Umweltorganisationen setzen Kinderleben aufs Spiel
Auf den Philippinen darf vorerst kein Golden Rice mehr angebaut werden. NGOs haben auf Grundlage von wissenschaftlich nicht tragbaren Argumenten einen Anbaustopp erwirkt. Die Leidtragenden sind die ärmsten Menschen, die durch den Reis vor Mangelerkrankungen geschützt werden könnten. Der Bonner Professor für Agrarökonomie, Martin Qaim, kritisiert die erneute Blockade scharf und erläutert in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» die Hintergründe.
Donnerstag, 29. Juni 2023
Im November 2022 ernteten philippinische Bauern zum ersten Mal Golden Rice. Es war eine erfreuliche Nachricht, denn von der Idee bis zur ersten Ernte vergingen nicht weniger als 30 Jahre. Wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» schreibt, ist der Anbau des goldenen Reises auf den Philippinen nun wieder gestoppt worden. Greenpeace und die lokale NGO MASIPAG haben beim Obersten Gericht des Landes erfolgreich gegen den Anbau von Golden Rice protestiert. Es darf kein Golden Rice mehr angepflanzt werden. Der Professor für Agrarökonomie und Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn, Martin Qaim, ordnet den Entscheid in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» ein.
Bewirtschaftung von unbegründeten Ängsten
Wie Qaim erläutert, setzten die NGO erfolgreich auf die Bewirtschaftung alter Ängste. In ihrem Antrag ans Oberste Gericht forderten sie, dass der Anbau von Golden Rice gestoppt wird, weil biotechnologisch veränderte Pflanzen angeblich der Natur sowie der menschlichen Gesundheit schaden würden. Der Entscheid des Gerichts ist überraschend und unverständlich: «… Golden Rice war nach langjährigen Tests zu den Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen in den Philippinen im Jahr 2021 als sicher eingestuft und zugelassen worden. Seitdem gibt es keine neuen Erkenntnisse über Umwelt- und Gesundheitsrisiken», sagt Qaim gegenüber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Die NGO berufen sich gemäss dem Agrarökonomen auf hypothetische Risiken, die wissenschaftlich nicht haltbar sind.
Tausende von Kinderleben könnten gerettet werden
Durch den erfolgreichen Antrag von Greenpeace und MASIPAG verzögert sich die Zulassung von Golden Rice einmal mehr. Das ist bedauerlich, denn der mit Provitamin-A angereicherte Reis könnte viele Menschen – gerade auch Kinder – vor dem Erblinden bewahren und die hohe Kindersterblichkeit senken: «Forschung, die ich mit meiner Arbeitsgruppe gemacht habe, zeigt, dass die Nutzung von Golden Rice das Problem des Vitamin-A-Mangels vermutlich nicht komplett lösen, aber um 60 Prozent reduzieren kann. Das bedeutet unter anderem auch, dass durch Golden Rice jedes Jahr Tausende von Kinderleben gerettet werden könnten. Deswegen ist es ja so schlimm, dass nun die Nutzung weiter verzögert wird», sagt Qaim in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».
Rückschlag für moderne Pflanzenzüchtung
Das Urteil in den Philippinen stellt für Qaim eine Niederlage (oder ist für Qaim entäuschend) dar: «Das Urteil auf den Philippinen ist ein gewisser Rückschlag, weil es das Vorurteil, dass die Technologie gefährlich sei, vermutlich weiter schürt.» Neue Züchtungsmethoden, wie etwa die Genom-Editierung, stellen jedoch eine enorme Chance für die Ernährungssicherheit und eine nachhaltigere Landwirtschaft dar: «Gerade auch vor dem Hintergrund des Klimawandels wären wir schlecht beraten, diese Potenziale nicht verantwortungsvoll zu nutzen», sagt Qaim. Und er bleibt optimistisch, dass sich die wissenschaftliche Evidenz letztlich gegen bewusst geschürte Ängste durchsetzen wird.
Nobelpreisträger kritisieren NGO
Im Jahr 2016 haben mehr als 100 Nobelpreisträger und Nobelpreisträgerinnen in einem offenen Brief den Einsatz von modernen Züchtungstechnologien in der Landwirtschaft gefordert. Gemäss den Vereinten Nationen wird sich der Bedarf an Nahrungsmitteln bis 2050 verdoppelt. Die neuen Züchtungstechnologien seien nötig, um den Bedarf decken zu können. Im offenen Brief üben die Wissenschaftler zudem scharfe Kritik an NGOs wie Greenpeace, die den Anbau von Golden Rice verhindern und neue Züchtungstechnologien grundsätzlich ablehnen.
Gegner neuer Züchtungsmethoden kommen immer mehr in Beweisnot. Sie ignorieren die Wissenschaft und wiederholen einfach alte Unkenrufe. So gibt die deutsche Umweltorganisation «Aurelia» den Konflikt mit der Wissenschaft in einem internen Strategiepapier offen zu, wie die «Welt am Sonntag» berichtet hat: «Bei vorrangig wissenschaftlicher Argumentation können wir nur verlieren, weil wir dem ‹Follow the Science-Leopoldina-Autoritätsframing› nichts entgegenzusetzen haben …». Deshalb kommen die Umweltschützer zum Schluss, dass es bei der Anwendung der Gentechnologie bei der Pflanzenzucht ein neues Narrativ braucht. Das neue Narrativ soll nicht auf Fakten, sondern Emotionen wie Wahlfreiheit, Liebe zur Natur (Bienen) und der Macht der Saatgutkonzerne beruhen.
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