
Unterschiedliche Wahrnehmungen
Während die zunehmende administrative Belastung in der Wirtschaft als Hauptsorge wahrgenommen wird, sehen es Teile der Bevölkerung anders. Derweil werden Regulierungen immer wieder auch als Machtmittel im Konkurrenzkampf missbraucht – zum Leidwesen der KMU.
Donnerstag, 6. Februar 2025
Am Schlusstag der dreitägigen Winterkonferenz in Klosters konnte der Schweizerische Gewerbeverband sgv den Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), Bundesrat Guy Parmelin, begrüssen. Vor Parmelins Auftritt hatte ein Referat «Der lenkende Staat – von Subventionen und Vorschriften» von Eric Scheidegger, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik und Stv. Direktor Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, den Freitagmorgen lanciert. Scheidegger stellte fest, dass die Wahrnehmung der administrativen Belastung in der Wirtschaft – hier bleibt sie die Hauptsorge – und der Bevölkerung unterschiedlich sei.
Das Unternehmensentlastungsgesetz und die Regulierungsfolgeabschätzung seien Teil eines Werkzeugkastens für «gute Regulierung». Zudem seien die Vorschläge der Gruppe Gaillard zur Aufgaben- und Subventionsüberprüfung wichtig. Auch für den (unwahrscheinlichen) Fall, dass alle komplett umgesetzt würden, werde das Ausgabenwachstum weiter ansteigen. Von einem «Kaputtsparen des Staates», wie es die Linke lautstark beklage, könne deshalb nicht die Rede sein.
«GMV statt ESG»
Mit einem launigen Referat zum leidigen Thema ESG-Regulierung überzeugte Beat Brechbühl, Rechtsanwalt und Managing Partner bei Kellerhals Carrard. Die aktuelle Nachhaltigkeitsreligion ESG – Environmental, Social and Corporate Governance – stelle Form vor Substanz, Nachhaltigkeitsreports wirkten als «Beruhigungspillen und Nebelpetarden», ein Hüst und Hott in Sachen Regulierung könne per se nicht nachhaltig sein, so Brechbühl. «ESG reduziert die Wertschöpfung und schadet so insbesondere den KMU.» Brechbühl plädierte für «GMV statt ESG»: Gesunder Menschenverstand statt Deklarationsverpflichtungen à gogo.
Zur neuen Konzernverantwortungsinitiative 2.0, von welcher KMU laut den Initianten scheinbar «nicht betroffen» seien, sagte Brechbühl: «Das sind Schalmeienklänge; das wahre Ziel ist eine Spaltung der Wirtschaft.»
Mindset ändern
In der Diskussion «Die Schweiz – mitten im Regulierungsdschungel?» trafen sich die Nationalräte Lars Guggisberg (SVP/BE) und Heinz Theiler (FDP/SZ), Daniel Wyss, Präsident des Schweizerischen Büchsenmacher- und Waffenhändlerverbands, sowie Urs Furrer, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands.
«Die Linke hat es geschafft, dass ‹die Wirtschaft› in der Bevölkerung mit den Konzernen gleichgesetzt wird», stellte Guggisberg fest. «Das müssen wir ändern, andernfalls werden wir weitere Abstimmungen verlieren.»
Theiler wies darauf hin, dass grosse Dienstleister Regulierungen an KMU weiterreichten, um ihre eigene Nachhaltigkeit unter Beweis zu stellen.
Wyss zeigte am Beispiel der Waffenbranche auf, wie Banken und Versicherungen langjährige Kundenbeziehungen aus Imagegründen kurzfristig aufkündigen, «obwohl wir sowohl für die Armee und die Polizei wie auch für all jene Sicherheitsdienste, welche diese Dienstleister beschützen, jederzeit da sind und sie mit unserer Arbeit unterstützen.»
Furrer wies darauf hin, dass Regulierungen – auch im Bereich ESG – immer wieder als Mittel im Konkurrenzkampf missbraucht werden, und richtete einen Appell an die Politik: «Denkt an die KMU, wann immer ihr Regulierungen beschliesst.» Denn immerhin machen die über 600'000 Schweizer KMU stolze 99,8 Prozent aller Unternehmen in unserem Land aus – nicht nichts, müsste man meinen.
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