Tomaten: Von der «Wasserbombe» zur aromatischen Frucht

Tomaten: Von der «Wasserbombe» zur aromatischen Frucht

Die Vielfalt an kommerziell vertriebenen Tomatensorten ist heute so gross wie nie zuvor. Dies hat insbesondere mit der Züchtung neuer Sorten zu tun. Sie befriedigen das Bedürfnis der Konsumenten nach geschmackvollen Früchten immer besser. Dass alte Sorten aromatischer sein sollen als Neuzüchtungen, stimmt nicht. Moderne Sorten passen zudem perfekt zu den vom Handel geforderten klimaschonenden und ressourceneffizienten Anbaumethoden.

Samstag, 10. Februar 2024

Das Wichtigste in Kürze:

  • Lange Zeit galten die Handelsüblichen Tomaten als wenig geschmacksintensiv und wurden auch als «Wasserbomben» bezeichnet.
  • Dies hat sich grundlegend geändert. Noch nie war die genetische Vielfalt an verschiedenen Tomaten grösser als heute.
  • Neuzüchtungen werden aufgrund des Klimawandels und der Anforderung an ressourceneffiziente Anbaumethoden auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.

Kein anderes Gemüse auf der Welt ist so beliebt wie die Tomate (botanisch gilt sie jedoch als Frucht). Sowohl die Produktion wie auch die Anbaufläche haben sich in den vergangenen 25 Jahren ungefähr verdoppelt. Das heisst: Weltweit werden jährlich rund 180 Millionen Tonnen Tomaten geerntet. Der mit Abstand grösste Produzent ist China (62,8 Mio. t) gefolgt von Indien (19 Mio. t) und der Türkei (12,8 Mio. t). Pro Kopf essen Europäerinnen und Europäer rund 35 Kilogramm Tomaten pro Jahr – davon 15 Kilogramm frisch und 20 Kilogramm verarbeitet.

«Wasserbomben»

Die Tomate wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts von den Spaniern aus Südamerika nach Europa gebracht. Die Erfindung von Produkten wie Tomaten-Ketchup und das Aufkommen der Pizza im 19. Jahrhundert machten die Tomate weltweit populär. Bald konzentrierte man sich bei der Produktion der Frucht um Masse und nicht mehr in erster Linie um Geschmack. Im Vordergrund stand die Züchtung besonders ertragreicher Sorten, was mit der Zeit zu einer genetischen Verarmung führte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann der Ruf der Tomaten etwas zu leiden. Nicht selten bezeichnete man sie als «Wasserbomben» oder «vierten Aggregatszustand von Wasser». Damit wurde das fehlende Aroma der «Gewächshaustomaten» beklagt.

Alte Sorten nicht aromatischer

Unter dem Eindruck der «Wasserbomben» entstand die allgemeine Vorstellung, dass ältere Tomatensorten geschmackvoller sein müssten. Doch dieser Eindruck täuscht. Die Forschungsstelle Agroscope hat vor einiger Zeit moderne Züchtungen mit alten Sorten verglichen. Neue und alte Sorten wurden unter den exakt gleichen Bedingungen angebaut. Ein Expertenteam, das die Tomaten anschliessend degustiert hat, konnte keine Unterschiede zwischen alten und neuen Sorten feststellen. Eine Studie, die Anfang der 2000er-Jahre in der Wissenschaftszeitschrift «Nature» publiziert wurde, kommt sogar zum Schluss, dass die neuen Tomatensorten geschmacklich besser sind.

Genetische Vielfalt nimmt zu

Der häufig beklagte Aromaverlust dürfte eher mit dem Fokus auf ertragreiche Sorten und den frühen Ernten aufgrund langer Transportwege zusammenhängen. Aroma und Geschmack können sich nicht vollständig ausbilden, wenn die Tomaten vor ihrer Reife geerntet werden. Seit den 1970er- und 1980er-Jahren ist wieder eine Zunahme der genetischen Vielfalt bei kommerziellen Tomatensorten zu beobachten. Es wurden vermehrt neue Sorten gezüchtet, um dem Wunsch von Konsumentinnen und Konsumenten nach geschmackvolleren Tomaten nachzukommen. Heute ist das Angebot an Tomaten wohl so divers wie noch nie zuvor. Von rot über violett bis schwarz ist alles erhältlich. Auch bei Grösse und Form ist die Vielfalt beträchtlich.

Züchtung neuer Sorten bleibt wichtig

In den kommenden Jahren wird die Nachfrage nach aromatischen Tomaten noch zunehmen. Gefragt sind insbesondere hocharomatische Cocktailtomaten sowie Tomaten mit spezieller Pigmentierung. Die Züchtung neuer Tomatensorten hat deshalb auch in Zukunft hohe Priorität. Syngenta gehört zu den führenden Unternehmen im Bereich der Tomatenzüchtung. Viele der in der Schweiz erhältlichen vielfarbigen Cherry-Tomaten sowie die mehrfach preisgekrönte Yoom-Tomate gehen auf das Engagement von Syngenta zurück. Die ebenfalls von Syngenta gezüchtete «Kumato» ist ein weiterer Beweis dafür, dass alte Sorten nicht besser sind als Neuzüchtungen. Die «Schweizer Familie» schreibt: «Die dunkelgrünliche Kumato etwa, eine Züchtung des Agrochemie-Konzerns Syngenta, ist schmackhafter als die gezahnte Tomate von Pro Specie Rara, der Organisation, die sich um den Erhalt alter Sorten kümmert.»

