«Synthetisch gleich giftig? Falsch!»

«Synthetisch gleich giftig? Falsch!»

Beim alltäglichen Einkauf von Lebensmitteln verlassen wir uns häufig auf unser Bauchgefühl. Das kann sehr nützlich sein und Denkarbeit sparen. Doch bei der Beurteilung von Risiken kann uns unser Bauchgefühl auch trügen. Wieso das so ist erklärt Angela Bearth, Verhaltenspsychologin an der ETH Zürich, im swiss-food-Podcast.

Dienstag, 9. März 2021

Tagtäglich treffen wir unzählige Entscheide. Meistens entscheidet das Bauchgefühl, welche Wahl wir treffen. Bauchentscheide sind wichtig und helfen uns Entscheidungen zu treffen, wenn es uns an Informationen fehlt. Sie sparen viel Denkarbeit. Wir können schliesslich nicht in allem Experten sein.

Auch beim Einkauf von Lebensmitteln spielt das Bauchgefühl oft eine entscheidende Rolle. Labels, Produktbeschriftungen und Bebilderungen sollen uns beim Entscheiden helfen. Doch häufig wird so eine falsche Wahrnehmung von Produkten vermittelt. Die einsame Kuh auf einer saftig grünen Wiese vermittelt auf vielen Bioprodukten ein Bild von Natürlichkeit, das es so nicht gibt: «Natürlich gilt bei vielen Menschen als moralisch und ästhetisch besser», sagt Angela Bearth, Verhaltenspsychologin an der ETH Zürich.

Auch wenn das Bauchgefühl bei Entscheiden wichtig ist, so führt es uns auch manchmal in die Irre. So hat Angela Bearth in einer Studie herausgefunden, dass synthetisch hergestellte Substanzen von vielen Menschen automatisch als gefährlich wahrgenommen werden. Der Ökoreiniger wird dagegen als harmlos empfunden, auch wenn dies in der Realität nicht der Fall ist. Zur Beurteilung, ob eine Substanz toxisch ist, spielt es keine Rolle, ob sie «chemisch» oder «natürlich» ist. Woher kommt also die Angst vor synthetischen Substanzen? «Das liegt an den Attributen des Risikos», sagt Bearth. «Vor Risiken, bei denen wir das Gefühl haben, dass wir sie ganz persönlich beeinflussen können, haben wir weniger Angst.» Das trifft beispielsweise auf das Rauchen oder Autofahren zu. Pestizide gelten dagegen als etwas Unbekanntes, worauf wir weniger starken Einfluss haben. Mehr zum Thema im Podcast.

Angela Bearth ist Verhaltenspsychologin und forscht im Bereich «Consumer Behaviour» an der ETH Zürich. Sie untersucht, wie wir Risiken im Alltag einschätzen und Entscheidungen treffen. Beispielsweise werden synthetische Substanzen von vielen als übertrieben gefährlich wahrgenommen. Ein spezielles Gebiet ihrer Forschung ist die «Chemophobie», also die Angst vor allem, was chemisch ist.

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