Tradition und Innovation gehen beim Essen Hand in Hand

Tradition und Innovation gehen beim Essen Hand in Hand

Die Studie «Decoding Food Culture» des Gottlieb Duttweiler Instituts zeigt, wie tief Esskultur unser Leben prägt. Deshalb gleicht es einem Balanceakt zwischen Tradition und Innovation, um Veränderungen in der Ernährung zu bewirken.

Montag, 10. Februar 2025

Esskultur ist mehr als blosse Gewohnheit. Esskultur spiegelt die Werte und Traditionen einer Gesellschaft und sie beeinflusst massgeblich, was, wie und warum wir essen. Während in Ländern wie Frankreich und Italien Genuss im Mittelpunkt steht, dominieren in der Schweiz schnelle, oft isolierte Mahlzeiten. Solche kulturellen Muster entscheiden darüber, wie offen Menschen für Neues sind. Ein starkes Traditionsbewusstsein kann Innovationen bremsen.

Die Studie hebt hervor, dass Esskultur von Genuss, Gemeinschaft und Gesundheit geprägt wird. Genuss schafft die Basis für Zufriedenheit, Gemeinschaft stärkt soziale Bindungen, und Gesundheit wird immer stärker als Grundlage für körperliches und geistiges Wohlbefinden wahrgenommen. Zugleich zeigt sich, dass Verwurzelung in Traditionen und Rituale eine zentrale Rolle spielen. Sie verleihen dem Essen eine Bedeutung, während Kontrolle, etwa durch bewusstes Essen oder Fasten, das Verhalten formt.


Tradition bremst Innovation oft aus

Die Untersuchung zeigt auch, dass sich Essgewohnheiten stark wandeln. In der Schweiz und angrenzenden Regionen haben 92 Prozent der Befragten in den letzten zehn Jahren ihre Ernährung verändert. Häufige Gründe sind Gesundheit, neue Informationen oder finanzielle Überlegungen. Trotz dieser Dynamik bremst eine starke Verwurzelung in Traditionen oft die Bereitschaft, Neues auszuprobieren. Menschen mit einer tiefen Verbindung zu traditionellen Essgewohnheiten halten eher an ihnen fest. Um ihre Essentscheide zu fällen, wünschen sich 37 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer eine klarere Produktkennzeichnung und allgemein Transparenz.

Wer neue Produkte erfolgreich einführen will, muss kulturellen Eigenheiten berücksichtigen. Genuss ist dabei der Schlüssel. Geschmack entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Produkte, die sich in gemeinschaftlichen oder ritualisierten Kontexten einfügen lassen, werden besser angenommen. Transparenz und Nachhaltigkeit sind weitere Faktoren, die das Vertrauen der Konsumenten stärken. Um Innovationen langfristig in der Esskultur zu verankern, braucht es kluge Strategien, die Tradition und Moderne verbinden.

Esskultur ist ein komplexes Zusammenspiel aus Tradition, sozialem Verhalten und individuellen Werten. Sie beeinflusst nicht nur, wie wir essen, sondern auch, wie wir Veränderungen annehmen. Unternehmen, die diesen kulturellen Kontext verstehen und respektieren, können Innovationen erfolgreich in den Alltag der Menschen bringen. So wird aus einer Idee eine neue Tradition.

Flexitarismus ist auf dem Vormarsch

Nachhaltige Ernährung liegt nicht mehr im Trend – Gesundheit rückt in den Vordergrund: Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer reduzieren ihren Fleisch- und Fischkonsum, verzichten aber nicht vollständig auf tierische Produkte. Dabei handelt es sich um sogenannte Flexitarier. Wie die «Sonntagszeitung» berichtet, scheint diese Ernährungsform regelrecht zu boomen: Knapp 27 Prozent der Haushalte leben inzwischen flexitarisch. Dabei handelt es sich um einen Anstieg von 18 Prozent in nur zwei Jahren. Der Bericht bezieht sich dabei auf eine Studie der Universität St. Gallen, die von der Nahrungsmittelherstellerin Danone mitfinanziert wurde.

Was genau unter Flexitarismus verstanden wird, ist jedoch nicht einheitlich definiert. Wie Matthias Eggenschwiler, der leitende Autor der Studie, im Bericht verlauten lässt, liegt die Flexibilität dieser Ernährungsweise gerade in ihrer Offenheit: Sie kombiniert pflanzliche und tierische Lebensmittel, setzt aber bewusst auf eine Reduktion. Andere wiederum sind der Meinung, dass Flexitarier pro Woche maximal 300 Gramm Fleisch und 200 Gramm Fisch essen dürfen.

Die Studie zeigt zudem, dass Schweizerinnen und Schweizer Fleisch nicht durch pflanzliche Alternativen ersetzen. Stattdessen greifen sie verstärkt zu Milchprodukten wie Käse und Quark, wie es im «NZZ»-Artikel heisst. Pflanzliche Milch- und Fleischersatzprodukte spielen nur eine untergeordnete Rolle. Gründe dafür sind vor allem die hohen Preise für Alternativprodukte. Zudem bieten Detailhändler wie Coop und Migros Fleischprodukte oft zu stark reduzierten Preisen an, was den Umstieg auf pflanzliche Alternativen zusätzlich erschwert.

«Nachhaltig zu essen hat nur noch für wenige Priorität», titelt 20 Minuten ›, basierend auf einer breit angelegten Studie von EIT Food, und zitiert eine Aldi-Sprecherin: «Wir beobachten eine anhaltende Nachfrage nach Lebensmitteln, die als gesund wahrgenommen werden, so zum Beispiel frische Früchte, Gemüse oder proteinreiche Produkte.» Auch dazu passt der Trend zum Flexitarismus.

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