Neuzüchtungen sind jedoch nicht nur aufgrund des Geschmacks wichtig. Schädlingsdruck und extreme Wetterereignisse nehmen durch den Klimawandel zu. Die Züchtung von robusten Pflanzen gegenüber Schädlingen und Wetter ist dringend nötig. Auch hier hat Syngenta Erfolge zu vermelden: So ist es der Firma vor Kurzem gelungen, eine gegenüber dem Jordan-Virus resistente Tomatensorte zu züchten. Die grosse Herausforderung in der Züchtung ist und bleibt ist das Erreichen einer Kombination von Züchtungszielen: Krankheits- und Schädlingsresistenz, Toleranz gegenüber Trockenheit oder Nässe, Geschmack, Aussehen, Haltbarkeit und – gerade bei Tomaten wichtig – Transportfähigkeit, zum Beispiel durch eine festere Schale, die aber wiederum nicht so fest sein darf, dass sie den Essgenuss beeinträchtigt.

Gemüseverband erläuterte Vorteile von Genom-Editierung

Um diesen von den Konsumentinnen und Konsumenten gleichbleibenden Genuss zu garantieren, ist hochprofessioneller Anbau nötig. So baut zum Beispiel die Anbaugenossenschaft TIOR für Coop Yoom-Tomaten 365 Tage pro Jahr im Tessin an – in höchst ressourceneffizienten und klimafreundlichen Treibhäusern, wie der Abnehmer Coop will und in der geschmacklichen Qualität und lokal produziert, wie es sich die Konsumentinnen wünschen.

Kein Wunder, erläuterte der Gemüseverband in einer gemeinsamen Produkteschau an der OLMA 2023 von vielen Produzentenverbänden auch die Vorteile der Genom-Editierung wie CRISPR/Cas für den modernen Gemüseanbau.

Mit Ausstellungsmodellen wie diesem hat der Gemüseverband an der Olma 2023 auf die Vorteile von moderner Züchtung aufmerksam gemacht.
Mit Ausstellungsmodellen wie diesem hat der Gemüseverband an der Olma 2023 auf die Vorteile von moderner Züchtung aufmerksam gemacht.

Auch die Digitalisierung unterstützt den hochprofessionellen, nachhaltigen Gemüseanbau mit zum Beispiel Einzelpflanzenüberwachung. Julien Stoll von Stoll Frères in Yverdon hat das am swiss-food Talk vom 3. Mai 2023 eindrücklich demonstriert.

Jordan-Virus im Thurgau
Gemäss «BauernZeitung» wurde das brown rugose fruit virus (ToBRFV oder Jordan-Virus) Anfang August 2021 auf einem Betrieb im Kanton Thurgau nachgewiesen. Es befällt Tomaten- und Peperoni, wobei die Früchte sich unregelmässig gelblich bis bräunlich verfärben. Schäden bis hin zum Totalausfall sind möglich. Das Jordan-Virus ist in der Schweiz als Quarantäneorganismus eingestuft. Verdachtsfälle sind meldepflichtig. Bekämpfen lässt sich das Virus nur, indem seine Verbreitung verhindert wird. Betroffene sowie umliegende Pflanzen müssen vernichtet werden.

Ähnliche Artikel

Wie lässt sich Biodiversität effizient schützen?
Wissen

Wie lässt sich Biodiversität effizient schützen?

Biodiversität ist eine wichtige Lebensgrundlage. Und das Thema ist sehr aktuell: Die Pflicht zur Ausscheidung von Biodiversitätsförderflächen in der Schweizer Landwirtschaft hat offensichtlich nicht die angestrebten Ziele erreicht. Die Artenvielfalt bleibt gemäss aktuellen Veröffentlichungen unter Druck. Dies ist Anlass für swiss-food, das Spannungsfeld Biodiversität und Landwirtschaft in den Mittelpunkt des periodischen Talks, der am 26. Juni stattgefunden hat, mit drei ausgewiesenen Experten zu stellen und Hintergründe auszuleuchten.

Warum KI in der Landwirtschaft noch nicht ihren Durchbruch hatte
Wissen

Warum KI in der Landwirtschaft noch nicht ihren Durchbruch hatte

Künstliche Intelligenz ist in vielen Bereichen auf dem Vormarsch. In der Landwirtschaft scheint die neue Technologie aber noch nicht wirklich angekommen zu sein. Schuld daran ist die Natur, welche KI einen Strich durch die Rechnung macht. Nichtsdestotrotz wären die Chancen, welche KI der Landwirtschaft zu bieten hätte, immens.

Ernährung: Gehört der grünen Genschere die Zukunft?
Wissen

Ernährung: Gehört der grünen Genschere die Zukunft?

Neue Pflanzensorten tragen zur Versorgungssicherheit bei. Die als «Genschere» bekannten neuen Züchtungsmethoden wie Crispr haben das Potenzial, die Landwirtschaft und die Ernährung zu revolutionieren.

Regionale Produkte sind gefragter denn je
Wissen

Regionale Produkte sind gefragter denn je

Die Nachfrage nach regionalen Produkten könnte kaum grösser sein. Das zeigt eine neue Studie der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Konsumenten schätzen regionale Produkte gar als deutlich nachhaltiger ein als Bio- oder Premiumprodukte. Um dem Trend gerecht zu werden, wird es deshalb umso wichtiger, moderne Züchtungstechniken und Pflanzenschutzmittel zu fördern.

Weitere Beiträge aus Wissen