Staatsgelder für vermeidbare Ernteausfälle: weder nachhaltig noch ressourceneffizient

Staatsgelder für vermeidbare Ernteausfälle: weder nachhaltig noch ressourceneffizient

Reduzierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln führt bei Weizen und Raps zu stark verminderten Erträgen. Eine Studie von Agrarforschung Schweiz zeigt nun, dass diese Ernteausfälle nur durch staatliche Zuschüsse ausgeglichen werden können. Das ist weder nachhaltig noch ressourceneffizient.

Mittwoch, 8. November 2023

Im Projekt PestiRed versuchen Schweizer Ackerbaubetriebe, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) durch vorbeugende Massnahmen zu reduzieren. Dazu setzen sie auf eine konsequente Anwendung der Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes (IP). Es ist für alle Anbauformen, also neben IP auch für die konventionelle Landwirtschaft und den Biolandbau, eine interessante Frage, ob sie mit weniger (oder sogar keinen) Pflanzenschutzmitteln auskommen könnten – und ob dies nachhaltig und ressourceneffizient wäre.

Anhand der Daten der ersten zwei Erntejahre 2020 und 2021 haben nun Forschende von Agroscope in einer ersten Projektevaluation untersucht, ob der Anbau von Weizen und Raps trotz PSM-Verzicht wirtschaftlich sein kann und die Resultate auf der Plattform Agrarforschung Schweiz publiziert.

Das Ergebnis: Rapsanbau in der Schweiz ist in den Untersuchungsjahren 2020 und 2021 ohne den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln hochgradig defizitär. So war der wirtschaftliche Ertrag der Parzellen mit verringertem Pestizideinsatz im Durchschnitt «34 Prozent tiefer als jener der Kontrollparzellen», wie die Studienautoren schreiben. Für die Produzenten würden Ertragseinbussen resultieren, die «weder durch Kostenreduktion noch durch höhere Marktleistungen oder Direktzahlungen ausgeglichen werden» können.

Besser sieht es gemäss vorläufigen Studienergebnissen beim Weizenanbau aus. Dort würden die geringeren Erträge und höhere Produktionskosten durch «höhere Prämien am Markt» und «durch Direktzahlungen der öffentlichen Hand» kompensiert, so dass «die Wirtschaftlichkeit gehalten bzw. sogar leicht verbessert werden» könne.

«Wirtschaftlichkeit?», fragt man sich da. Mit Direktzahlungen kann zwar das Einkommen der Bauern erhalten werden. Doch es ist höchst seltsam, wenn im Kontext von tieferen Hektarerträgen und einer Ausweitung staatlicher Zuschüsse mit Wirtschaftlichkeit argumentiert wird. Wirtschaftlichkeit ist einer der drei Pfeiler einer umfassenden Nachhaltigkeit. Nachhaltig ist die Landwirtschaft aber nur, wenn sie auch umfassend ressourceneffizient ist: Sie nutzt die ihr zu Verfügung stehenden Flächen ressourceneffizient und setzt auch die anderen Ressourcen wie Wasser, Dünger, Pflanzenschutzmittel, Energie, Arbeit und eben auch Finanzen so effizient wie möglich ein. Folgerichtig verlangt die Bundesverfassung in Art. 104a eine ressourceneffiziente und auf den Markt ausgerichtete Lebensmittelproduktion.

Das heisst im Klartext: Wenn die Erträge nicht stimmen und (vermeidbare) Ertragsausfälle durch staatliche Mittel kompensiert werden müssen, ist das weder nachhaltig noch ressourceneffizient. Eine umfassend ressourceneffiziente und nachhaltige Landwirtschaft ist daher auch produktiv, damit auch die Erlöse stimmen.

Amtlich geförderter Food Waste?

Rapsöl aus Schweizer Produktion ist hochbegehrt. Für Schweizer Nahrungsmittelproduzenten bietet Rapsöl aus regionaler Produktion deshalb eine wichtige Alternative zu importiertem Palmöl. Doch der Anbau von Raps in der Schweiz ist gefährdet. Es fehlen Pflanzenschutzmittel. Mehr Importe sind nötig. Das ist nicht im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten.

Für den Landwirt sind Pflanzenschutzmittel eine grosse Unterstützung bei der Produktion von Lebensmitteln. Sie helfen ihm, eine gute Ernte zu erreichen. Dadurch steigt das landwirtschaftliche Einkommen. Die Bauern sehen eine Zukunft und der Bauernberuf bleibt für junge, motivierte Landwirtinnen und Landwirte attraktiv. Sie können einen tatsächlichen Beitrag zu einer erfolgreichen, qualitativ hochstehenden Schweizer Nahrungsmittelproduktion leisten. Ohne Pflanzenschutzmittel leiden die Qualität, die Lebensmittelsicherheit und die Erträge sowie die Einkommen der Bauern sinken massiv. Wenn aber eigentlich vermeidbare Ernteausfälle einfach über Direktzahlungen ausgeglichen werden, ist das kein ressourceneffizienter Einsatz von Bundesgeldern – und betrifft letztlich auch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Niemand kann ein Interesse an amtlich gefördertem Food Waste haben. Der Kampf gegen Food Waste und für Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit beginnt auf dem Acker.

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