperatur ihr Wachstum einstelle, breite sich bei zu viel Regen zudem Kraut- und Knollenfäule aus, die ebenfalls zu grossflächigem Ernteausfall führe. Die Konsequenzen sind drastisch: So ist die Zahl der Kartoffelproduzenten in der Schweiz dem Bericht zufolge seit Jahrzehnten rückläufig. Waren es 1980 noch über 44’000 Betriebe, existieren heute nur noch knapp 4000.
Doch der Bericht greift zu kurz: So verschweigt das als Wissenschaftssendung deklarierte SRF-Gefäss «Einstein», dass es Pflanzenschutz gibt und braucht. Einmal wird erwähnt, dass es wegen des Regens zu Kraut- und Knollenfäule kam, der Link zum Pflanzenschutz wird jedoch unterschlagen. Doch die Kraut- und Knollenfäule führte bereits vor mehr als 200 Jahren zu Totalverlusten und massiven Hungersnöten – ganz ohne Klimawandel. Auch moderne Züchtungsmethoden wie Crispr/Cas werden in der 36-minütigen Sendung mit keiner Silbe erwähnt. Dabei sind dies genau jene Technologien, die – anders als die herkömmliche ungezielte Züchtung - sehr gezielt gewünschte Eigenschaften in bestehende Sorten einfügen oder unerwünschte Eigenschaften ausschalten können – und zudem die Folgen des Klimawandels bekämpfen können. Auch aus Konsumentensicht bringt es Vorteile: Sie müssen nicht «umerzogen» werden, sondern können weiterhin ihre bewährten Sorten kaufen.
Robuste Sorten sind kein Allheilmittel
Stattdessen wird im «Einstein»-Bericht allein auf die Forschung des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) verwiesen. Dieses arbeite mit Hochdruck an der «Kartoffel der Zukunft» – einer neuen robusten Sorte, die sowohl hitzeresistenter als auch weniger anfällig auf Krankheiten sein soll.
Die neue Sorte muss jedoch gegen im Markt etablierte Sorten bestehen, denn Konsumentinnen und Konsumenten sind konservativ: Lieben sie eine Sorte, möchten sie diese kaufen. Geschmack, Aussehen, Lagerfähigkeit spielen eine grosse Rolle. Für den Handel und die Verarbeiter dagegen sind Backeigenschaften (z.B. für Chips und Pommes frites), Stärkegehalt, Schalendichte, Transport- und Lagerfähigkeit wichtige Eigenschaften. Auch wenn also in der Forschung eine neue Sorte gefunden ist, muss sie sich in der Praxis zuerst durchsetzen und auch preislich mithalten können.
Der «Einstein»-Bericht vermittelt den Eindruck, als seien konventionell gezüchtete, robuste Sorten das Allheilmittel und es weder moderne Züchtungstechnologien noch Pflanzenschutz bräuchte. Dabei hat SRF selbst bereits mehrfach darüber berichtet, dass Pflanzenschutz unabdingbar ist, wenn überhaupt etwas geerntet werden soll. Hinzu kommt, dass dem Bericht zufolge nun ausgerechnet die Biokartoffeln Abhilfe schaffen sollen – wobei genau die Ende letzten Jahres ausgegangen sind.
Was «Einstein» ebenfalls unterschlägt: Auch robustere Sorten brauchen weiterhin Pflanzenschutz. Es gibt schlichtweg keine Sorten, die zu 100 Prozent gegen alles resistent sind. Zudem kommt es früher oder später zu sogenannten Resistenzdurchbrüchen: Die Krankheiten setzen sich durch.
Konsumenten sind neuen Züchtungsmethoden gegenüber nicht abgeneigt
Die einseitige Darstellung ist frappierend und der Bericht erweckt dadurch eher den Eindruck von Steiner Schule als Einstein. Statt sich mit Innovationen auseinanderzusetzen, bleiben neue Züchtungstechnologien und moderne Pflanzenschutzmittel gänzlich unerwähnt. Dabei ist es illusorisch zu glauben, dass robuste Sorten allein die Lösung für alle Probleme im Kartoffelanbau sein können.
Statt schönfärberische Beiträge zu produzieren, sollte ein Wissenschaftsmagazin den Konsumenten reinen Wein einschenken. Die Expertise wäre ja eigentlich vorhanden: So hat das SRF-Magazin den modernen Züchtungsmethoden vor zwei Jahren eine ganze Sendung gewidmet. Der Beitrag zeigte deutlich, dass man an den neuen Methoden nicht vorbeikommt, wenn man in der Schweiz mittelfristig noch beliebte Apfelsorten wie Gala anbauen will. Denn auch wenn die Sorte krankheitsanfällig ist, wollen Konsumentinnen und Konsumenten auch weiterhin Gala-Äpfel essen. Immerhin sind die Konsumenten neuen Züchtungsmethoden gegenüber nicht abgeneigt, wenn sie in einer Technologie einen Nutzen für sich sehen. Das zeigt eine kürzlich von gfs durchgeführte Umfrage.
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